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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Braun, Irene: Frauenarbeit an der Nürnberger Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0052

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Frauenarbeit an der Nürnberger Kunstgewerbeschule.

49. Kissen, von Margar. Zapf, Kurbelstickerei in schwarz,
grün, gelb auf weißem Grund. (Va d. wirk!. Größe.)

blick herrscht die Spirale die so lang ganz ver-
gessen war und doch in ihrer Vereinigung von Be-
wegung und Ruhe so großen dekorativen Wert
besitzt.

Abb. 50 zeigt eine kleine Probe der merkwür-
digen indischen Flechttechnik (von B. Bl artin), die
dem Areuzstich nahekommt, aber körniger und amü-
santer als dieser wirkt. Während beim Areuzstich
der Faden bei jedem einzelnen Stich aus der Rück-
seite des Stoffs durchgeführt wird, ist hier nur An-
fang und Ende jeder Linie im Stoff befestigt; die
Fäden bilden eine Art Gitter auf der Oberfläche,
das frei aufliegt und durch kunstvolle Areuzung sehr
solid in sich befestigt, aber nur an den äußersten
Punkten mit dem Grund fest verbunden ist.

Neu ist die Anordnung des Aiffens von
3. Rothlauf (Abb. 53), die in der Photographie
nicht genügend hervortritt: die Rosetten in den
Ecken sind in Spitzenarbeit, Reticella, in den Stoff
eingesetzt, über Hellem Seidegrund, während die ver-
bindenden Borten in Flachstich aus dem Stoff stehen.
Ähnliche eingesetzte Spitzenfiguren — die echteste Art,
Leinen zu dekorieren — zeigt auch die Decke von
B. Martin (Abb. 5^); hier sind die Spitzenvierecke
in Durchbruch aus dem Stoff selbst herausgearbeitet.
Auch bei der breiten Borte von L. Wüst (Abb. 55)
ist das feine Gitterwerk des Grundes aus den stehen-
gebliebenen, fest umwickelten Leinenfäden hergestellt,
die Wirkung erinnert an Filetguipüre.

Das Spitzenklöppeln ist durch einige besonders
gute Arbeiten vertreten; das Taufjäckchen vonG.Alee-
mann (Abb. 56), zeigt ein äußerst zierlich wechseln-

des Streifenmuster; die geklöppelte Borte in gelb-
licher Seide von Bk. Fey (Abb. 57) stellt eine sehr
vornehme Aleiderdekoration dar, und ebensogut wirkt
in ihrer Art die leinene Alöppelspitze derselben Schü-
lerin (Abb. 6s).

Unter dein Namen „Teneriffa" wird in letzter
Zeit eine Nadelspitzenarbeit wieder ausgenommen,
die früher als „spanische Spitze" oder „brasilianische
Sols" bekannt und als Schmuck für zarte Schals,
Arawatten, Scheibengardinen beliebt war, — eine
sehr mühsame Technik. Das Muster ist auf einer
Scheibe von Aarton vorgezeichnet; dieser wird auf
einem gepolsterten Brett ringsum mit Stecknadeln in
bestimmten kurzen Abständen befestigt, über welche
das Netz gespannt wird; in der Mitte kreuzen sich
sämtliche Fäden. Zwischen diesen webt dann die
Nadel hin und her und schafft zierliche Flächen und
Verbindungen; oft werden viele solcher Rosetten zu
einer Borte vereinigt. Ganz neu ist die Einordnung
der Figuren in das Drei-, Vier- und Sechseck, wie
dies die schönen, von B. Martin erfundenen Spitzen
(Abb. 58—60) zeigen; sie sind als Aonkurrenzarbeit
entstanden.

Auch die Handweberei wird hier gepflegt, wie
die Sesseldecke von F. Bierhals (Abb. 62), das
Aiffen von L. Pilger (Abb. 63), die gewebten Gürtel
(Abb. 64.), das Handtäschchen von Ens (Abb. 72)
zeigen.

Es ist schade, daß die Handweberei bei uns
nicht recht zu dem praktischen Erfolg gelangen kann,
den sie ihrem künstlerischen Wert nach verdiente.
Daß man ein kleines Stück handgearbeiteter
Spitze mit hohem Preis bezahlt, versteht sich von
selbst; auch die Aunstwerke der Modistin werden
reichlich honoriert. Daß aber die Weberin neben
der mühsamen, zeitraubenden Landarbeit und dem
nicht billigen Material ein hohes Maß von zeich-
nerischen! Aönnen anwenden niuß, uni ein gutes Stück
herzustellen, und nach Verdienst honoriert werden

50. Mustertüchlein; von Berta Marti»; indische Flechttechnik.
(Vs d. wirkl. Größe.)

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