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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0023

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Sammlungen und Ausstellungen.

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dortige Akademie unentgeltlich besuchen, wo der Kopen-
hagener Professor Stein ihm seine aufmerksame Förderung
zu teil werden Hess. Durch die Erbschaft einer Gönnerin
und zwei Reisestipendien (nach Rom und nach Berlin-
Paris) wurde er in die Lage versetzt, ganz seiner höheren
künstlerischen Ausbildung sich hingeben zu können. Auf
der zweiten Reise nach Paris biieb er in Berlin «kleben« ,
weil sich ihm eine Fülle von Anregung und Aufträgen
dort boten. Anerkennung fand eine Statuette von Schultze-
Delitzsch, und bei der von der Stadt Berlin ausgesetzten
Konkurrenz für ein Alarmorbild der »Spree« gewann er
den ersten Preis unter den 10g eingegangenen Entwürfen
und den Auftrag der Ausführung. w- Schälermmti.

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Berlin. Die Ausstellungsräume von Keller & Reiner
haben eine durchgreifende Neuordnung erfahren. Der
grosse Oberlichtsaal macht mit seinem riesigen roten Tep-
pich einen sehr vornehmen Eindruck. Aber ob man im
allgemeinen von einer Verbesserung reden kann, darüber
Iässt sich streiten. Das Anheimelnde, Gemütliche, das be-
sonders die kleineren Räume früher auszeichnete, ist ge-
schwunden. Wo früher das reizende Lesekabinett den
Besucher entzückte und zu anregender Erholung einlud,
findet man jetzt auch einen Ausstellungsraum, der aller-
dings mit einer sehr interessanten Darbietung eingeweiht
wird. Inmitten seiner zum grossen Teil freilich schon be-
kannten Handzeichnungen steht die Büste Max Klinger's
von Carl Seffner-Leipzig. Sie ist höchst lebensvoll, aber
eine etwas tiefere Auffassung wäre bei dem Kopf dieses
Künstlers dringend zu wünschen. Er sieht hier denn doch
etwas sehr gemütlich aus. Und, wenn man es nicht wüsste,
welch ein Meister er ist, auch hier wieder würde man es
erkennen. Wie geistreich muss der Künstler sein, der alle
diese zuweilen von feinem Humor, fast immer von
Grösse zeugenden Zeichnungen geschaffen. Wie amüsant
und grotesk ist dieser »Katzenjammer« gedacht und aus-
geführt, mit wie wenigen Strichen ist hier eine förmlich
unheimliche Wirkung erzielt. Man fühlt den Jammer der
knieenden Gestalt fast, vor welcher der gewaltige ge-
spenstige Kopf des Katers aus dem Meere auftaucht.
Wie grossartig ist die »Sorge«, die »Studie zum Prome-
theus ", wie reizvoll die »Glückwunschkarte«. Höchst
packend ist eine frühe Arbeit, die durchgeführte Darstellung
des Schlussaktes eines ehelichen Dramas. Aus dem Fenster
eines Landhauses lehnt der Hausherr, die abgefeuerte
Büchse in der Hand, gespannt die Wirkung des Schusses
beobachtend, der den Liebhaber seiner Gattin, mit der
dieser unten im Garten ein Stelldichein hatte, zu Boden
gestreckt hat. Das würde von der Hand eines geringeren
Künstlers dargestellt eine Art Sensationsbild geworden
sein. Hier aber sieht man von dem Erschossenen nur die
mit elegantem Schuhwerk bekleideten Füsse, den zurück-
gesunkenen Körper verdeckt die Gartenmauer, und nur
der entsetzte Ausdruck auf dem Gesichte der Frau verrät,
was hier geschehen und weshalb es geschah.

Franz von Lenbach's meisterliches Bildnis seiner Tochter
»Marion«, zwei Arbeiten Franz Stuck's und eine Frühlings-
landschaft Ludwig- v. Hofmann's erhöhen noch das Inter-
esse, das man diesem Raum entgegenbringen muss. Frei-
lich sind, wenn ich nicht irre, sowohl dieser Lenbach als
die beiden Stuck's ältere Werke. Aber, wenn das bei dem
Lenbach'schen Bild und bei dem Stuck'schen »Tänzerinnen«-
Relief nichts ausmacht, so ist doch nicht zu leugnen, dass
die »Sünde«; und selbst wenn sie von Stuck ist, einem zu-
letzt langweilig werden kann. Dies Thema mit Variationen
ist unter demselben oder einem anderen Titel von diesem
Künstler doch schon etwas abgespielt. —

Ludwig von Hofmann's Frühling« ist eine Landschaft
voll Frische und Sonne, in dem die Ferne prachtvoll
wiedergegeben ist; aber etwas zu viel Wert ist wieder
einmal auf die dekorative Wirkung gelegt, und der Rahmen
zerreisst das ganze Bild, statt es zusammen zu bringen.
Er Iässt Vornehmheit und Ruhe durchaus vermissen, ob-
wohl er offenbar mit Rücksicht auf das Bild hergestellt
wurde. — Da hat man doch viel mehr und viel reinere
Freude an Hans Thoma's beiden stimmungsvollen Land-
schaften, von denen besonders der »Frühling am Gardasee«
gross und farbig wirkt.

