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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0178

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sind. Aus dem 14. Jahrhundert stammte auch die
1853 abgetragene Synagoge in Metz. Auch die längst
zerstörte Synagoge in Regensburg, deren Vorhalle
und Inneres in zwei Stichen von Altdorfer er-
halten ist, war gotischen Ursprungs. Aus der Zeit
der Kreuzzüge stammen die beiden noch als katho-
lische Kirchen erhaltenen Synagogen in Trani, ferner
die Synagogen in Alt-Kairo, Damaskus und Jeru-
salem und die beiden in katholische Kirchen umge-
wandelten Synagogen in Toledo. Über die Synagogen
des Chazarenreiches, über Synagogen in Arabien ist
nichts sicheres festzustellen. Ebenso gelang es bis
jetzt nicht, über mittelalterliche Synagogen auf
Sicilien etwas zu erfahren. Im Mittelalter waren
in Vorderasien, in der europäischen Türkei, in
Griechenland, Nordafrika, in Italien, Spanien, Frank-
reich, in England und Deutschland, namentlich auch
in Österreich, Polen und Russland eine Menge Syna-
gogen in ursprünglichem oder verändertem Zustande,
von denen zweifellos noch manche erhalten, obwohl
die Feststellung ausserordentlich erschwert ist, denn
viele jüdische Gemeinden wurden, nachdem sie einige
Jahrhunderte geblüht hatten, zerstört, viele Synagogen
waren in Städten, in denen heute nahezu keine ist
(Barcelona), und sehr oft wird das Alter der jüdischen
Gemeinde mit dem Alter des Synagogenbaues ver-
wechselt. Aus dem 16. Jahrhundert stammen u. a.
die prächtige Synagoge von Venedig, mehrere kleine
Synagogen in Padua, Venedig, Rom und Prag. Dem
17. Jahrhundert gehören die merkwürdigen Holz-
synagogen in Polen an, wofür diejenigen von Nasielsk
und Zaptudov, ferner von Pogrebyszcze Beispiele
bieten. Auch eine Reihe schöner Steinsynagogen
aus Polen gehören dieser Zeit an. Die kostbar aus-
gestattete Synagoge von Livorno wurde 1603 voll-
endet; ein gewaltiger Bau ist die 1672 eingeweihte
grosse Synagoge der portugiesischen Gemeinde in
Amsterdam. Im 18. Jahrhundert wurde eine schöne
Synagoge in Modena erbaut. In der neuesten Zeit
sind sehr viele, aussen und innen prächtig ausgestattete
Synagogen erbaut worden, die ebenfalls im Bilde
festgehalten werden sollen.

Bäder sind aus dem Mittelalter in Speyer, Fried-
berg, Worms, Andernach, Cleve erhalten. Von jü-
dischen Wohnhäusern sind zwei romanische Bauten
in Lincoln in England und das Haus des 1630 ge-
folterten Samuel ben Meir Al-Lavi in Toledo vor-
handen, ebenso in Livorno das Geburtshaus des Moses
Montefiore, und wahrscheinlich werden sich noch
manche alte jüdische Wohnhäuser mit künstlerischer
Ausschmückung erhalten haben. Das aus dem 16. Jahr-
hundert stammende Rathaus zu Prag zeigt keine künst-
lerischen Besonderheiten; zu bemerken ist nur bei der
Rathausuhr, dass die Zahlzeichen des Zifferblattes
hebräisch sind und der Zeiger, wie bei arabischen
Uhren, in entgegengesetzter Richtung wandert.

Zur wissenschaftlichen Prüfung der architektonischen
Denkmäler reichen natürlich die bei älteren jüdischen
Bauten sehr einfachen Aussenansichten durchaus nicht,
es werden vielmehr dazu die Innenansichten, auch
Grundrisse, Querschnitte, Detailzeichnungen von

Säulen, Gesimsen, Kapitalen u. s. w. in deutlichen,
zum Vergleich brauchbaren Darstellungen zu be-
schaffen sein.

Das Gebiet der Plastik wird wenig ergiebig sein.
Gegen die grosse Monumentalplastik ist das jüdische
Gesetz, und die selbständige Kleinplastik erscheint
zwar häufig mit biblischen Darstellungen, die aber
weder von jüdischen Künstlern, noch im Auftrage
von Juden geschaffen worden sind. In jüngster Zeit
haben sich zwar auch einige Juden der Bildhauerei
zugewendet und sehr geachtete Künstler sind unter
ihnen, doch ist der Anteil der Juden an der Plastik,
besonders für die ältere Zeit, noch nicht gründlich
untersucht worden. Ebenso dürften die Unter-
suchungen über die Malerei bei den Juden viel Inter-
essantes bringen. Abgesehen von der neuesten Zeit,
die eine Reihe angesehener jüdischer Maler aufweist,
wird sich zeigen, dass sehr geachtete Meister des
14. und 15. Jahrhunderts in Italien, des 17. Jahrhun-
derts in Holland jüdischer Herkunft waren.

Dekorative Plastik kommt nicht nur zu allen
Zeiten an den Kultusbauten, an den zahlreichen, aus
früheren Perioden erhaltenen Grabdenkmälern, son-
dern auch an vielen Kultusgegenständen für Synagoge
und Haus zur Erscheinung. Eine ebenso reiche Aus-
beute an Proben dekorativer Malerei dürften die
malerischen Flächenverzierungen an den Wänden der
alten Synagogen des Südens und des Ostens auf-
weisen. Ein grosses noch nahezu unerforschtes Ge-
biet ist das der Miniaturmalerei und der dekorativen
Malerei auf Pergament, die dekorative Verwendung
der Quadratschrift, der textile Flächenschmuck u. a.
noch, da ja alle technischen Verfahren, die im Kunst-
gewerbe Verwendung finden, auch für den Dienst
des jüdischen Kultus in Anspruch genommen werden.

In erster Linie werden die Kultusgegenstände für
die Synagoge zu berücksichtigen sein, sowohl die mit
dem Bau zusammenhängenden als auch die beweg-
lichen. Die alten Synagogen hatten in der Vorhalle
eine Reihe von Sammelbüchsen für verschiedene
Zwecke mit hebräischen Aufschriften; sie sind oft
zierlich aus Schmiedeeisen gearbeitet, mit Beschlägen
aus vergoldeter Bronze versehen, und die Aufschriften
haben reich verzierte hebräische Buchstaben innerhalb
schöngeformter Kartuschen. Wandbrunnen, dazu be-
stimmt, die Hände vor dem Betreten der Synagoge
zu reinigen, selbst Cisternen finden sich in den Vor-
hallen. Ein schönes Beispiel hat die Synagoge zu
Padua. Den wichtigsten Platz, gegen Osten (Jeru-
salem) befindlich, nimmt die Bundeslade (Aron Hako-
desch) ein. Noch in der gotischen Zeit scheint
die Bundeslade ein auf quadratischer Basis errichteter
schrankartiger Aufbau gewesen zu sein, der nur an
die Ostwand gelehnt wurde. Später ist sie in die
Ostwand eingelassen, mit ihr verwachsen und von
geringer Tiefe. Die Thüren sind aussen und innen
auf das Sorgfältigste gearbeitet und nicht selten wurden
kostbare Hölzer, am liebsten »Cedernholz vom Libanon«
zu ihrer Herstellung verwendet. Schnitzereien und
Einlegearbeiten schmückten sie. Ihre Aufgabe ist,
die Thorarollen der Synagoge aufzunehmen. Ein
 
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