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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Lory, Karl: Ein halbes Jahrhundert Kunst und Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0060

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Lin halbes Jahrhundert Kunst und Handwerk.

75—79. Knüpfarbeiten der Schülerinnen Bibiana Graser (75), Grell wo Ising er (76 u. 78). Berta Kraus

(77. Konkurrenzarbeit), Margarete Zapf (79).

75 u. 76. Graugelber Bindfaden mit kugelförmigen und langrunden holzperlen; — 77. Grauleinen, Grund des Musters
stumpfblau, Mittelstücke dunkelgelb; — 78. Graugelb und lila, mit lila Glasperlen durchsetzt; — 79. Besatz für ein

Gesellschaftskleid; maisgelbe Seide. (Vs d. wirkl. Größe.)

ohne doch wegen eines zu schmalen Fußes umzu-
kippen. Line stämmige, dickbauchige Form sei dabei
herausgekommen, mit einer Öffnung, die schnelles
und reichliches Ausgießen ermögliche; ebenso habe
es seine Teekanne, seinen penkelkrug, seine breiten
Waschbecken, seine mit Glocken versehenen Schüsseln,
seine Spülschalen selbst geschaffen. „Wan fühlte sich
wohl in den: Raume, der im Aristallpalast für die
englische Aeramik reserviert war: eine schlichte paus-
frau konnte ihre Vorzüge ebensowohl würdigen wie
ein großer Aünstler"h.

In der Tat hatte man in England nicht nur
erkannt, wo der Schuh drückte, man war sich nicht
nur über den Tiefstand der englischen Produktion,
den schon s85s die Londoner Weltausstellung geoffen-
bart hatte, klar geworden, das Vorhergehende be-
weist, daß es Leute gab, die auch auf dem rechten
Wege waren. Dabei hatte in England damals einer
der berühmtesten Bahnbrecher auf dem Wege zur
neuen Produktionsweise gewirkt und sich sogar aller-

höchster Gunst erfreut, ein landesflüchtiger Deutscher,
der dann fpätcr in der Schweiz ein dauerndes Asyl
fand: Gottfried Semper. Aber diejenigen, die dann
energisch Ernst machen wollten mit der Wiederbele-
bung der Handwerkskunst im eigentlichen Sinn des
Wortes, die auch wirklich förmlich vorher bestimmt
erscheinen, zwischen Aunst und pandwerk ein unauf-
lösliches Band zu schlingen, sie brachten schließlich
Formen heraus, die nicht lebensfähig fein konnten.
Schon was Morris für das eigene f?eint geschaffen,
war im Grunde ein völlig mittelalterlicher pausrat
geworden. Das Wittelalter war das Ziel der Sehn-
sucht dieser Leute, und zwar ein Wittelalter romantisch-
ritterlicher Phantasien, ein Mittelalter schwärmerischen
Gemütsüberschwanges von fast kränklicher Empfind-
lichkeit und Entpfindsamkeit, wie es ja aus deu Bildern
derer um Willais, der Prärafaeliten, genügsam be-
kannt ist. Morris selbst war mit der gleichen ver-
zückten Andacht durch die Heimatstädte der Gotik und
durch die Stätten, wo van Eyck und Wemling ge-
schaffen, gepilgert wie ein halbes Jahrhundert vor-
her deutsche Romantiker durch Rothenburg und Nürn-

') a. a. V. S. ;-8f.
 
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