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X. Tag für Denkmalpflege
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Schule mit zwei Klassen und zwei Lehrerwohnungen
in der Form eines öden Steinbaukastens vorgeführt,
der insgesamt 59000 Mark gekostet hat. Das Gegen-
beispiel einer Schule mit gleichem Bauprogramm zeigt
alle Vorteile der heimatlichen Formgebung: eine an-
heimelnde, harmonische, dem Dorfbild sich anpassende
Außenerscheinung, eine wirtschaftliche und schönheit-
liche Durchbildung des Dachkörpers bei durchaus
senkrechten Wänden und ebenen Decken der in ihnen
angeordneten Wohnungen und eine den klimatischen
Verhältnissen entsprechende schlichte aber zweckmäßige
Durchbildung der einzelnen Bauteile. Diese Schule
hat nur die Hälfte der häßlichen gekostet. Weiter
zeigte Schmidt alte schöne Dorf- und Städtebilder aus
Sachsen und auch ihre Verunstaltung durch ungeeig-
nete Bauten (im Ziegelrohbau, der in Sachsen nicht
bodenständig ist), gute und schlechte Bebauungspläne
nebst ihren Wirkungen auch in Kleinbauten, wie Schalter-
häuschen elektrischer Betriebe, Verkaufsbuden, öffent-
liche Bedürfnisanstalten, Einfahrtstore, Garteneinfriedi-
gungen, Stellereianlagen auf Bahnhöfen und anderes
mehr, welche schlagend bewiesen, daß auch für die
Ingenieurbauten, denen bisher zumeist leider die Weihe
einer geschmackvollen, stimmungsvollen Formgebung
versagt blieb, eine verständnisvolle zunehmende Besse-
rung bemerkbar ist, und zwar nicht zum Schaden
ihrer Herstellungskosten.
Schmidts Darlegungen zeigten klar, um wie hohe
wirtschaftliche und sozialwohlfahrtliche Werte es sich
hier handelt und wieviel besser man in beiden Hin-
sichten mit der heimatlichen Bauweise fährt. Aus-
schließlich die Grundstücksbesitzer und Spekulanten
haben einen Vorteil davon, wenn auf dem Lande
Mietskasernen und die zugehörigen breiten Straßen
zugelassen werden; Volkswirtschaft, soziale Wohlfahrt
und Schönheit aber werden dadurch nur geschädigt.
Solche Bauanlagen zu bekämpfen, muß daher Aufgabe
aller derer sein, die mit ihrer Liebe zur Heimat und
zu ihrer Schönheit und Eigenart das Bestreben ver-
binden, unsere Kultur im Sinne deutscher Eigenart
zu verfeinern.
Im Anschluß an die beiden Vorträge teilte Wirkl.
Geh. Oberregierungsrat von Bremen einiges über die
Wirkung des preußischen Verunstaltungsgesetzes mit:
bisher wurden 68 Ortsstatute genehmigt; 83 Kirchen,
56 öffentliche Gebäude, 84 sonstige bemerkenswerte
Bauwerke (Tortüme und anderes), 160 Privatgebäude
wurden unter den Schutz des Gesetzes gestellt. Für
die Ortsstatute kommen auch eine Anzahl größerer
Städte in Betracht, wie Trier, Danzig, Augsburg,
Halberstadt, Nordhausen und andere, weit mehr aber
kleinere, wie Zülpich, Montabaur, Gelnhausen, Moh-
rungen und andere. Aus diesem Erfolg dürfte her-
vorgehen, daß die preußische Gesetzgebung auf dem
richtigen Wege war, als sie den Grundsatz der Frei-
heit der Gemeinden annahm; das Vertrauen auf die
Gemeinden hat sich als richtig erwiesen.
