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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Meier, Paul J.: Der Meister von Königslutter in Italien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0058

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99

Bücherschau.

100

zelnen manches, was wir der Eigenart des Italieners
zuzuschreiben geneigt sind, auf die Rechnung des
Deutschen kommt. In einem Kapitell am Veroneser
Dom, dem südlichen der Vorhalle, spricht sich aber
die deutschromanische Formgebung trotz Verwendung
des Akanthusblattes ganz besonders unzweideutig aus.
Hier ist der scheinbar leere Raum zwischen den bei-
den übereinander gelegten Blättern so gross, dass
seitwärts noch je ein weiteres Blatt zum Abschluss
nötig wird; dabei springt diese eigenartige Blätter-
gruppe auf den vier Seiten des Kapitells weit vor und
es muss zur Ausfüllung der vier leeren Ecken da-
zwischen je ein knollenartiges Blatt dienen. Von
klassisch südlichem Formengeist ist hier nichts zu
spüren. Zugleich aber würde das Kapitell, auch wenn
seine deutsche Eigenart angezweifelt werden sollte,
mehr noch wie die oben erwähnten Figuren und
Ornamente beweisen, dass der Meister von K. that-
sächlich in Verona und Ferrara gearbeitet hat. Denn
genau dasselbe so verzwickte, durch und durch in-
dividuelle Kapitell kehrt mit allen seinen Einzelheiten
je zweimal am Löwenthor und im Kreuzgang in K.
wieder1), um dann im Gebiet des nördlichen Harzes
noch weiterhin eine grosse Rolle zu spielen. Nur
eine und dieselbe Hand kann dies Kapitell in Verona
und in K. gearbeitet haben. Das zeigt allein schon
der Umstand, dass weitaus die meisten nordharzischen
Beispiele dieser Kapitellart, d. h. die, die nicht vom
Meister von K selbst herrühren, trotz aller Abhängig-
keit von diesem auf den ersten Blick als Werke einer
anderen Hand erkannt werden. Auch darf darauf
hingewiesen werden, dass der deutsche Meister aus-
schliesslich unter dem Einfluss des Nikolaus steht,
während andere Italiener ohne jede Wirkung auf
ihn geblieben sind. Das künstlerische Verhältnis,
das somit zwischen dem Deutschen und dem Ita-
liener bestanden hat, ist für beide Teile gleich
ehrenvoll und fruchtbar gewesen. Jeder hat seine
Eigenart bewahrt, jeder dem andern, von dem er
lernte, auch wieder reichlich gegeben. Denn auch
das doppelte Akanthusblatt, dessen sich Nikolaus, so
weit ich sehe, ausnahmslos bedient hat, lässt eher auf
einen deutschen Erfinder, als auf einen italienischen
schliessen. Die Bedeutung des deutschen Meisters,
die schon angesichts des plastischen Schmucks der
Stiftskirche zu K. so klar hervortritt, lässt sich aber
doch erst voll ermessen, wenn man beobachtet, wie
dieses herrliche Werk den Ausgangspunkt für eine
neue, ausserordentlich fruchtbare dekorative Schule
in Niedersachsen gebildet hat, auf die ich hier nicht
näher eingehen kann.

Dagegen muss ich schon in dieser vorläufigen
Besprechung noch die zeitlichen Verhältnisse berühren.
An Meister Nikolaus' Ferrareser Vorhalle steht die
Jahreszahl 1135, nicht allerdings als die der Er-
bauung der Vorhalle selbst, sondern als die der
Grundsteinlegung der ganzen Kirche. Aber es liegt
nahe, sie doch mit Zimmermann auch für die zeit-
liche Ansetzung der Vorhalle zu verwerten. Das ist jetzt

l) Vgl. a. a. O. S. 213 und Taf. XXIV.

aber nicht mehr möglich. Die oben erwähnten Über-
einstimmungen zwischen Ferrara-Verona und K. sind
so gross, dass wir die betreffenden Teile der Stifts-
kirche in K. unmittelbar auf die italienischen Vorhallen
folgen lassen müssen. Die Stiftskirche ist allerdings
gleichfalls 1135 begonnen worden; aber Chor und
Querhaus, Löwenportal und Kreuzgang gehören erst
einer zweiten Bauperiode an, und diese lässt sich zeit-
lich ganz genau festlegen. Ihr Beginn liegt vor dem
Jahre 1186. Denn jenes Kapitell mit den vierfachen
Akanthusblättern kehrt, vermutlich von der Hand des
Meisters von K. selbst, in der Michaeliskirche zu
Hildesheim und, von der Hand eines Schülers des-
selben, am Chor der Neuwerkskirche in Goslar wieder,
und der Umbau der ersten, dem die herrlichen Säulen
angehören, ist ebenso wie der Bau der östlichen
Teile der zweiten in dem genannten Jahre geweiht
worden. Andrerseits haben sich bei der Herstellung
des Doms in Braunschweig, den Heinrich der Löwe
1173 begann, an dem aber im übrigen der Meister
von K. nicht beschäftigt war1), Reste einer Akanthus-
blattwelle gefunden, die von den Chorschranken her-
rührt, und die sich vollkommen mit der am Chor in K.
deckt. In den siebziger und achtziger Jahren muss
also der Meister in K. u. s. w. thätig gewesen sein.
Die Vorhallen in Ferrara und Verona gehören daher
auch erst der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an,
und es ist wahrscheinlich, dass nun auch die Reliefs
des Meisters Wilhelm in Modena nicht unerheblich
später anzusetzen sind, als der in der Künstlerinschrift
genannte Beginn des Dombaus (1099).

P. J. MEIER.

BÜCHERSCHAU

Eduard Flechsig, Cranachstudien. 1. Teil. Mit 20 Abbil-
dungen. Leipzig, 1900, K. W. Hierseniann.

Ein wichtiges Buch. Nicht bloss wegen des Meisters
als Künstler selber, als auch durch die Streiflichter, die auf
die Verhältnisse überhaupt des damaligen Deutschlands
fallen. Denn Cranach war eben ein Künstler, der nicht
bloss eine umfassende Thätigkeit an sich entfaltete, sondern
auch in mannigfachen Beziehungen zu Fürstenhöfen und
den geistigen und weltlichen Strömungen der Reformation
stand.

Die Kenntnis des Materials von Seiten Flechsig's ist
eine bedeutende. Dies ist um so mehr anzuerkennen, als
gerade bei Cranach eine so überaus grosse Anzahl von
Werken in Frage kommt. Durch diese Fülle war Cranach
einesteils ausserordentlich in den weitesten Kreisen bekannt
und zeigte doch wieder auch bei den Kunsthistorikern ein
getrübtes Bild. Sehr wesentlich hat zur Klärung die vor-
jährige Ausstellung beigetragen, und sehr wesentlich auch
wirken die eingehenden und scharfsinnigen Untersuchungen
unseres Schriftstellers zur Ziehung bestimmterer Umrisse mit.

Warum der Künstler nicht ursprünglich Müller geheissen
habe, sehe ich nicht ein. Nach Warnecke's Mitteilungen
(Lucas Cranach der ältere, Görlitz 1879) kann man doch
füglich diese Thatsache nicht mehr bezweifeln. Dass etwa
»Müller« ein aus »Maler« entstandener Irrtum sei, hat
Warnecke überzeugend zurückgewiesen.

Dagegen war dies bei der Burg Dankwarderode
der Fall, für die wir leider keine Zeitangaben besitzen.
 
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