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Vereine und Gesellschaften.
312
bis zu seinem Tode. Es ist ein hocherfreuliches Zeichen, dass
nunmehr Männer wie Dettmann und Jernberg ausersehen
wurden, ihre jugendlich frische Kraft der Heranbildung
junger Künstler zu weihen, und es ist anzunehmen und
zu hoffen, dass mit ihrem Amtsantritt in Königsberg ein
ganz neues, kräftiges Kunstleben erwachen wird. Die
beiden Künstler werden vorläufig gewiss manches Vor-
urteil brechen, und auch ausserhalb der Kunstakademie
erzieherisch wirken müssen, aber man darf die Erwartung
hegen, dass ihre Persönlichkeit dazu stark genug ist, und
man braucht wohl nicht zu fürchten, dass ihre eigene
künstlerische Kraft durch die neue Thätigkeit und die Be-
rührung mit so fremden Elementen allmählich irgend-
welche Einbusse erleiden werde. -r-
Frankfurt a. M. Der älteste unserer Künstler, Prof.
Leopold Bode, dessen Ölgemälde zum Teil in der Schack-
galerie bewahrt werden, feierte am 12. März seinen
70. Geburtstag. §
Basel. Auf den durch den Weggang Heinrich Wölfflin's
nach Berlin erledigten Lehrstuhl für Kunstgeschichte von
der hiesigen Universität ist Dr. H. A. Schmid, bisher Privat-
dozent an der Universität Berlin und Assistent an der
Berliner Nationalgalerie, berufen worden.
VEREINE UND GESELLSCHAFTEN
Berlin. In der Sitzung der Kunstgeschichtlichen Gesell-
schaft am 22. Februar trug Herr Kristeller die Ergebnisse
seiner Forschungen über »Andrea Mantegna's Kupferstiche«
vor. In Italien steht neben dem älteren, aus der Gold-
schmiedetechnik hervorgehenden gewerblichen Kupferstich
der jüngere Peintre-Graveurstich. Mantegna und Pollaiuolo,
seine beiden hervorragendsten Vertreter, haben unabhängig
von einander von der Kupferstecherkunst zur Reproduktion
ihrer Zeichnungen Gebrauch gemacht, einesteils aus ge-
schäftlicher Berechnung, hauptsächlich aber um deren Ver-
breitung in authentischer Form in Schüler- und Künstler-
kreisen zu fördern. Mantegna ist auch nicht, wie Vasari
berichtet, von den Florentiner Stechern Finiguerra und
Baldini angeregt worden, da seine Technik einen völlig
verschiedenen Charakter von den auf Reproduktion der
Tuschzeichnung(Botticelli's) ausgehenden Baldinistichen hat.
Über seine frühesten Beziehungen zum Kupferstich
giebt die am i5.Septemberi475 von einem gewissen Ardizoni
aus Reggio bei Lodovico Gonzaga über Mantegna geführte
Beschwerde Aufschluss, Mantegna habe ihn misshandelt
und mit falscher Anklage verfolgt, weil er aus Mitleid
einem Kupferstecher Zoan Andrea, dem Zeichnungen,
Stiche und Medaillen gestohlen worden seien, das Ver-
lorene wiederherzustellen geholfen habe und auf Mantegna's
Anerbietungen nicht eingegangen sei. Da M. jedoch
straflos ausging, obwohl dem Ardizoni vom Marchese
Lodovico Gerechtigkeit zugesichert wurde, darf man ver-
muten, dass jene Klagen über M. auf starker Übertreibung
beruhten, und dass es Mantegna's eigene Zeichnungen
waren, gegen deren Missbrauch sich der Künstler auf
eine allerdings etwas gewaltsame Weise gewehrt hatte.
Von da an beginnt wohl erst seine eigene Thätigkeit als
Kupferstecher. Von den erhaltenen Blättern macht die
Mehrzahl einen von dem beabsichtigten abweichenden,
harten Eindruck, während die wenigen guten Abdrücke
eine weiche und farbige Tonigkeit zeigen. Darnach lässt
sich aus der Gesamtheit der ihm zugeschriebenen Stiche
eine grössere Anzahl von Schüler- und Nachahmerarbeiten
ausscheiden. Wenn man einige von ihnen wie die
Geisselung (B. 1), die Grablegung, Christus in der Vor-
hölle, für eigene Anfängerarbeiten Mantegna's erklärt hat,
| so widerspricht dem der Umstand, dass die Schwächen
, gerade bei ihnen nicht in der Technik, sondern in der
I weniger lebendigen Naturempfindung liegen, und dass es
grosse Blätter sind, an die ein Anfänger sich kaum heran-
gewagt hätte. Da sie aber auf frühe Zeichnungen des
Künstlers zurückgehen, ist eben hier an Stecher wie
Ardizoni und Zoan Andrea zu denken.
