X. Tag für Denkmalpflege
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man noch Ortsgesetze oder staatliche Zwischeninstanzen,
in Sachsen ist verunstaltende Reklame schon von ge-
setzeswegen einheitlich für das ganze Land verboten.
Das preußische Gesetz schützt außerhalb der Ort-
schaften nur die landschaftlich hervorragenden Gegen-
den, das sächsische schützt auch das schlichte ein-
fache Landschaftsbild in seiner den Bewohnern lieb-
gewordenen Eigenart vor Verunstaltung. In Preußen
sind die Polizeibehörden zum Einschreiten verpflichtet,
in Sachsen sind sie hierzu — nach ihrem pflicht-
mäßigen Ermessen — ermächtigt; nach des Redners
Ansicht ist das ein Vorzug, weil diese Bestimmung
die Notwendigkeit berücksichtigt, das Gesetz gemäß
den Bedürfnissen des praktischen Lebens tunlichst
schonend zu handhaben.
Der zweite Teil des Gesetzes regelt den Denkmal-
schutz in Übereinstimmung mit Preußen so, daß die
Ortsgesetzgebung ermächtigt wird, für bestimmte
Straßen und Plätze von geschichtlicher oder künst-
lerischer Bedeutung oder aber zum Schutze einzelner
geschichtlich oder künstlerisch bedeutsamer Bauwerke
und ihrer Umgebung die baupolizeiliche Genehmigung
solcher Bauten oder baulichen Änderungen zu ver-
sagen, die geeignet sind, das geschützte Bauwerk,
Ortsbild und dergleichen in seiner Eigenart zu be-
einträchtigen. Falls die Ortsgesetzgebung trotz sach-
licher Notwendigkeit und trotz entsprechender Ein-
wirkung der Aufsichtsbehörde derartige Bestimmungen
nicht erläßt, so kann — ein wesentlicher Fortschritt
gegen das preußische Gesetz — das Ministerium das
Nötige verfügen. Ferner können in allen Fällen bei
Gefahr im Verzuge die Kreishauptmannschaften einst-
weilige Anordnungen treffen.
Das Gesetz sieht weiter eine weitgehende Mit-
wirkung von Sachverständigen vor; die Ausführungs-
verordnung weist die Behörden darauf hin, die un-
entgeltliche Beratung des Vereins Sächsischer Heimat-
schutz, Landesverein zur Pflege heimatlicher Natur,
Kunst und Bauweise in Anspruch zu nehmen und
ermahnt die Behörden, das Hauptgewicht auf eine
erzieherische Wirkung des Gesetzes zu legen und
vor dem Zwang gütliche Mittel zu versuchen.
Durch das Gesetz sind die Bestrebungen des
Heimatschutzes als eine staatlich zu fördernde Kultur-
aufgabe anerkannt. Den Baupolizeibehörden falle vor
allem die Aufgabe zu, an Ortsbauordnungen, Bau-
und Fluchtlinienplänen verständnisvoll mitzuarbeiten
und innerhalb der täglichen baupolizeilichen Klein-
arbeit im Sinne der neuen Ideen zu wirken. Es könne
sich dabei nicht darum handeln, die bauliche Ent-
wicklung in eine bestimmte Stilrichtung zu drängen;
vielmehr sei der bewußten Betätigung eigenen Ge-
schmacks weiter Spielraum zu lassen, überhaupt aber
vor allem der Sinn für Bauschönheit zu wecken und
zu kräftigen, so daß die schaffensfreudigen künstle-
rischen Kräfte in unserem Volke mehr und mehr zur
Geltung kommen.
Der Redner schloß mit der Hoffnung, das neue
Gesetz möge recht bald auch die jetzt noch fern-
stehenden Kreise zum innern Anschluß an die Sache
des Denkmal- und Heimatschutzes bekehren. Denn
nicht Zwang und Polizeigewalt seien das Ideal dieser
Bewegung, sie seien nur das äußerste zeitweilig un-
entbehrliche Mittel gegen Unverstand und bösen
Willen. Das Endziel sei, die Geister zu gewinnen
und so den Boden zu bereiten, auf dem unser Volk
sich wieder ungetrübt seiner Heimat freuen und
unsere Künstlerschaft unter des Volkes freudiger An-
teilnahme frei für die Schönheit dieser Heimat schaffen
könnte.
