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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Personalien. Ausgrabungen und Funde. — Denkmalpflege.

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PERSONALIEN

Weimar. Zum Konservator der Kunstdenkmäler der
Thüringischen Staaten ist Professor Georg Voss in Berlin
ernannt worden. Das Gebiet des Konservators umfasst
das Grossherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, das Her-
zogtum Sachsen-Meiningen und Hildburghausen, das Her-
zogtum Sachsen-Coburg und Gotha, das Herzogtum Sachsen-
Altenburg, das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt sowie
das Fürstentum Reuss ältere und Reuss jüngere Linie.

Berlin. Der Maler Max Seliger, Professor am Kunst-
gewerbemuseum, hat einen Ruf als Direktor der Kunst-
gewcrbeschule zu Leipzig erhalten und angenommen, -r-

Basel. Prof. Heinrich Wölfflin hat den Ruf als ordent-
licher Professor an die Universität Berlin angenommen.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE

Rom. In Pompeji ist in einem Komplex von Gebäuden
an der Nordseite der Stadt eine 1,19 m hohe Bronzestatue
eines nackten Jünglings gefunden worden, die nach dem
Urteil des Archäologen Orsi von bedeutendem Kunstwert
ist. Sie scheint nach den bisherigen unklaren Berichten
darüber künstlerische Verwandtschaft mit dem sog. Idolino
in den Uffizien zu Florenz zu haben, aber nicht das Original
sondern eine Nachbildung der unteritalischen Eklektiker
aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert zu sein. Die
Erhaltung der Statue soll vorzüglich sein. Der abgebrochene
rechte Arm ist ebenfalls gefunden worden. Näheres vor-
behalten.

Rom. Die Restaurationsarbeiten, welche seit mehr als
einem Jahre zum grossen Teil auf Kosten des Kardinals
Rampolla in Santa Cecilia ausgeführt werden, hatten bis
dahin fast noch gar keine Denkmäler der Vergangenheit
ans Licht gebracht, wie man sie sonst bei allen modernen
Restaurationen in den Kirchen Roms reichlich gefunden
hatte. Nun hat sich in der Kirche gleichzeitig ein grosses
Unglück und ein grosses Glück ereignet. Die Tiberfluten,
welche selbst im Jahre 1870 vor dem Tempel der h. Ce-
cilia Halt gemacht hatten, haben die ganze Kirche über-
schwemmt und den grösseren Teil der mühsamen Arbeit
vieler Monate zerstört. Aber gleichzeitig hat man hinter
den Chorstühlen der Nonnen hoch oben an der Eingangs-
wand der Kirche wertvolle Fresken entdeckt. Im Kloster
von Santa Cecilia wird die strengste Klausur geübt und
eine gewichtige Empfehlung, die sonst alle Thüren in Italien
geöffnet hatte, versagte zunächst vor der gestrengen
Äbtissin des Klosters. Doch Hess sie sich am zweiten
Tage bewegen, das Jahrhunderte alte Thor zu öffnen, und
unter Führung einer ehrwürdigen Nonne gelangte ich in
den Chor, der sich an die Eingangswand der Basilika an-
lehnt und durch enges Gitterwerk gerade auf den Altar
blickt. Die wurmstichigen Chorstühle waren zum Teil
entfernt und von der unteren Wand hatte man die Tünche
herabgeschlagen. Hier wurde nach jahrhundertelanger
Vergessenheit ein umfangreiches Fresko blossgelegt. Es
ist eine Glorie Christi, zur Zeit noch etwas verdunkelt und
hier und dort beschädigt, aber im allgemeinen doch von
guter Erhaltung. Ein überlebensgrosser Christus mit dem
in erhabener Arbeit ausgeführten Kreuznimbus thront in
der Mitte von einer Engelsglorie umgeben. Links steht
Maria in anbetender Haltung, rechts gegenüber sieht man
den Täufer. Die zwölf Apostel schliessen sich an; sechs
auf jeder Seite. Sie sitzen alle auf hohen Armstühlen
und tragen ihre Embleme in der Hand. Gleich hinter der
Madonna sieht man Paulus; ihm gegenüber hinter dem
Täufer Petrus, welcher auffallenderweise keine Schlüssel
trägt, sondern ein Schwert wie in Raffaels Vertreibung des