Die drei aktuellen Fragen, die den Tag beschäf-
tigten, waren die Ausgestaltung des Platzes an der
Südseite des Wormser Doms, die Erhaltung des rö-
mischen Kaiserpalastes zu Trier und der Wiederauf-
I bau der Michaeliskirche zu Hamburg. Den Wormser
Dom hat Geh. Oberbaurat Hofmann-Darmstadt durch
seine kühnen und glänzenden Restaurierungsarbeiten
vor dem Untergange gerettet; die Ausgestaltung des
Platzes an der Südseite des Domes steht vorläufig
nicht mehr in Frage, weil der Anlaß dazu, eine vor-
übergehend geplanter Straßendurchbruch, wegge-
fallen ist.
Über die Erhaltung des römischen Kaiserpalastes
zu Trier sprach Prof. Gary aus Berlin. Er hat seinerzeit
den Plan angeregt, diese mächtige Ruine wieder aus-
zubauen, was in Trier eine gewaltige Aufregung für
und wider hervorgebracht hat. Im Jahre 1910 soll
in der zweiten Ton-, Zement- und Kalkindustrieaus-
stellung zu Berlin ein naturgetreues Modell der gegen-
wärtigen Ruinen des Palastes sowie ein großes ge-
maltes Diorama ausgestellt werden. Der Wiederauf-
bau der Ruinen, den Prof. Gary auf dem Denkmal-
pflegetage nur noch in beschränktem Maße vertrat, wurde
hier energisch zurückgewiesen. Prof. Dr. • Clemen,
der Provinzialkonservator der Rheinprovinz, bezeich-
nete unter stürmischem Beifall den Gedanken eines
solchen Wiederaufbaues geradezu als Sakrileg. »Möge
davon auf einem Denkmalpflegetag niemals die Rede
sein«. Einig war man aber gemäß den Ausführungen
des Geh. Hofrats Prof. Dr. Löschcke-Bonn darüber, daß
für die Erhaltung des Kaiserpalastes in Trier etwas
geschehen müßte. Hand in Hand mit den Aus-
grabungen, für die nur Wilhelm Dörpfeld der richtige
Mann sei, müßten die archäologischen Untersuchungen
und die Analyse des Baus gehen, der offenbar ver-
schiedene Bauperioden durchgemacht hat, über die
wir noch gar nicht unterrichtet sind. Schon aus
diesem Grunde wäre ein Wiederaufbau nichts anderes
als wissenschaftliche Falschmünzerei. Dringlich zu
wünschen ist somit, daß die deutschen Regierungen
und Volksvertretungen, die so viel Geld übrig haben
für Ausgrabungen in Griechenland und Kleinasien,
sich auch einmal der großen gleichartigen Aufgaben
auf deutschem Boden erinnern und namentlich für
die Untersuchung und Erhaltung des römischen
Kaiserpalastes in Trier die nötigen Mittel bereit stellten.
Eine längere Debatte entspann sich sodann über
den Wiederaufbau der Michaeliskirche zu Hamburg,
die bekanntlich im Juli 1906 ausgebrannt ist und auf
Wunsch der Bürgerschaft in der alten Gestalt wieder-
aufgebaut wird. Nur wurden, wie Geh. Oberbaurat
Hofmann-Darmstadt darlegte, für die Konstruktion der
größeren Feuersicherheit wegen verschiedene Neue-
rungen durchgeführt: kupfernes Dach ohne jede Holz-
unterlage (kupferne Platten auf Bimssteinplatten), feuer-
sichere Abdeckung der Holzverschalung des Tonnen-
gewölbes mit Monierbelag. Der Turm wurde ebenfalls
feuersicher in Eisen konstruiert. Weiter wurde be-
schlossen, das große Hauptgesims und das Gurt-
gesims des Turmes in Beton mit Eiseneinlagen und
mit bearbeiteten Flächen herzustellen und damit die
weniger monumentale frühere Herstellung der Ge-