Der kleine Nebensaal ist mit ausserordentlicher Sorg-
falt und den raffiniertesten Mitteln in einen Ausstellungs-
raum für Schmucksachen umgewandelt worden. Das ist
gewiss sehr hübsch, aber für eine Kunstausstellung doch
etwas deplaciert. Damit soll nicht der künstlerische Wert
der schönen Erzeugnisse der Medailleur- und Goldschmiede-
kunst herabgesetzt werden, aber diese von innen beleuch-
teten Schmuckkästen sind zu viel Apparat. Das Iässt man
sich bei einer Sonderausstellung derartiger Sachen gefallen,
in einer »Kunstausstellung« aber sieht man im allgemeinen
lieber Kunstwerke anderer Art. Früher waren diese feinen
Arbeiten im vorderen Saal in Vitrinen untergebracht; das
genügte vollständig, und man konnte sich genau so gut
an ihnen freuen. —

Der grosse Oberlichtsaal hat trotz des warmen roten
Teppichs etwas Kühles. Auch für das, was in ihm zur
Zeit gezeigt wird, gilt dies. Englische und schottische
Künstler haben ihn fast ausschliesslich in Besitz genommen.
G. Hitchcock-SchuWenburg fesselt mit der überaus zarten
Gestalt einer »Holländischen Braut«, die in einem blühen-
den Tulpenfelde steht, am meisten; sie ist eine Blume
unter Blumen, und das Ganze ist ein überaus reizvolles
Bild. Dies kann man auch von dem stimmungsvollen
»goldenen Abend« und besonders von der sehr fein ge-
stimmten Landschaft sagen, die der Maler nach der sie
durchschreitenden Gestalt als »Milchmädchen« bezeichnet.
— Von W. Mouncey's-London zahlreichen Landschaften
seien besonders hervorgehoben das sehr frische Hafenbild
Kirkendbright« und das recht stimmungsvolle »Am Dee-
fluss«, während die übrigen etwas Unruhiges haben. In
dieser Hinsicht besonders überragt Harold Speed's Blaue
Grotte bei Capri« jene Arbeiten weit, es ist ganz beson-
ders fein im Ton. Flott und kräftig gemalt ist Alfred
East's »Im Themse-Thal«, und Austen Brown's »Pflügender
Bauer« ist eine bedeutende, sehr eindrucksvolle Abend-
stimmung. Auch A. K- Brown-Glasgow sandte eine von
ungewöhnlicher Naturauffassung Zeugnis gebende Land-
schaft »Schottisches Moorland«, und ein treffliches Innen-
bild »Im Restaurant« hat A. Neven-Dumont-London ge-
sandt, von dem auch ein lebensvolles »Knabenbildnis« her-
rührt. Als Bildnismaler wird er aber noch weit übertroffen
durch W. Steer-London, der zwei ganz ausgezeichnete, ein-
fach gemalte Frauenporträts ausstellt. Gross in der Auf-
fassung, fein und mächtig in der Stimmung ist B. Sickert's
»Ansicht von Lincoln«, und hervorragend in der Farbe wie
in der Fernwirkung ist Corsan Morton's »Ostküste von
Schottland«, während sein frisch gemaltes »Schloss Aber-
dour in Schottland« in der Stimmung wie im Motiv an Walter
Scott's Romantik erinnert. Endlich seien noch Da Costa's le-
bensprühendes feines Porträt Dame in Schwarz«, und H. B.
Brabazon's luft- und lichtvolle Aquarelllandschaften rühmend
hervorgehoben. — Auch einzelne für des Meisters ganze Art
sehr charakteristische Zeichnungen von Burne-Jones und ein
bedeutender Kopf von Dante Gabriel Rosselti nehmen das In-
teresse des Besuchers gefangen, während A. Macgregor-
Edinburgh als ziemlich weichlicher und recht matter Epi-
gone der Präraffaelliten erscheint. — P- Vf.
 
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