Die älteste eigenhändige Arbeit erkennt der Vortragende
wegen einer gewissen Unsicherheit und Rauheit in den
Schatten in der sitzenden Madonna. Dann folgen die vier
mythologischen Stiche, von denen je zwei eine zusammen-
hängende Darstellung bilden. Sie schildern in dem un-
gebundenen Leben der niederen Götter die ursprüngliche
physische Naturkraft in einem den Triumphbildern, welche
die Macht des Geistes und der gesetzmässigen Ordnung
darstellen, parallelen Gedankengange und sind vielleicht
nach unausgeführten Entwürfen für Wandmalereien in
einem Jagdschloss entstanden. Technisch zeigt schon das
am wenigsten vollendete Bachanal mit dem Silen das
Wesentliche von Montegna's zeichnerischer Behandlung
in dem mit Hilfe der schematischen einfachen Schraffierung
bewirkten impressionistischen Übergehen der Umrisslinie
in die Schattierung des Grundes. Die Zeichnung und
Weichheit der Modellierung erreicht ihre Vollendung im
Tritonenkampf. Die vorzüglichste aber von den vier
mythologischen Darstellungen ist in technischer Hinsicht
das Bachanal mit der Kufe. Alle diese Blätter stehen
durch die in ihnen herrschende starke Bewegung den fort-
geschrittenen Werken Mantegna's wie dem Triumph
Cäsar's ausserordentlich nahe. Später ist ihrer ganzen
Komposition und Behandlung nach die Grablegung an-
I" zusetzen. Den gleichfalls späten Stich mit Christus
j zwischen Andreas und Longinus, den Schutzheiligen von
Mantua, möchte der Vortragende für die Konzeption einer
vor dem Allerheiligsten von S. Andrea aufzustellenden
Statuengruppe halten, wie der auffällige Zug, dass der
vorstehende Fuss des Andreas einen Schatten auf den
Sockel wirft, und das Fehlen eines Hintergrundes zu be-
stätigen scheinen. Dass Mantegna auch mit plastischen
Aufgaben betraut wurde, ist durch ein Dokument be-
glaubigt. Eine dritte letzte Gruppe der Stiche ist auf
Schüler Mantegna's zurückzuführen, darunter auch die auf
die Triumphbilder bezüglichen Blätter. Die meisten von
diesen unterscheiden sich ganz augenfällig durch die sich
scharf abhebenden und nicht in den Grund übergehenden
i Umrisse von den eigenen Stichen des Meisters und ver-
[ mischen sich schon mit bezeichneten oder anderen un-
zweifelhaften Schülerarbeiten.
Der darauffolgende Vortrag des Herrn Goldschmidt
hatte die Zeichnungen und Radierungen des wenig be-
kannten -Willem Buytewech« zum Gegenstande. B. ge-
hört zur jüngeren Künstlergeneration, die sich in Haarlem
im Beginn des XVII. Jahrhunderts von der akademischen
Kunstrichtung zur ungekünstelten Wiedergabe der Natur
; hinwendete. Das biographische Material über ihn ist ein
ziemlich spärliches. Er wird um 1590 geboren sein,
heiratet 1613, 1615 und 1623 war er in Haarlem, 1625
(Testament) in Rotterdam ansässig und dürfte schon um
1626 gestorben sein. Nach Houbraken soll er Gesell-
schaftsstücke gemalt haben, es sind jedoch nur drei Bilder
i von ihm in der Litteratur bekannt. Dagegen sind zahl-
reiche verstreute Zeichnungen (dieselben datieren von
1617—1619) sowie 37 radierte Blätter (dieselben datieren
! von 1606—1628) nachweisbar. Nach den ersteren haben
Esaias und Jan van der Velde, Kittensteyn u. a. gestochen,
während B. selbst wohl aus Scheu vor technischen
Schwierigkeiten den Kupferstich vermieden zu haben
scheint. Die in seinem Beinamen »der gheestige (geist-
Vereine und Gesellschaften.
