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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Lory, Karl: Ein halbes Jahrhundert Kunst und Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0059

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Frauenarbeit an der Nürnberger Kunstgewerbeschule.

70.

71-

70—74.

Handtäschchen der Schülerinnen
Hilde Rapp (70), Berta Ar aus
(70» Anna (Ens (72), Gretchen
Kraft (73), Frieda Heid (74).

70. Schwarzer Samt, Einsatz auf
Goldgrund bestickt mit blau, grün,
schwarz, gold; — ?(. Batikarbeit;
goldbraun auf olivgrünem Samt,
grund; — 72. gewebt, Grund hell
graugrün, Vrnament in stumpfen
Farben; — 73. (Konkurrenzarbeit),
Knüpftechnik, Grund dunkel-bronze-
glänzend: Bänder grün, Vrnament
und Fransen grün und violett; —
74. Knüpftechnik, dunkelmeergrün,
mit schwarzen und grauen Holz-
perlen durchsetzt.

(V* d. wirkl. Größe.)

73.

74.

Wenn wir aber vollends die formen betrachten,
die den (Produkten der Firma Morris 6c Co. eigen
waren, so gewahren wir mit Staunen, daß die
modernsten Grundsätze höchst altertümliche Formen
zeitigen können. Zwischen den Erzeugnissen von
Merton Abbey und denen unseres neuen deutschen,
spez. Münchner Aunstgewerbestils ist ein himmel-
schreiender Unterschied. Sie alle, die führenden Geister
der Firma Morris 6: To., waren letzten Endes roman-
tische Schwärnter und statt Formen zu suchen, die den
Bedürfnissen des Tages sich anpaßten, lehnten sie
sich an gewisse mittelalterliche, besonders gotische Vor-
bilder an und arbeiteten dadurch nur einer Bewegung
vor ihnen entgegen, die eigentlich auf dem rechten
Wege gewesen war. Denn schon vor der Begründung
der Morris-Gesellschaft hatte es in England Ansätze
zu etwas Ähnlichem gegeben, was wir heute Sach-
kunst nennen: eine Bewegung, die bei der Gestaltung

der Dinge nach nichts anderem fragte als nach ihrem
Zweck, ihrer Bestimmung, ihrer Gebrauchsfähigkeit,
eine Bewegung, die in der Sachlichkeit der Aus-
führung die Schönheit sah. Schon s856 hatte ein
Franzose, der Graf de la Borde, niit scharfem Auge
die Ansätze zu einer solchen englischen Sachkunst-
bewegung erkannt. In seiner umfangreichen Studie
»de l’union des arts et de 1'Industrie« rühmt er dem
damaligen England nach, es suche aus dem Gebrauch
der Gegenstände und aus ihrer Bestimmung heraus
das Vrnament zu ermitteln, das jedem einzelnen am
besten entspreche, „die für jedes Ding geeignetste
Form." Es waren Produkte des englischen Gewerbe-
fleißes, die auf der pariser Ausstellung vom Jahre
f855 zur Ausstellung gelangt waren, die ihn zu
solchen Lobeserhebungen veranlaßten. England habe
z. B. lange nach dem Aochtopf gesucht, der das meiste
Wasser fassen könnte und sich leicht handhaben ließe,

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