Dieser Vortrag wurde ergänzt durch zwei Vorträge
des Oberbaurates Karl Schmidt in Dresden, deren
einer in der öffentlichen gemeinsamen Versammlung
des Tages für Denkmalpflege und der Versammlung
des Bundes Heimatschutz am Abend stattfand und
von Lichtbildern begleitet war. Er wies darauf
hin, daß jede Maßregel zur künstlerischen Beein-
flussung der allgemeinen Bautätigkeit mit einer all-
gemeinen Belehrung über Zweck und Ziele von
Denkmalpflege und Heimatschutz, über die schlichte
Schönheit, Natürlichkeit und Zweckmäßigkeit der
heimischen Bauweise beginnen müsse. Dazu aber
gehöre eine zielbewußte, wirksame Organisation, wie
sie z. B. die Geschäftsstelle des Bundes Sächsischer
Heimatschutz darstelle, die mit einer staatlichen Unter-
stützung von jährlich 15000 Mark arbeitet und sich
namentlich als Beratungsstelle für öffentliche Bauten
im Lande ausgebildet hat. Sie verfügt über die
ständige Arbeitskraft von Architekten, über ein ge-
ordnetes Bureau mit Bibliothek, Vorlageblättern, Mo-
dellen und Fachzeitschriften, über ein Sitzungs- und
Ausstellungszimmer. An diese Geschäftsstelle senden
die Baupolizeibehörden, besonders die Amtshauptmann-
schaften, verbesserungsbedürftige Pläne nebst den Bau-
akten und zwar noch vor deren Genehmigung, damit
Abänderungsvorschläge und Gutachten abgegeben
werden können. Diese Anfragen werden meist binnen
wenigen Tagen erledigt. Im Jahre 1908 wurden
250 Pläne verbessert und begutachtet. Etwa die
Hälfte wurde durch den geschäftsführenden Vorstand
mit den Architekten der Geschäftsstelle, die andere
Hälfte teils durch ehrenamtliche, teils durch vergütete
Mitwirkung von Baubeamten und Privatarchitekten —
im ganzen 80 im Lande — ausgeführt. Die Ver-
besserungspläne sind zumeist auch wirtschaftlicher
und billiger als die ursprünglichen. Die Vorzüge
dieser Pläne zeigte Oberbaurat Schmidt an einer
ganzen Reihe von Plänen und in Lichtbildern. Wir
sahen in Beispielen und Gegenbeispielen Bauerngüter,
industrielle und Schulbauten. Besonders bemerkenswert
war der Nachweis, daß für die Gestaltung des Dach-
körpers im Sinne heimatlicher Formsprache haupt-
sächlich die vorteilhaftere wirtschaftliche Verwertung
des Daches und die überlieferte längliche und schmälere
Grundrißform spreche. Daß die Bauten nach den
verbesserten Plänen und Entwürfen künstlerisch besser,
der Landschaft und Umgebung angemessener waren,
sah man jederzeit ohne weiteres; sehr überraschend
aber wirkten die mitgeteilten Zahlen, welche die große
Verbilligung der Bauten bei der Wahl des heimischen
Baustils glänzend nachwiesen. So wurde unter anderen
der typische Grund- und Aufriß einer ländlichen
20
man noch Ortsgesetze oder staatliche Zwischeninstanzen,
in Sachsen ist verunstaltende Reklame schon von ge-
setzeswegen einheitlich für das ganze Land verboten.
Das preußische Gesetz schützt außerhalb der Ort-
schaften nur die landschaftlich hervorragenden Gegen-
den, das sächsische schützt auch das schlichte ein-
fache Landschaftsbild in seiner den Bewohnern lieb-
gewordenen Eigenart vor Verunstaltung. In Preußen
sind die Polizeibehörden zum Einschreiten verpflichtet,
in Sachsen sind sie hierzu — nach ihrem pflicht-
mäßigen Ermessen — ermächtigt; nach des Redners
Ansicht ist das ein Vorzug, weil diese Bestimmung
die Notwendigkeit berücksichtigt, das Gesetz gemäß
den Bedürfnissen des praktischen Lebens tunlichst
schonend zu handhaben.
Der zweite Teil des Gesetzes regelt den Denkmal-
schutz in Übereinstimmung mit Preußen so, daß die
Ortsgesetzgebung ermächtigt wird, für bestimmte
Straßen und Plätze von geschichtlicher oder künst-
lerischer Bedeutung oder aber zum Schutze einzelner
geschichtlich oder künstlerisch bedeutsamer Bauwerke
und ihrer Umgebung die baupolizeiliche Genehmigung
solcher Bauten oder baulichen Änderungen zu ver-
sagen, die geeignet sind, das geschützte Bauwerk,
Ortsbild und dergleichen in seiner Eigenart zu be-
einträchtigen. Falls die Ortsgesetzgebung trotz sach-
licher Notwendigkeit und trotz entsprechender Ein-
wirkung der Aufsichtsbehörde derartige Bestimmungen
nicht erläßt, so kann — ein wesentlicher Fortschritt
gegen das preußische Gesetz — das Ministerium das
Nötige verfügen. Ferner können in allen Fällen bei
Gefahr im Verzuge die Kreishauptmannschaften einst-
weilige Anordnungen treffen.
Das Gesetz sieht weiter eine weitgehende Mit-
wirkung von Sachverständigen vor; die Ausführungs-
verordnung weist die Behörden darauf hin, die un-
entgeltliche Beratung des Vereins Sächsischer Heimat-
schutz, Landesverein zur Pflege heimatlicher Natur,
Kunst und Bauweise in Anspruch zu nehmen und
ermahnt die Behörden, das Hauptgewicht auf eine
erzieherische Wirkung des Gesetzes zu legen und
vor dem Zwang gütliche Mittel zu versuchen.
