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Personalien. — Vereine.
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ein Zusammenhang liegt, hätten die Verfasser erörtern
sollen. Im Falle der Bejahung läge dann auch schon in
dieser Periode ein italienisches Element, gegen das sich
die Verfasser energisch aussprechen, ebenso wie sie den
flandrischen Einfluss hauptsächlich auf das 15. Jahrhundert
beschränken wollen und den deutschen, diesen mit Recht,
vollständig abweisen.
Aber selbst wenn in dieser ersten Periode ein italie-
nischer Faktor bemerkbar wäre, so wirkt er, vielleicht weil
er noch ein quattrocentistischer ist, doch keineswegs zer-
setzend wie in der zweiten. Diese Zeit war am schwie-
rigsten darzustellen. Eine Fülle von einzelnen Statuen und
Altarfragmenten, die alle bis zu einer gewissen Grenze
untereinander verwandt, doch wieder jede von der andern
verschieden sind, einmal mehr gotisch, ein anderes Mal
mehr renaissancemässig, ein drittes Mal nur mit italieni-
sierenden Dekorationsstücken, in den wenigsten Fällen
datiert und daher chronologisch durcheinander fallend, nach
einzelnen Symptomen früher, nach anderen später zu
taxieren, das ist das Material, in das Ordnung geschafft
werden soll. Und die Verfasser thun darin ihr möglichstes.
Aber es ist eine Zeit, die nicht von grossen Künstler-
persönlichkeiten beherrscht wird und so bleibt dieses
Schwankende, nach einem neuen Stil Ausschauende die
Charaktereigentümlichkeit des zweiten Viertels des Jahr-
hunderts. Die Verfasser zeigen, wie in dieser Sehnsucht nach
dem italienischen Stil das Unlogische des knittrigen Falten-
wurfes, der Mangel an Oleichgewicht in der Stellung, das
Affektierte in der Bewegung, die gute alte französische
Statuarik verderben.
Und endlich kommt der gesuchte »grand stile« in der
Gestalt eines wirklichen Italieners zu ihnen. Das bildet
den dritten Teil des Buches. Aber es ist nur ein Italiener
niederen Grades, und so errichtet er keine neue grosse
Kunst, sondern giebt nur der alten sterbenden den Todes-
stoss. Dominique Florentin (Domenico Fiorentino), einer
der Künstler, die durch Primaticcio zu den von Franz 1.
unternommenen Arbeiten in Fontainebleau herangezogen
wurden, trat mit Troyes in enge Verbindung. Seit 1548
wechselt sein Aufenthalt zwischen diesen beiden Orten hin
und her. Er wird der Dekorateur von Troyes beim Ein-
zug Henri H. 1548 und ihm fallen die neuen Aufgaben der
Kirchen zu. Die gleichzeitige Künstlergeneration sieht mit
Ausnahme einiger Konservativen in ihm das neue Ideal.
Trotzdem macht es grosse Schwierigkeit, seiner Künstler-
persönlichkeit an eigenen Werken wirklich habhaft zu
werden, und die Verfasser können nur von wenigen Resten
des Lettners von Saint - Etienne in Troyes und des Grab-
mals eines Herzogs von Guise ausgehen, deren Feststellung
und Sammlung ihnen gelungen ist.
Ein letztes Kapitel führt noch allerlei nennenswerte
Denkmäler heran, die im Gang der Darstellung keinen
rechten Platz gefunden. .
Man muss den Verfassern schon deshalb dankbar sein,
weil das Buch einen Prozess behandelt, der auf fran-
zösischem Gebiet bisher wenig Beachtung gefunden hat.
Ausserdem aber ist die umfängliche Sammlung und Durch-
forschung des Materials, die bis ins Kleine gehende Ge-
wissenhaftigkeit und Gründlichkeit, das Vermeiden von
Phrasen rühmlich hervorzuheben, und schliesslich möchte ich
nicht unerwähnt lassen, dass in der Methode mit Bewusst-
sein in manchen Punkten auf die deutsche Forschung hin-
gewiesen wird. In den Abbildungen wird ein sehr reiches
bisher zum grossen Teil unpubliziertes Material geboten.
_Adolph Goldschmidt.