simse zu verbessern. Für den Innenausbau ist mit
dem 1. Oktober als Termin ein Wettbewerb unter
sechs tüchtigen Bildhauern eröffnet worden, die an
X. Tag für Denkmalpflege
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Schule mit zwei Klassen und zwei Lehrerwohnungen
in der Form eines öden Steinbaukastens vorgeführt,
der insgesamt 59000 Mark gekostet hat. Das Gegen-
beispiel einer Schule mit gleichem Bauprogramm zeigt
alle Vorteile der heimatlichen Formgebung: eine an-
heimelnde, harmonische, dem Dorfbild sich anpassende
Außenerscheinung, eine wirtschaftliche und schönheit-
liche Durchbildung des Dachkörpers bei durchaus
senkrechten Wänden und ebenen Decken der in ihnen
angeordneten Wohnungen und eine den klimatischen
Verhältnissen entsprechende schlichte aber zweckmäßige
Durchbildung der einzelnen Bauteile. Diese Schule
hat nur die Hälfte der häßlichen gekostet. Weiter
zeigte Schmidt alte schöne Dorf- und Städtebilder aus
Sachsen und auch ihre Verunstaltung durch ungeeig-
nete Bauten (im Ziegelrohbau, der in Sachsen nicht
bodenständig ist), gute und schlechte Bebauungspläne
nebst ihren Wirkungen auch in Kleinbauten, wie Schalter-
häuschen elektrischer Betriebe, Verkaufsbuden, öffent-
liche Bedürfnisanstalten, Einfahrtstore, Garteneinfriedi-
gungen, Stellereianlagen auf Bahnhöfen und anderes
mehr, welche schlagend bewiesen, daß auch für die
Ingenieurbauten, denen bisher zumeist leider die Weihe
einer geschmackvollen, stimmungsvollen Formgebung
versagt blieb, eine verständnisvolle zunehmende Besse-
rung bemerkbar ist, und zwar nicht zum Schaden
ihrer Herstellungskosten.
Schmidts Darlegungen zeigten klar, um wie hohe
wirtschaftliche und sozialwohlfahrtliche Werte es sich
hier handelt und wieviel besser man in beiden Hin-
sichten mit der heimatlichen Bauweise fährt. Aus-
schließlich die Grundstücksbesitzer und Spekulanten
haben einen Vorteil davon, wenn auf dem Lande
Mietskasernen und die zugehörigen breiten Straßen
zugelassen werden; Volkswirtschaft, soziale Wohlfahrt
und Schönheit aber werden dadurch nur geschädigt.
Solche Bauanlagen zu bekämpfen, muß daher Aufgabe
aller derer sein, die mit ihrer Liebe zur Heimat und
zu ihrer Schönheit und Eigenart das Bestreben ver-
binden, unsere Kultur im Sinne deutscher Eigenart
zu verfeinern.
Im Anschluß an die beiden Vorträge teilte Wirkl.
Geh. Oberregierungsrat von Bremen einiges über die
Wirkung des preußischen Verunstaltungsgesetzes mit:
bisher wurden 68 Ortsstatute genehmigt; 83 Kirchen,
56 öffentliche Gebäude, 84 sonstige bemerkenswerte
Bauwerke (Tortüme und anderes), 160 Privatgebäude
wurden unter den Schutz des Gesetzes gestellt. Für
die Ortsstatute kommen auch eine Anzahl größerer
Städte in Betracht, wie Trier, Danzig, Augsburg,
Halberstadt, Nordhausen und andere, weit mehr aber
kleinere, wie Zülpich, Montabaur, Gelnhausen, Moh-
rungen und andere. Aus diesem Erfolg dürfte her-
vorgehen, daß die preußische Gesetzgebung auf dem
richtigen Wege war, als sie den Grundsatz der Frei-
heit der Gemeinden annahm; das Vertrauen auf die
Gemeinden hat sich als richtig erwiesen.
