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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0162

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3«7

Pariser

Brief.

308

für unangebracht. Bei einer grossen dekorativen
Arbeit, wie es die Henri Martins zu sein pflegen,
kann man wohl kaum etwas gegen den Pointiiiismus
einwenden, aber bei Bildern massigen Umfanges
dürfte er sich nicht so leicht verteidigen lassen. Wäh-
rend der Spanier in dem grellen Sonnenlichte seines
Vaterlandes schwelgt, sucht sich Frechon mit Vor-
liebe durch zarte Nebelschleier gedämpfte bunte
Lichttöne, die er nicht ohne Poesie wiederzugeben
versteht. Ausser diesen beiden Künstlern stellt zur
Zeit noch ein dritter, der Pastellist Charles Ouilloux,
bei Duran-Ruel aus. Es sind das hübsche kleine
Landschaften, die gute Beobachtung der Natur und
poetisches Empfinden bekunden.

Eine neue Gesellschaft, Les arts reunis, stellt bei
Georges Petit zum erstenmale aus. Um die An-
ziehungskraft zu erhöhen, hat man eine Anzahl
Skizzen des verstorbenen Bildhauers H. Chapu zu-
sammengebracht. Chapu gehörte zu jener tüchtigen
französischen Bildhauerschule, die sich mehr durch
Fleiss und technisches Können, als durch tiefe Auf-
fassung und reiche Ideen auszeichnet. Seine Grab-
mäler, Monumente und Porträts sind alle gleich gut,
ohne jemals aufregend zu wirken, und so hohes Lob
die äussere Kunstfertigkeit dieser Arbeiten verdient,
so wenig kann man sich für den innern Gehalt be-
geistern, — weil er nicht da ist. Nächst Chapu ist
der Bildhauer und Kunsthandwerker Froment-Meurice
am besten vertreten, zumeist mit kleinen Bronzen,
denen sich einige grössere Arbeiten anschliessen.
Nichts davon verdient eingehende Erwähnung: eine
oberflächliche Geschicklichkeit muss anerkannt werden,
aber keine dieser Arbeiten steht höher als die in allen
Kunsthandlungen, wo man Hochzeitsgeschenke kauft,
aufgespeicherte Dutzendware. Die Skulpturen von
Eugen Boverie erheben sich ebenfalls nicht über die
Alltäglichkeit, und die Möbel von demselben sind
hübsch und langweilig. Interessant sind die Holz-
schnitte und Zeichnungen in alter Holzschnittmanier
von Vibert, der auch in seinen Themen bei den alten
Meistern des Holzschnitts Anregung sucht; die bre-
tonischen Landschaften von Truchet, die Ansichten
von Versailles von Jourdain und die zum Teil vor-
züglichen Marinen von Blair-Bruce. Besondere Er-
wähnung verdienen J. Remond, der in der Wieder-
gabe der Luft ausserordentliche Meisterschaft zeigt,
und Laurent-Desrousseaux, dessen bunte Gläser an
die Arbeiten Galle's erinnern. In der benachbarten
rue Caumartin haben zehn oder zwölf Kunsthand-
werker ausgestellt, die sämtlich von früheren Aus-
stellungen wohlbekannt sind. Dampt, Seimersheim
und Plumet und Sorel arbeiten ungefähr in derselben
einfachen, geschmackvollen und praktischen Art, wobei
mehr auf die Schönheit der allgemeinen grossen Linien,
als auf skulpturellen oder farbigen Dekor gesehen
wird. Den Versuch, den Seimersheim und Plumet
machen, durch eingelegte rote Hölzer ihr Nacht-
tischchen farbig zu beleben, kann man als misslungen
bezeichnen. Das schreiende Rot ist gerade im Schlaf-
zimmer schlecht angebracht, wirkt aber auch, davon
abgesehen, durchaus nicht angenehm. Die Möbel

von Alexander Charpentier sind ausserordentlich zier-
lich und anmutig, aber viel zu zart und fein, um
wirklich benutzt zu werden. Man könnte sich auf
diese Stühle ebensowenig setzen, wie man aus den
Gläsern Köpping's trinken könnte. Die Möbel von
Sauvage schreien in buntesten Tönen und dürften
sich schwerlich einer gewöhnlichen Wohnstube an-
passen. Die Schmucksachen von Nau sind ganz
hübsch, aber der Künstler beachtet die praktische
Brauchbarkeit seiner Arbeiten zu wenig. Die meisten
dieser Ringe, Armbänder u. s. w. würden die Haut
des Unglücklichen, der sie tragen wollte, aufscheuern
oder blaue Flecken verursachen, und dazu schafft man
sich doch keine Bijouterie an. Hessele in der rue
Lafitte, der rührige Verleger der französischen Radierer,
hat eine kleine Ausstellung veranstaltet, die uns mit
fünf interessanten jungen Malern bekannt macht. Alle
fünf gehören, wenn man sie einmal einschachteln will,
zu den Impressionisten, und wenigstens einer von
ihnen, Braquaval, kann sich mit seinen vortrefflichen
Farbenkompositionen mit den Meistern dieser Schule
vergleichen. Auch die Arbeiten von Besson, Roux
Champion, Marquet und Wilder bekunden individuelle
Auffassung und technisches Können.

Eine ausgezeichnete kleine Ausstellung ist der
Salon der Societe nouvelle de peintres et sculpteurs
bei Georges Petit. Warum dem Titel der Gesell-
schaft die Sculpteurs beigefügt sind, weiss ich aller-
dings nicht, denn es ist kein einziger Bildhauer auf
der Ausstellung erschienen. Sowohl Constantin
Meunier, als auch Alexandre Charpentier und Camille
Lefevre sind ausgeblieben und haben den ganzen
Raum den Malern überlassen. Die Gesellschaft zählt
überhaupt nur 21 Mitglieder, und ihre Ausstellung
vereinigt gerade 107 Arbeiten. Wer viele Kunstaus-
stellungen besucht, wird mir beipflichten, wenn ich
sage, dass das die richtige Zahl Künstler und Kunst-
werke ist, die Zahl, die man mit Aufmerksamkeit und
Genuss beschauen und verdauen kann. Wenn man
ein Mittel finden könnte, die alljährlichen Riesenkunst-
märkte der grossen »Salons« abzuschaffen und an
ihre Stelle eine Reihe von einigen fünfzig kleinen
Ausstellungen mit höchstens zwei- oder dreihundert
Werken zu setzen, so wäre sicherlich nicht nur den
seufzenden Berichterstattern, sondern auch dem Publi-
kum und vor allen Dingen den Künstlern und der
Kunst ein grosser Dienst erwiesen. Die ungeheuren
Ausstellungen, deren Katalog 2-, 3-, 4- und bis
10000 Nummern anführen, sind einfach Torturen
für den Besucher, und der unglückliche Bericht-
erstatter, der sich in einem solchen Ozean zurecht-
finden muss, verdient das Bedauern aller fühlenden
Menschenseelen. Und dass die Kunst durch diese
Riesenmärkte gefördert wird, das behauptet doch
heutzutage kein Mensch mehr, sei er Künstler oder
Laie. In der Ausstellung bei Georges Petit treffen
wir lauter bekannte Namen, zu deren Lobe nichts
Neues gesagt werden kann. Schlechte oder lang-
weilige Nummern sind überhaupt nicht da, sondern
jedes Bild verdient aufmerksame Prüfung. Henri
Martin hat ein grösseres Bild, worin er sein nun
 
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