Durch das Gesetz sind die Bestrebungen des
Heimatschutzes als eine staatlich zu fördernde Kultur-
aufgabe anerkannt. Den Baupolizeibehörden falle vor
allem die Aufgabe zu, an Ortsbauordnungen, Bau-
und Fluchtlinienplänen verständnisvoll mitzuarbeiten
und innerhalb der täglichen baupolizeilichen Klein-
arbeit im Sinne der neuen Ideen zu wirken. Es könne
sich dabei nicht darum handeln, die bauliche Ent-
wicklung in eine bestimmte Stilrichtung zu drängen;
vielmehr sei der bewußten Betätigung eigenen Ge-
schmacks weiter Spielraum zu lassen, überhaupt aber
vor allem der Sinn für Bauschönheit zu wecken und
zu kräftigen, so daß die schaffensfreudigen künstle-
rischen Kräfte in unserem Volke mehr und mehr zur
Geltung kommen.
Der Redner schloß mit der Hoffnung, das neue
Gesetz möge recht bald auch die jetzt noch fern-
stehenden Kreise zum innern Anschluß an die Sache
des Denkmal- und Heimatschutzes bekehren. Denn
nicht Zwang und Polizeigewalt seien das Ideal dieser
Bewegung, sie seien nur das äußerste zeitweilig un-
entbehrliche Mittel gegen Unverstand und bösen
Willen. Das Endziel sei, die Geister zu gewinnen
und so den Boden zu bereiten, auf dem unser Volk
sich wieder ungetrübt seiner Heimat freuen und
unsere Künstlerschaft unter des Volkes freudiger An-
teilnahme frei für die Schönheit dieser Heimat schaffen
könnte.
Dieser Vortrag wurde ergänzt durch zwei Vorträge
des Oberbaurates Karl Schmidt in Dresden, deren
einer in der öffentlichen gemeinsamen Versammlung
des Tages für Denkmalpflege und der Versammlung
des Bundes Heimatschutz am Abend stattfand und
von Lichtbildern begleitet war. Er wies darauf
hin, daß jede Maßregel zur künstlerischen Beein-
flussung der allgemeinen Bautätigkeit mit einer all-
gemeinen Belehrung über Zweck und Ziele von
Denkmalpflege und Heimatschutz, über die schlichte
Schönheit, Natürlichkeit und Zweckmäßigkeit der
heimischen Bauweise beginnen müsse. Dazu aber
gehöre eine zielbewußte, wirksame Organisation, wie
sie z. B. die Geschäftsstelle des Bundes Sächsischer
Heimatschutz darstelle, die mit einer staatlichen Unter-
stützung von jährlich 15000 Mark arbeitet und sich
namentlich als Beratungsstelle für öffentliche Bauten
im Lande ausgebildet hat. Sie verfügt über die
ständige Arbeitskraft von Architekten, über ein ge-
ordnetes Bureau mit Bibliothek, Vorlageblättern, Mo-
dellen und Fachzeitschriften, über ein Sitzungs- und
Ausstellungszimmer. An diese Geschäftsstelle senden
die Baupolizeibehörden, besonders die Amtshauptmann-
schaften, verbesserungsbedürftige Pläne nebst den Bau-
akten und zwar noch vor deren Genehmigung, damit
Abänderungsvorschläge und Gutachten abgegeben
werden können. Diese Anfragen werden meist binnen
wenigen Tagen erledigt. Im Jahre 1908 wurden
250 Pläne verbessert und begutachtet. Etwa die
Hälfte wurde durch den geschäftsführenden Vorstand
mit den Architekten der Geschäftsstelle, die andere
Hälfte teils durch ehrenamtliche, teils durch vergütete
Mitwirkung von Baubeamten und Privatarchitekten —
im ganzen 80 im Lande — ausgeführt. Die Ver-
besserungspläne sind zumeist auch wirtschaftlicher
und billiger als die ursprünglichen. Die Vorzüge
dieser Pläne zeigte Oberbaurat Schmidt an einer
ganzen Reihe von Plänen und in Lichtbildern. Wir
sahen in Beispielen und Gegenbeispielen Bauerngüter,
industrielle und Schulbauten. Besonders bemerkenswert
war der Nachweis, daß für die Gestaltung des Dach-
körpers im Sinne heimatlicher Formsprache haupt-
sächlich die vorteilhaftere wirtschaftliche Verwertung
des Daches und die überlieferte längliche und schmälere
Grundrißform spreche. Daß die Bauten nach den
verbesserten Plänen und Entwürfen künstlerisch besser,
der Landschaft und Umgebung angemessener waren,
sah man jederzeit ohne weiteres; sehr überraschend
aber wirkten die mitgeteilten Zahlen, welche die große
Verbilligung der Bauten bei der Wahl des heimischen
Baustils glänzend nachwiesen. So wurde unter anderen
der typische Grund- und Aufriß einer ländlichen