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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0173

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329

Nekrologe. — Personalien. — Wettbewerbe.

330

Bei dem gänzlichen Fehlen von Physiologusbildern
aus der vorikonoklastischen Zeit steht, scheint es, nur eine
Möglichkeit zur Erforschung ihrer Ursprungsgeschichte
noch offen, nämlich ein Vergleich der Smyrna-Hand-
schrift mit den ältesten abendländischen Physiologus-
Illustrationen. Leider hat der Verfasser diesen Ausweg
»mit Absicht beiseite gelassen, schon aus dem Grunde, um
den griechischen Physiologus möglichst rein für sich
sprechen zu lassen.« Jedoch hätte ein solcher Vergleich,
auch wenn er, wie fast vorauszusehen ist, nicht zu dem
erwünschten Ziele führen sollte, jedenfalls dazu gedient,
die Eigenart der byzantinischen und der abendländischen
Physiologus-lllustration gegenseitig aufzuklären.

Der illustrierte Kosmas bietet manche Abweichungen
von den drei früher bekannten, illustrierten Abschriften der
»christlichen Ortskunde«. Die » mönchisch - theologische«
Richtung des Illustrators bezeugt sich auch hier, in der
Weise nämlich, wie er die Vorstellungen des alten Indien-
fahrers, ohne Veranlassung im Texte, mit der allerheiligsten
Jungfrau in Verbindung setzt. Strzygowski erklärt diese
ganz eigentümliche Tendenz, ohne Zweifel richtig, mit
»der seit dem Bildersturm immer mehr überwuchernden
Marienverehrung, wie wir sie auf dem Gebiete der Kunst
auch in den Psaltern und insbesondere in den Homilien
des Mönches Jakob vorfinden.«

In künstlerischer Hinsicht ist die Handschrift keine
über das Mittelmass der byzantinischen Miniaturen des
11. Jahrhunderts hinaufragende Leistung und im Stile sind
die Bilder so echt byzantinisch, dass es auffallend ist, dass
der Verf., zwar nur vermutungsweise, das weit im mo-
hammedanischen Gebiet liegende Sinai-Kloster als den
Entstehungsort bezeichnet. Hat nicht die byzantinische
Kunstforschung bis jetzt allzu einseitig nur die ikonogra-
phischen Fragen ins Auge gefasst?

Interessant ist auch der Oktateuch, den der Verfasser
verhältnismässig kurz in einem Anhange behandelt. Früher
waren drei unter sich und mit dem Smyrna-Kodex inhalt-
lich nahe verwandte illustrierte Oktateuchc bekannt. Sie
bieten uns einen überaus langen und vollständigen Cyklus
von alttestamentlichen Bildern, wie kaum ein zweiter in
der gesamten Kunst des früheren Mittelalters. Ein eigen-
tümliches Interesse bekommt der Cyklus dadurch, dass
hier vereinzelt Bilder aus dem Kosmas auftreten, vor allem
aber dadurch, dass die Bilderreihe der berühmten vatika-
nischen »Josuarolle« aus dem 6. Jahrhundert Aufnahme
gefunden hat. Wir können sogar aus diesen späten Wieder-
holungen den Anfang und das Ende der Bilderfolge, welche
in der Rolle fehlen, wieder herstellen.

In der Zeitschrift »L'Arte« hatte Graeven 1898 die
zwei in der vatikanischen Bibliothek aufbewahrten Okta-
teuche mit der Rolle verglichen und dabei festgestellt,
dass die spätere derselben treuer als die ältere sich dem
ursprünglichen Originale anschliesst, welches wieder nicht
mit der vatikanischen Rolle identisch sein kann.

Durch Heranziehung eines Fragmentes im Kloster
Vatopedi auf dem Athos und der von ihm selbst gefun-
denen Handschrift ist Strzygowski im stände, die Ergebnisse
Graevens zu bestätigen und das Verhältnis aller vier spä-
teren Josuacyklen unter einander, zu der vatikanischen
Rolle und zu dem geforderten Urbilde festzustellen. Das
letztere muss der Antike sehr nahe gestanden haben.
Graeven verlegt es nach Ägypten, Strzygowski in den
»syro - ägyptischen« Kunstkreis.

Eine Frage, die weder Graeven noch Strzygowski be-
rührt, ist die, wann die vollständige Bilderredaktion zum
Oktateuch entstanden ist, und ob, ausser den Kosmas-
bildern und dem Josuacyklus, noch weiteres Lehngut aus

der frühbyzantinischen Kunst sich dort nachweisen lässt.
Zwar zeigt sie wenig oder gar keine Ähnlichkeit mit der
Cotton-Bibel und der Wiener Genesis. Tikkanen.