"PERSONALIEN
Meissen, An Stelle des bisherigen Direktors der
König/. Porzellanmaniifaktur, Oberbergrat Brunnemann,
der nach langjähriger Thätigkeit an der Manufaktur in den
wohlverdienten Ruhestand getreten ist, ist der bisherige
Oberfaktor derselben, Kommerzienrat Gesell, zum Direktor
ernannt worden.
VEREINE
Berlin. In der Aprilsitzung der Kunstgeschichtlichen
Gesellschaft sprach Herr von Beckerath über »neu publi-
zierte Zeichnungen Michelangelos« aus dem Teyler-Museum
in Haarlem. Die Blätter stammen angeblich aus dem Be-
sitz der Königin Christine und wurden im Jahre 1790 in
Rom durch einen Holländer vom Duca di Bracciano ge-
kauft. Sie sind der Holländischen Kunstforschung, welche
sich fast gar nicht mit fremder Kunst beschäftigt, so gut
wie unbekannt geblieben. Erst bei Gelegenheit des Kunst-
historischen Kongresses in Amsterdam im Jahre 1898
wurde von dem Kuratorium des Kongresses der Beschluss
gefasst, diesen Schatz zu heben. Die Herausgabe wurde
durch Fr. v. Marcuard unter Mitwirkung von Ad. Bayers-
dorfer in musterhafter Weise besorgt, und kann
dieser erste Versuch, die einzelnen Zeichnungen mit
bestimmten Werken Michelangelo's in Zusammenhang
zu bringen, in der Hauptsache volle Zustimmung finden.
Immerhin bleiben einzelne Einwendungen und ergänzende
Vorschläge möglich. Die ersten beiden auf den berühm-
ten Schlachtkarton bezüglichen Blätter gaben dem Vor-
tragenden Veranlassung, den schon von Springer ge-
äusserten Zweifel daran, dass das Bild in Holkham Hall
eine getreue Kopie des Karton sei, zu wiederholen, da
bei solcher Gedrängtheit der Komposition unmöglich eine
ganze Wand mit ihr ausgefüllt werden konnte. Auf der
Rückseite des einen Blattes befindet sich ein erster, flüch-
tiger Entwurf zum Judithbilde der Sixtinischen Decke, was
Marcuard übersehen hat. In der nächsten Zeichnung
möchte der Vortragende eine Studie für die wahrscheinlich
mit den beiden Sklaven des Louvre gleichzeitige Statue
des sogenannten Siegers (im Bargello) trotz der abweichen-
den Wendung des Kopfes und des fehlenden rechten
Armes erkennen. Bei den folgenden Blättern, welche sich
auf die Sixtinische Decke beziehen, verdient es besonders
hervorgehoben zu werden, dass der so häufig für weiblich
gehaltene Genius hinter Gottvater in dem Bilde der Er-
schaffung Adams hier deutlich als männlich erkennbar ist.
Hierauf folgt eine Zeichnung des Oberkörpers des ge-
kreuzigten Haman, welche diejenige der Sammlung Mal-
colm im Britischen Museum (untere Hälfte der Gestalt
bedeutend an Frische übertrifft und den Vortragenden
dadurch in seinen schon früher hinsichtlich der Echtheit
der letzteren gehegten Zweifeln bestärkt. Die nächstfol-
genden von Marcuard auf die Gestalten des Tages und
der Nacht vom Grabe des Giuliani de' Medici bezogenen
Zeichnungen, sowie ein angeblicher Entwurf zur Sagrestia
! nuova auf der Rückseite des einen Blattes scheinen ihm
keine schlagende Uebereinstimmung mit diesen Werken
aufzuweisen. Drei weitere Blätter stehen in unverkenn-
barer Beziehung zum jüngsten Gericht, obwohl nur die
Gestalt des Laurentius aus demselben sich hier nachweisen
lässt. Für eine andere, scheinbar auf dem Boden hin-
kriechende Figur hat offenbar Signorelli's berühmter fliegen-
der Teufel mit dem Weibe auf dem Rücken — die Ge-
stalt eines solchen findet sich auch auf der Freske der
Sixtina, aber in ganz verschiedener Stellung — dem
Meister die Anregung gegeben und ebenso auch für eine
mit gespreizten Beinen dastehende Gestalt. Ein Blatt mit
architektonischen Entwürfen zeigt augenscheinlich die
Peterskuppel und die Porta Pia, ein anderes Figuren von
stehenden Heiligen in architektonischer Umrahmung, die
Personalien. — Vereine.