312
bis zu seinem Tode. Es ist ein hocherfreuliches Zeichen, dass
nunmehr Männer wie Dettmann und Jernberg ausersehen
wurden, ihre jugendlich frische Kraft der Heranbildung
junger Künstler zu weihen, und es ist anzunehmen und
zu hoffen, dass mit ihrem Amtsantritt in Königsberg ein
ganz neues, kräftiges Kunstleben erwachen wird. Die
beiden Künstler werden vorläufig gewiss manches Vor-
urteil brechen, und auch ausserhalb der Kunstakademie
erzieherisch wirken müssen, aber man darf die Erwartung
hegen, dass ihre Persönlichkeit dazu stark genug ist, und
man braucht wohl nicht zu fürchten, dass ihre eigene
künstlerische Kraft durch die neue Thätigkeit und die Be-
rührung mit so fremden Elementen allmählich irgend-
welche Einbusse erleiden werde. -r-
Frankfurt a. M. Der älteste unserer Künstler, Prof.
Leopold Bode, dessen Ölgemälde zum Teil in der Schack-
galerie bewahrt werden, feierte am 12. März seinen
70. Geburtstag. §
Basel. Auf den durch den Weggang Heinrich Wölfflin's
nach Berlin erledigten Lehrstuhl für Kunstgeschichte von
der hiesigen Universität ist Dr. H. A. Schmid, bisher Privat-
dozent an der Universität Berlin und Assistent an der
Berliner Nationalgalerie, berufen worden.
VEREINE UND GESELLSCHAFTEN
Berlin. In der Sitzung der Kunstgeschichtlichen Gesell-
schaft am 22. Februar trug Herr Kristeller die Ergebnisse
seiner Forschungen über »Andrea Mantegna's Kupferstiche«
vor. In Italien steht neben dem älteren, aus der Gold-
schmiedetechnik hervorgehenden gewerblichen Kupferstich
der jüngere Peintre-Graveurstich. Mantegna und Pollaiuolo,
seine beiden hervorragendsten Vertreter, haben unabhängig
von einander von der Kupferstecherkunst zur Reproduktion
ihrer Zeichnungen Gebrauch gemacht, einesteils aus ge-
schäftlicher Berechnung, hauptsächlich aber um deren Ver-
breitung in authentischer Form in Schüler- und Künstler-
kreisen zu fördern. Mantegna ist auch nicht, wie Vasari
berichtet, von den Florentiner Stechern Finiguerra und
Baldini angeregt worden, da seine Technik einen völlig
verschiedenen Charakter von den auf Reproduktion der
Tuschzeichnung(Botticelli's) ausgehenden Baldinistichen hat.
Über seine frühesten Beziehungen zum Kupferstich
giebt die am i5.Septemberi475 von einem gewissen Ardizoni
aus Reggio bei Lodovico Gonzaga über Mantegna geführte
Beschwerde Aufschluss, Mantegna habe ihn misshandelt
und mit falscher Anklage verfolgt, weil er aus Mitleid
einem Kupferstecher Zoan Andrea, dem Zeichnungen,
Stiche und Medaillen gestohlen worden seien, das Ver-
lorene wiederherzustellen geholfen habe und auf Mantegna's
Anerbietungen nicht eingegangen sei. Da M. jedoch
straflos ausging, obwohl dem Ardizoni vom Marchese
Lodovico Gerechtigkeit zugesichert wurde, darf man ver-
muten, dass jene Klagen über M. auf starker Übertreibung
beruhten, und dass es Mantegna's eigene Zeichnungen
waren, gegen deren Missbrauch sich der Künstler auf
eine allerdings etwas gewaltsame Weise gewehrt hatte.
Von da an beginnt wohl erst seine eigene Thätigkeit als
Kupferstecher. Von den erhaltenen Blättern macht die
Mehrzahl einen von dem beabsichtigten abweichenden,
harten Eindruck, während die wenigen guten Abdrücke
eine weiche und farbige Tonigkeit zeigen. Darnach lässt
sich aus der Gesamtheit der ihm zugeschriebenen Stiche
eine grössere Anzahl von Schüler- und Nachahmerarbeiten
ausscheiden. Wenn man einige von ihnen wie die
Geisselung (B. 1), die Grablegung, Christus in der Vor-
hölle, für eigene Anfängerarbeiten Mantegna's erklärt hat,
| so widerspricht dem der Umstand, dass die Schwächen
, gerade bei ihnen nicht in der Technik, sondern in der
I weniger lebendigen Naturempfindung liegen, und dass es
grosse Blätter sind, an die ein Anfänger sich kaum heran-
gewagt hätte. Da sie aber auf frühe Zeichnungen des
Künstlers zurückgehen, ist eben hier an Stecher wie
Ardizoni und Zoan Andrea zu denken.
