Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

DOI Artikel:
22. Ordentlicher Delegiertentag und Kunstgewerbetag des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine: Delegiertentag in München: 24. Juni 1912 [und] Deutscher Kunstgewerbetag München: 25. und 26. Juni 1912
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0378

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
<90. Servierplatten und Leuchter aus Messing; erstere nach Entwürfen von Georg Dogt, Nürnberg, letztere nach Entwürfen
von Jakab B. Schmitt, München; ausgeführt von Steinicken & Lohr. (Vs d. wirkt. Größe.)

uns ans den Eigentümlichkeiten von Land und Volk; hier ist
in Ergänzung der Eigenheiten anderer Volksstämme poetische
Künstleranlage und lebensfrohe Wesensart in höherem Grade
vorhanden als in anderen Teilen Deutschlands, aus denen wir
kamen, Hierher lenkt man vielleicht am liebsten die Schritte
aus allen Teilen Deutschlands. München lieben wir, selbst wenn
cs spröde ist. Selten geschah die Aufnahme der Delegierten des
Verbandes deutscher Kunstgewcrbevereine in liebenswürdigerer
Meise und herzlicherer Gastfreundschaft als in München, und
das danken wir Münchens inniger Anteilnahme an allen künst-
lerischen Fragen, dem Grtscharakter, der Bevölkerung dieser
Metropole des deutschen Kunstgewerbes und seinem (Ober-
bürgermeister.

Diesen galt das Hoch des geistvollen Redners.

An die Zeit des großen Umschwunges im
deutschen Uunstgewerbe knüpfte später Or. Hirth
an, und sprach etwa folgendes:

„Gestatten Sie einem der letzten überlebenden von der
alten Garde des Jahres (876 einige Worte der Erinnerung
und Entlastung. Der Entlastung insofern, als uns im Laufe
der letzten Jahrzehnte oft der Vorwurf gemacht worden ist, daß
wir durch den engen Anschluß an die Werke unserer Väter aus
dem (6. Jahrhundert doch nur eine alte Kunst hätten aufs
neue lebendig machen wollen. Noch mehr hat man uns die
Wiederbelebung der Stilperiode des (7. und (8. Jahrhunderts
als Sünde angekreidet, nun feien wir glücklich bei der Bieder-
meierei angekommen — eine „historische" Entwicklung xour Is
rot de Prusse (große Heiterkeit), oder, wie man in München
sagt, für die Katz. Der Redner legte dann dar, wie absolut
notwendig damals der Anschluß an die besten Zeiten deutschen
Kunsthandwerks geweseir sei, wie die Schreiner, Goldschmiede
usw. in dem intimen Umgang mit den Arbeiten ihrer Vor-
fahren sich das Notwendigste jeder Kunstbetätigung: eine tüch-

tige, stilgemäße Technik aneignen konnten. Auf diesem gesunden
Boden steht auch alles, was heute an Neuem, (Originellem zu-
tage tritt. Darum feien die Anregungen der (876er Aus-
stellung im Glaspalast so fruchtbare, so notwendige gewesen.
Sie habe die deutsche Kunstempfindung, die deutsche solide Technik
zur Grundlage der modernen Entwicklung gemacht. Wohl
ziemt die Erinnerung daran dem, der das Glück hatte, jene
Zeiten schöner Begeisterung mitzumachen. Mehr als die Jungen
aber wird er bei diesem Gedanken die sehen, die heute nicht
mehr da sind. Und so inuß ich denn den ernsten Vorschlag
machen, dem Andenken der Begründer jener Ausstellung und
Münchener Kunstentwicklung, Ferdinand v. Miller sen., Franz
und Rudolf v. Scitz, Gedon, Franz v. Lenbach, Lossow, Winter-
Halter usw., den teuren verstorbenen Freunden ein stilles Glas
zu weihen."

Den ergreifenden, aus echter Gemütlichkeit
quellenden Worten folgend, erhoben sich die Ver-
sammelten und weihten den Wanen der Hingeschie-
denen Führer ein feierliches Gedenken.

* »

Nachdem der Delegiertentag mit einem dem Festmahl
folgenden Gewerbeschaubesuch geendet hatte, wurde am Abend
der Kunstgewerbetag cingeleitet durch einen festlichen Empfang
der Gäste im Kunstgewerbehaus, dessen Saal nach der Tagung
des Delegiortentages in wenig Stunden durch die Bildhauer
Diill und Pezold einen Festschmuck in Blumen, namentlich in
Rosen, erhalten hatte, wie er es kaum je erlebt. Leider war
der Raum für die Zahl der Gäste viel zu eng. (Offiziell er-
öffnet wurde der Empfangsabend mit einem Begrüßungsgedichte,
in welchem Rat I. v. Schmaedel den Willkommgruß sprach und
auf das Bündnis zwischen Kunst und Handwerk ein Hoch aus-
brachte. Nach einiger Zeit betrat ein Zug kleiner bekränzter
Mädchen den Saal, um, während eines derselben, die Tochter

Aunst und Handwerk. 62. gahrg. Heft (2.

365

50
 
Annotationen