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ein Zusammenhang liegt, hätten die Verfasser erörtern
sollen. Im Falle der Bejahung läge dann auch schon in
dieser Periode ein italienisches Element, gegen das sich
die Verfasser energisch aussprechen, ebenso wie sie den
flandrischen Einfluss hauptsächlich auf das 15. Jahrhundert
beschränken wollen und den deutschen, diesen mit Recht,
vollständig abweisen.
Aber selbst wenn in dieser ersten Periode ein italie-
nischer Faktor bemerkbar wäre, so wirkt er, vielleicht weil
er noch ein quattrocentistischer ist, doch keineswegs zer-
setzend wie in der zweiten. Diese Zeit war am schwie-
rigsten darzustellen. Eine Fülle von einzelnen Statuen und
Altarfragmenten, die alle bis zu einer gewissen Grenze
untereinander verwandt, doch wieder jede von der andern
verschieden sind, einmal mehr gotisch, ein anderes Mal
mehr renaissancemässig, ein drittes Mal nur mit italieni-
sierenden Dekorationsstücken, in den wenigsten Fällen
datiert und daher chronologisch durcheinander fallend, nach
einzelnen Symptomen früher, nach anderen später zu
taxieren, das ist das Material, in das Ordnung geschafft
werden soll. Und die Verfasser thun darin ihr möglichstes.
Aber es ist eine Zeit, die nicht von grossen Künstler-
persönlichkeiten beherrscht wird und so bleibt dieses
Schwankende, nach einem neuen Stil Ausschauende die
Charaktereigentümlichkeit des zweiten Viertels des Jahr-
hunderts. Die Verfasser zeigen, wie in dieser Sehnsucht nach
dem italienischen Stil das Unlogische des knittrigen Falten-
wurfes, der Mangel an Oleichgewicht in der Stellung, das
Affektierte in der Bewegung, die gute alte französische
Statuarik verderben.
Und endlich kommt der gesuchte »grand stile« in der
Gestalt eines wirklichen Italieners zu ihnen. Das bildet
den dritten Teil des Buches. Aber es ist nur ein Italiener
niederen Grades, und so errichtet er keine neue grosse
Kunst, sondern giebt nur der alten sterbenden den Todes-
stoss. Dominique Florentin (Domenico Fiorentino), einer
der Künstler, die durch Primaticcio zu den von Franz 1.
unternommenen Arbeiten in Fontainebleau herangezogen
wurden, trat mit Troyes in enge Verbindung. Seit 1548
wechselt sein Aufenthalt zwischen diesen beiden Orten hin
und her. Er wird der Dekorateur von Troyes beim Ein-
zug Henri H. 1548 und ihm fallen die neuen Aufgaben der
Kirchen zu. Die gleichzeitige Künstlergeneration sieht mit
Ausnahme einiger Konservativen in ihm das neue Ideal.
Trotzdem macht es grosse Schwierigkeit, seiner Künstler-
persönlichkeit an eigenen Werken wirklich habhaft zu
werden, und die Verfasser können nur von wenigen Resten
des Lettners von Saint - Etienne in Troyes und des Grab-
mals eines Herzogs von Guise ausgehen, deren Feststellung
und Sammlung ihnen gelungen ist.
Ein letztes Kapitel führt noch allerlei nennenswerte
Denkmäler heran, die im Gang der Darstellung keinen
rechten Platz gefunden. .
Man muss den Verfassern schon deshalb dankbar sein,
weil das Buch einen Prozess behandelt, der auf fran-
zösischem Gebiet bisher wenig Beachtung gefunden hat.
Ausserdem aber ist die umfängliche Sammlung und Durch-
forschung des Materials, die bis ins Kleine gehende Ge-
wissenhaftigkeit und Gründlichkeit, das Vermeiden von
Phrasen rühmlich hervorzuheben, und schliesslich möchte ich
nicht unerwähnt lassen, dass in der Methode mit Bewusst-
sein in manchen Punkten auf die deutsche Forschung hin-
gewiesen wird. In den Abbildungen wird ein sehr reiches
bisher zum grossen Teil unpubliziertes Material geboten.
_Adolph Goldschmidt.