Die älteste eigenhändige Arbeit erkennt der Vortragende
wegen einer gewissen Unsicherheit und Rauheit in den
Schatten in der sitzenden Madonna. Dann folgen die vier
mythologischen Stiche, von denen je zwei eine zusammen-
hängende Darstellung bilden. Sie schildern in dem un-
gebundenen Leben der niederen Götter die ursprüngliche
physische Naturkraft in einem den Triumphbildern, welche
die Macht des Geistes und der gesetzmässigen Ordnung
darstellen, parallelen Gedankengange und sind vielleicht
nach unausgeführten Entwürfen für Wandmalereien in
einem Jagdschloss entstanden. Technisch zeigt schon das
am wenigsten vollendete Bachanal mit dem Silen das
Wesentliche von Montegna's zeichnerischer Behandlung
in dem mit Hilfe der schematischen einfachen Schraffierung
bewirkten impressionistischen Übergehen der Umrisslinie
in die Schattierung des Grundes. Die Zeichnung und
Weichheit der Modellierung erreicht ihre Vollendung im
Tritonenkampf. Die vorzüglichste aber von den vier
mythologischen Darstellungen ist in technischer Hinsicht
das Bachanal mit der Kufe. Alle diese Blätter stehen
durch die in ihnen herrschende starke Bewegung den fort-
geschrittenen Werken Mantegna's wie dem Triumph
Cäsar's ausserordentlich nahe. Später ist ihrer ganzen
Komposition und Behandlung nach die Grablegung an-
I" zusetzen. Den gleichfalls späten Stich mit Christus
j zwischen Andreas und Longinus, den Schutzheiligen von
Mantua, möchte der Vortragende für die Konzeption einer
vor dem Allerheiligsten von S. Andrea aufzustellenden
Statuengruppe halten, wie der auffällige Zug, dass der
vorstehende Fuss des Andreas einen Schatten auf den
Sockel wirft, und das Fehlen eines Hintergrundes zu be-
stätigen scheinen. Dass Mantegna auch mit plastischen
Aufgaben betraut wurde, ist durch ein Dokument be-
glaubigt. Eine dritte letzte Gruppe der Stiche ist auf
Schüler Mantegna's zurückzuführen, darunter auch die auf
die Triumphbilder bezüglichen Blätter. Die meisten von
diesen unterscheiden sich ganz augenfällig durch die sich
scharf abhebenden und nicht in den Grund übergehenden
i Umrisse von den eigenen Stichen des Meisters und ver-
[ mischen sich schon mit bezeichneten oder anderen un-
zweifelhaften Schülerarbeiten.
Der darauffolgende Vortrag des Herrn Goldschmidt
hatte die Zeichnungen und Radierungen des wenig be-
kannten -Willem Buytewech« zum Gegenstande. B. ge-
hört zur jüngeren Künstlergeneration, die sich in Haarlem
im Beginn des XVII. Jahrhunderts von der akademischen
Kunstrichtung zur ungekünstelten Wiedergabe der Natur
; hinwendete. Das biographische Material über ihn ist ein
ziemlich spärliches. Er wird um 1590 geboren sein,
heiratet 1613, 1615 und 1623 war er in Haarlem, 1625
(Testament) in Rotterdam ansässig und dürfte schon um
1626 gestorben sein. Nach Houbraken soll er Gesell-
schaftsstücke gemalt haben, es sind jedoch nur drei Bilder
i von ihm in der Litteratur bekannt. Dagegen sind zahl-
reiche verstreute Zeichnungen (dieselben datieren von
1617—1619) sowie 37 radierte Blätter (dieselben datieren
! von 1606—1628) nachweisbar. Nach den ersteren haben
Esaias und Jan van der Velde, Kittensteyn u. a. gestochen,
während B. selbst wohl aus Scheu vor technischen
Schwierigkeiten den Kupferstich vermieden zu haben
scheint. Die in seinem Beinamen »der gheestige (geist-