Attila. Die Madonna blieb allein erhalten als man das
Fresko übertünchte. Sie ist infolge dessen vollständig
übermalt, aber sie hat auf die Spur zur Entdeckung der
Fresken geführt. Um den künstlerischen Wert der Wand-
bilder bestimmen zu können, müsste man länger vor ihnen
verweilen dürfen. Die Typen der älteren Männer erscheinen
etwas finster, aber die Engel entzücken durch grosse An-
mut und durch die Sicherheit und Reinheit der wohl-
erhaltenen Zeichnung. Zahlreiche Sgraffiti entdeckt man
über den Apostelköpfen, zum Teil noch aus dem Quattro-
cento, und der untere Teil der Figuren ist häufig zerstört.
Wer ist der Schöpfer dieser Glorie? Lorenzo Ghiberti
und Vasari berichten übereinstimmend, dass derselbe
Pieiro Cavallini, welcher in S. Maria in Trastevere die
Mosaiken ausgeführt hat, die ganze Kirche der h. Cecilia
auch mit eigner Hand ausgemalt habe. Bekanntlich war
Pietro Cavallini ein Zeitgenosse Giotto's und von Geburt ein
Römer. In seinen Fresken in S. Cecilia besässen wir also
die einzigen Malereien in Rom des unendlich fruchtbaren
Meisters, der auch in St. Peter und St. Paul und in zahl-
losen anderen Kirchen Roms im Anfang des Trecento
gemalt hat. — Auf dem Rückweg durch das Kloster fiel
mein Auge noch auf eine Madonna mit zwei leuchter-
tragenden Engeln aus der Schule der Pisani; und ganz
ähnliche Engel, welche den Eingang zu einer Zelle
schmückten, wurden mir aus der Ferne gezeigt. Solche
ungehobene Schätze mag man noch viele finden in den
Klöstern Roms! Das Ministerium des öffentlichen Unter-
richts wird die Fresken restaurieren lassen und hat auch
schon Anstalten für photographische Aufnahmen getroffen.

E. St.

DENKMALPFLEGE

Berlin. Dem Gensdarmenmarkt steht nicht nur der
Verlust des alten Seehandlungsgebäudes bevor, sondern
auch der Abbruch des dem Oberverwaltungsgericht dienenden
Baues wird geplant. Dieser zweite Verlust würde ungleich
schwerer zu verschmerzen sein als der erste, da es sich
um ein künstlerisch sehr bedeutendes Werk handelt.
Friedrich der Grosse wendete bekanntlich während der
letzten zwei Jahrzehnte seiner Regierung seine Aufmerk-
samkeit der baulichen Neugestaltung Berlins in hohem
Masse zu, damit die Hauptstadt in ihrer äusseren Er-
scheinung der neuen Machtstellung Preussens würdig
werden sollte. Ganz oder grösstenteils auf seine Kosten
Hess der König in den Hauptstrassen und an den Haupt-
plätzen eine grosse Anzahl sogenannter Immediatbauten
errichten, welche an Privatleute vergeben wurden und deren
einziger Zweck die Verschönerung der Stadt war. Zu
einem Prachtforum sollte der, später Gensdarmenmarkt ge-
nannte, Friedrichstädtische Markt werden. Ein Entwurf
des Architekten Bourdet vom Jahre 1774, der noch im ge-
heimen Staatsarchiv aufbewahrt wird, kam nicht zur Aus-
führung, dagegen wurde durch Unger in demselben Jahre
in der Mitte des Platzes das französische Komödienhaus
errichtet, der Vorläufer des jetzigen Schinkel'schen Schau-
spielhanses, und drei Jahre später umzog derselbe Bau-
meister auf königliche Kosten den grossen Platz mit drei-
stöckigen Häusern, welche ihm mit ihren palastartigen
Fassaden bis in die neueste Zeit, ehe sie den modernen
Geschäftshäusern weichen mussten, ein vornehmes Aus-
sehen verliehen. Die Pferdeställe, welche Friedrich Wil-
helm I. rings um die beiden auf dem Platz befindlichen
Kirchen hatte anlegen lassen, wurden auf Geheiss des
Königs entfernt und der Architekt von Oontard schuf in
seinem Auftrag vor den beiden Kirchen die hohen Kuppel-
türme, in welchen die monumental-dekorative Ausgestaltung
 
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