"PERSONALIEN
Meissen, An Stelle des bisherigen Direktors der
König/. Porzellanmaniifaktur, Oberbergrat Brunnemann,
der nach langjähriger Thätigkeit an der Manufaktur in den
wohlverdienten Ruhestand getreten ist, ist der bisherige
Oberfaktor derselben, Kommerzienrat Gesell, zum Direktor
ernannt worden.
VEREINE
Berlin. In der Aprilsitzung der Kunstgeschichtlichen
Gesellschaft sprach Herr von Beckerath über »neu publi-
zierte Zeichnungen Michelangelos« aus dem Teyler-Museum
in Haarlem. Die Blätter stammen angeblich aus dem Be-
sitz der Königin Christine und wurden im Jahre 1790 in
Rom durch einen Holländer vom Duca di Bracciano ge-
kauft. Sie sind der Holländischen Kunstforschung, welche
sich fast gar nicht mit fremder Kunst beschäftigt, so gut
wie unbekannt geblieben. Erst bei Gelegenheit des Kunst-
historischen Kongresses in Amsterdam im Jahre 1898
wurde von dem Kuratorium des Kongresses der Beschluss
gefasst, diesen Schatz zu heben. Die Herausgabe wurde
durch Fr. v. Marcuard unter Mitwirkung von Ad. Bayers-
dorfer in musterhafter Weise besorgt, und kann
dieser erste Versuch, die einzelnen Zeichnungen mit
bestimmten Werken Michelangelo's in Zusammenhang
zu bringen, in der Hauptsache volle Zustimmung finden.
Immerhin bleiben einzelne Einwendungen und ergänzende
Vorschläge möglich. Die ersten beiden auf den berühm-
ten Schlachtkarton bezüglichen Blätter gaben dem Vor-
tragenden Veranlassung, den schon von Springer ge-
äusserten Zweifel daran, dass das Bild in Holkham Hall
eine getreue Kopie des Karton sei, zu wiederholen, da
bei solcher Gedrängtheit der Komposition unmöglich eine
ganze Wand mit ihr ausgefüllt werden konnte. Auf der
Rückseite des einen Blattes befindet sich ein erster, flüch-
tiger Entwurf zum Judithbilde der Sixtinischen Decke, was
Marcuard übersehen hat. In der nächsten Zeichnung
möchte der Vortragende eine Studie für die wahrscheinlich
mit den beiden Sklaven des Louvre gleichzeitige Statue
des sogenannten Siegers (im Bargello) trotz der abweichen-
den Wendung des Kopfes und des fehlenden rechten
Armes erkennen. Bei den folgenden Blättern, welche sich
auf die Sixtinische Decke beziehen, verdient es besonders
hervorgehoben zu werden, dass der so häufig für weiblich
gehaltene Genius hinter Gottvater in dem Bilde der Er-
schaffung Adams hier deutlich als männlich erkennbar ist.
Hierauf folgt eine Zeichnung des Oberkörpers des ge-
kreuzigten Haman, welche diejenige der Sammlung Mal-
colm im Britischen Museum (untere Hälfte der Gestalt
bedeutend an Frische übertrifft und den Vortragenden
dadurch in seinen schon früher hinsichtlich der Echtheit
der letzteren gehegten Zweifeln bestärkt. Die nächstfol-
genden von Marcuard auf die Gestalten des Tages und
der Nacht vom Grabe des Giuliani de' Medici bezogenen
Zeichnungen, sowie ein angeblicher Entwurf zur Sagrestia
! nuova auf der Rückseite des einen Blattes scheinen ihm
keine schlagende Uebereinstimmung mit diesen Werken
aufzuweisen. Drei weitere Blätter stehen in unverkenn-
barer Beziehung zum jüngsten Gericht, obwohl nur die
Gestalt des Laurentius aus demselben sich hier nachweisen
lässt. Für eine andere, scheinbar auf dem Boden hin-
kriechende Figur hat offenbar Signorelli's berühmter fliegen-
der Teufel mit dem Weibe auf dem Rücken — die Ge-
stalt eines solchen findet sich auch auf der Freske der
Sixtina, aber in ganz verschiedener Stellung — dem
Meister die Anregung gegeben und ebenso auch für eine
mit gespreizten Beinen dastehende Gestalt. Ein Blatt mit
architektonischen Entwürfen zeigt augenscheinlich die
Peterskuppel und die Porta Pia, ein anderes Figuren von
stehenden Heiligen in architektonischer Umrahmung, die