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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Der erste deutsche "Tag für Denkmalpflege" in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0018

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Der erste deutsche »Tag für Denkmalpflege« in Dresden.

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Regierung die angesehensten Fachmänner der Denk-
malpflege aus ganz Deutschland zu einem besonderen
»Tag für Denkmalpflege« in Dresden zusammen-
getreten.

Die grosse Mehrzahl der deutschen Regierungen
hatte ihre offiziellen Vertreter zur Teilnahme an den
Verhandlungen des Dresdener Tages gesendet. Aus
dem preussischen Kultusministerium allein waren
nicht weniger als vier Vertreter erschienen, ausserdem
sämtliche preussische Provinzialkonservatoren. Die
kgl. sächsischen Ministerien hatten vier Vertreter ent-
sendet. Nur einige von den kleineren deutschen
Staaten waren fern geblieben, wohl nicht, weil die-
selben den Fragen der Denkmalpflege ablehnend
gegenüberstehen, sondern weil in der Organisation
der Behörden der kleineren Länder nicht überall die
rechte Persönlichkeit zur Vertretung dieser Interessen
zur Verfügung stand.

Durch die ganze Versammlung, in welcher sich
eine so grosse Zahl von einflussreichen Beamten und
hervorragenden Fachgelehrten aus allen Teilen Deutsch-
lands zusammenfand, wehte ein Hauch fröhlicher
Zuversicht. Allerdings war sich wohl Jeder darüber
klar, dass bei einem derartigen Kongress keine end-
gültigen Entscheidungen über neue Gesetze und Or-
ganisationen zum Schutz der Denkmäler getroffen
werden können. Dazu bedarf es vor allen Dingen
der Zustimmung der einzelnen Landtage. Mit diesen
wird es in jedem einzelnen deutschen Staate noch
manchen Kampf auszufechten geben. Doch die grosse
Übereinstimmung der Anschauungen, welche bei den
angesehensten Fachmännern in den meisten wichtigen
Fragen zum Ausdruck kam, wird bei der weiteren
Behandlung dieser Angelegenheiten in den verschie-
denen deutschen Volksvertretungen entschieden von
günstigem Einfluss sein. Ein besonderer Dank gebührt
dabei der königlich sächsischen Regierung, welche
das Zustandekommen dieses Tages in Dresden durch
ihr ebenso entschlossenes als zielbewusstes Vorgehen
gefördert hat. Die Rede, mit welcher Geh. Rat Ro-
scher-Dresden als Vertreter des Ministeriums des
Innern die Versammlung eröffnete, gab den besten
Beweis dafür, mit welcher Besonnenheit der sächsische
Staat in den letzten Jahren an alle wichtigen Fragen
der Denkmalpflege herantritt.

Zum Vorsitzenden der Versammlung wurde ein-
stimmig der Geh. Justizrat Prof. Lörsch aus Bonn
gewählt, welcher die langwierigen Debatten mit ebenso
ausgebreiteter Sachkenntnis wie parlamentarischem
Geschick nach allen Abschweifungen stets wieder auf
das ursprüngliche Ziel zurückzulenken verstand. Zu
Schriftführern wurden Prof. K. Berling-Dresden, Prof.
Georg Voss-Berlin und Conservator Dr. Döring-Mag-
deburg gewählt.

Den ersten und wichtigsten Punkt der Beratungen
bildete die Gesetzgebung zum Schutze der Denkmäler.
Den bisherigen Zustand in den verschiedenen deut-
schen Staaten und in den hauptsächlichsten europä-
ischen Ländern schilderte in einem längeren Vortrage
der Conservator der Kunstdenkmäler der Rheinprovinz
Prof. Paul Giemen, welcher auf diesem Gebiete im

Auftrage des preussischen Kultusministeriums eingehende
Studien gemacht hat. Der Redner begnügte sich nicht
damit, wie Wussow in seinem bekannten Handbuche
die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen aufzuzählen.
Mit dem sicheren Blick des bewährten Fachmannes
hob Clemen bei den verschiedenen Gesetzesbestim-
mungen hervor, inwiefern dieselben thatsächlich bisher
zum Schutz der Denkmäler genützt haben, anderer-
seits aber auch, welche mit diesen Gesetzen verknüpfte
Hoffnungen unerfüllt geblieben sind. Was von den
Regierungen der grösseren deutschen Staaten im Laufe
unseres Jahrhunderts zum Schutz der Denkmäler teils
bereits geschehen, teils durch einzelne Gesetze und
Verordnungen angestrebt sei, wurde dankbar anerkannt.
Ebenso sehr aber hob der Redner hervor, welch'
hartnäckiger Widerstand sich den Regierungen bei
diesen Bestrebungen in den Weg gestellt habe.

Als das »klassische Land der Denkmalpflege«
schilderte Clemen Frankreich, nicht nur in Bezug auf
die Organisation der Behörden für die Erhaltung der
Denkmäler, sondern auch in Bezug auf die grossartigen
Geldmittel, welche dort für Erhaltung und Restaurierung
der Altertümer zur Verfügung stehen. Der jährliche
Etat zur Pflege der Denkmäler beträgt in Frankreich
die stattliche Summe von 3 Millionen Francs. Wie
bescheiden dagegen in Preussen der Etat von 35,000 Mk.,
welchen der Staat für die Erhaltung der Altertümer
in seinen sämtlichen Provinzen zur Verfügung hat!
In Preussen ist die Denkmalpflege noch immer wesent-
lich Sache der Provinziallandtage. Die Rheinprovinz,
welche von allen Gegenden Deutschlands die grösste
Anzahl von wertvollen Bau- und Kunstdenkmälern
aus den verschiedensten Jahrhunderten der vaterlän-
dischen Geschichte aufweist, hat in den letzten
Jahren aus eigenen Mitteln einen Etat von 120000
Mark und einen Dispositionsfond von 20000 Mark
für die Erhaltung der Denkmäler bewilligt. Doch
die übrigen Provinzen stehen weit dahinter zurück.
Bei umfangreicheren Restaurierungen ist man haupt-
sächlich auf den Ertrag der verschiedenen Kirchenbau-
Lotterien angewiesen. Dass hier der Staat in ganz
anderer Weise durch Bewilligung wesentlich grösserer
Geldmittel eintreten müsse, hat der preussische Finanz-
minister bereits vor mehreren Jahren ausgesprochen
und sich bereit erklärt, den Etat erheblich zu erhöhen,
sobald erst die rechte gesetzliche Grundlage und die
geeigneten Organisationen zur Erhaltung der Denk-
mäler geschaffen wären. Der Redner weist daher
nach, wie wichtig der Zeitpunkt wäre, um nun-
mehr die geforderte Grundlage zu schaffen. Es werde
dadurch dem umfangreichsten unter den deutschen
Staaten die Möglichkeit gegeben, ein längst gegebenes
Versprechen einzulösen und auf diese Weise in der
Denkmalpflege den übrigen deutschen Regierungen
als rühmliches Beispiel voranzugehen.

Auch für die neu zu schaffenden Gesetze sei
Frankreich in mancher Beziehung als Vorbild zu betrach-
ten. Dort sind die wichtigsten Denkmäler der Kunst und
der Geschichte des Landes in eine besondere Liste
eingetragen. Diese klassierten Denkmäler« werden
vom Staate als kostbarer Besitz gegen jede Zerstörung
 
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