Die drei aktuellen Fragen, die den Tag beschäf-
tigten, waren die Ausgestaltung des Platzes an der
Südseite des Wormser Doms, die Erhaltung des rö-
mischen Kaiserpalastes zu Trier und der Wiederauf-
I bau der Michaeliskirche zu Hamburg. Den Wormser
Dom hat Geh. Oberbaurat Hofmann-Darmstadt durch
seine kühnen und glänzenden Restaurierungsarbeiten
vor dem Untergange gerettet; die Ausgestaltung des
Platzes an der Südseite des Domes steht vorläufig
nicht mehr in Frage, weil der Anlaß dazu, eine vor-
übergehend geplanter Straßendurchbruch, wegge-
fallen ist.
Über die Erhaltung des römischen Kaiserpalastes
zu Trier sprach Prof. Gary aus Berlin. Er hat seinerzeit
den Plan angeregt, diese mächtige Ruine wieder aus-
zubauen, was in Trier eine gewaltige Aufregung für
und wider hervorgebracht hat. Im Jahre 1910 soll
in der zweiten Ton-, Zement- und Kalkindustrieaus-
stellung zu Berlin ein naturgetreues Modell der gegen-
wärtigen Ruinen des Palastes sowie ein großes ge-
maltes Diorama ausgestellt werden. Der Wiederauf-
bau der Ruinen, den Prof. Gary auf dem Denkmal-
pflegetage nur noch in beschränktem Maße vertrat, wurde
hier energisch zurückgewiesen. Prof. Dr. • Clemen,
der Provinzialkonservator der Rheinprovinz, bezeich-
nete unter stürmischem Beifall den Gedanken eines
solchen Wiederaufbaues geradezu als Sakrileg. »Möge
davon auf einem Denkmalpflegetag niemals die Rede
sein«. Einig war man aber gemäß den Ausführungen
des Geh. Hofrats Prof. Dr. Löschcke-Bonn darüber, daß
für die Erhaltung des Kaiserpalastes in Trier etwas
geschehen müßte. Hand in Hand mit den Aus-
grabungen, für die nur Wilhelm Dörpfeld der richtige
Mann sei, müßten die archäologischen Untersuchungen
und die Analyse des Baus gehen, der offenbar ver-
schiedene Bauperioden durchgemacht hat, über die
wir noch gar nicht unterrichtet sind. Schon aus
diesem Grunde wäre ein Wiederaufbau nichts anderes
als wissenschaftliche Falschmünzerei. Dringlich zu
wünschen ist somit, daß die deutschen Regierungen
und Volksvertretungen, die so viel Geld übrig haben
für Ausgrabungen in Griechenland und Kleinasien,
sich auch einmal der großen gleichartigen Aufgaben
auf deutschem Boden erinnern und namentlich für
die Untersuchung und Erhaltung des römischen
Kaiserpalastes in Trier die nötigen Mittel bereit stellten.
Eine längere Debatte entspann sich sodann über
den Wiederaufbau der Michaeliskirche zu Hamburg,
die bekanntlich im Juli 1906 ausgebrannt ist und auf
Wunsch der Bürgerschaft in der alten Gestalt wieder-
aufgebaut wird. Nur wurden, wie Geh. Oberbaurat
Hofmann-Darmstadt darlegte, für die Konstruktion der
größeren Feuersicherheit wegen verschiedene Neue-
rungen durchgeführt: kupfernes Dach ohne jede Holz-
unterlage (kupferne Platten auf Bimssteinplatten), feuer-
sichere Abdeckung der Holzverschalung des Tonnen-
gewölbes mit Monierbelag. Der Turm wurde ebenfalls
feuersicher in Eisen konstruiert. Weiter wurde be-
schlossen, das große Hauptgesims und das Gurt-
gesims des Turmes in Beton mit Eiseneinlagen und
mit bearbeiteten Flächen herzustellen und damit die
weniger monumentale frühere Herstellung der Ge-
simse zu verbessern. Für den Innenausbau ist mit
dem 1. Oktober als Termin ein Wettbewerb unter
sechs tüchtigen Bildhauern eröffnet worden, die an