NEKROLOGE
Paris. Hier starb Ende März der berühmte Maler
Jean Charles Cazin im Alter von 60 Jahren. Seine be-
kanntesten Bilder sind »Die Flucht nach Ägypten« und
»Hagar und Ismael« (letzteres im Luxemburg-Museum).
_J__□

PERSONALIEN

Berlin. Der Bildhauer Heinrich Pohlmann hierselbst,
Schöpfer des Windthorst-Denkmals in Meppen, der Geibel-
büste in der Nationalgalerie und der Kalkreuthbüste im
Zeughaus, ist zum Professor ernannt worden. -r-

WETTBEWERBE

Bremen. Der vom Verein Lüder von Bentheim aus-
geschriebene Wettbewerb zur Erlangung mustergültiger
Fassaden für die Bremische Altstadt hat einen über Er-
warten guten Erfolg gehabt. Etwa achtzig Entwürfe, zum
Teil von den namhaftesten deutschen Architekten stammend,
sind eingegangen und haben in der oberen Rathaushalle
eine würdige Aufstellung gefunden. Für den Wettbewerb
waren drei Gruppen von je vier Fassaden vorgeschrieben,
indem für jede Gruppe vier Preise ausgesetzt waren. Das
Preisgericht, bestehend aus den Herren Baurat Hehl-Char-
lottenburg, Professor Dr. Haupt-Hannover, Senator Dr. Pauli-
Bremen, Dr. Wiegandt-Bremen, Architekt Poppe-Bremen,
hat seines Amtes gewaltet. In der Gruppe A erhielten
Preise: Diedr. Luley-Charlottenburg (I), Erdmann und
Spindler-BerUn (II), Wesnigk-\erden (III), Fastje und Schau-
OTflßre-Hannover (IV). In der Gruppe B: Ostendorf-Düsse\-
dorf (I), Erdmann und Spindler-Berlin (II), Brantski-
Köln (III), Schädtler und Müller-Hannover (IV). In der
Gruppe C: Reimer und Körte-BerYm (l), Wiggert-Brtü&u(\\),
Erdmann und Spindler-Beüin (III), Schädtler und Müller-
Hannover (IV). Ausserdem wurden zwanzig Entwürfe
vom Verein angekauft. Die ungewöhnlich lebhafte Teil-
nahme der ganzen Bevölkerung lässt einen guten Erfolg
des Unternehmens erwarten. Ein Sammelwerk, das auf
200 Tafeln eine Auswahl der besten Entwürfe umfassen
wird, erscheint im Laufe des Sommers in Leipzig unter
dem Titel: Bremens Altstadt. Neue Fassaden.

Dresden. In dem am 15. Februar abgelaufenem Wett-
bewerbe um das neue Rathaus ist die Entscheidung wie
folgt getroffen: Ausgeschrieben waren ein erster Preis
von 10000 M., zwei zweite von je 6000 M. und zwei dritte
Preise von je 3000 M. Dem Preisgericht war das Recht
vorbehalten, den Gesamtbetrag von 28000 M. anders zu
verteilen. Von diesem Rechte haben die Preisrichter Ge-
brauch gemacht, da keine so hervorragende Arbeit vor-
liegt, dass sie den ersten Preis verdient hätte. Es wurden
vielmehr drei gleichwertige erste Preise von je 7000 M.
zuerkannt Friedrich Ostendorf in Düsseldorf, Regierungs-
bauführer Franz Wendt, Berlin und Lossow und Viehweger
in Dresden; ein zweiter Preis von 4000 M. dem Architekten
Alfred Hauschild in Dresden, ein dritter von 3000 M. Jo-
hannes Reichel und Heinrich Kühn in Leipzig. Zum Än-
kauf empfohlen wurden die Entwürfe vom Ärchitekten Karl
Grosser in Breslau und vom Architekten Karl Roth in Mann-
heim. Der gotische Stil war ausgeschlossen. Sechs von
den genannten Entwürfen sind in deutscher Renaissance
gehalten, der von Alfred Hauschild im Dresdener Barock-
stil. Unter den Preisrichtern waren: Ludwig Hofmann in
Berlin, Gabriel Seidl in München, Wallot und Weissbach
in Dresden. -r-
 
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