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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Fischer, J. L.: Der IX. internationale kunsthistorische Kongress in München, 17. - 20. September, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0026

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Der IX. internationale kunsthistorische Kongreß in München

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F. Sarre berichtete über seine verschiedenen kunst-
historischen Reisen nach Asien und gab »Mitteilungen
über einige neue Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte
Vorderasiens«, die in den demnächst erscheinenden
Werken »Iranische Felsreliefs« und »Denkmäler der
persischen Baukunst« zum Ausdruck kommen sollen.
Die Kunst der Achämeniden hat ihre aus dem alten
Orient aus Mesopotamien übernommenen Anregungen
selbständig verarbeitet und als letzte und jüngste Kunst
des Orients in den Hellenismus gerettet, der in der
Sassanidenkunst trotz der Vorherrschaft altorientalischer
Elemente wirksam ist. In den Denkmälern persischer
Baukunst will Sarre den Nachweis führen, daß das
politische Eindringen der Araber keine neue selb-
ständige Kunst- und Kulturwelt schuf: von einer
spezifisch islamischen Kunst kann nicht geredet werden.
Vielmehr haben in ihr persische und byzantinische
Einflüsse sehr entschieden mitgewirkt. Sarre hofft
mit seinen Publikationen außerdem eine Reihe von
Kunstdenkmälern stilistisch neu zu bestimmen und
die geringe Wertschätzung, ja Verachtung, die auf
der persischen Kunst bisher lag, als unbegründet zu-
rückzuweisen.

Um auch die Mitte von Asien in ihrer kunst-
geschichtlichen Bedeutung zu erfassen, hielt L. Scher-
man (München) einen Vortrag über die »Beziehungen
zwischen klassischer und asiatischer Kunst«. Die seit
Jahren systematisch betriebenen Ausgrabungen haben
zahlreiche Kunstdenkmale aus dem Boden Indiens
hervorgebracht. Keines geht über das dritte vor-
christliche Jahrhundert zurück. Die Kunst Indiens
war eine durchaus religiöse, im Dienste und Geiste
des Buddhismus. Sie ist von ihrem ersten Auftreten
an von der griechischen Kunst beeinflußt. Die Züge
Alexanders des Großen nach Indien haben dem Lande
griechisches Empfinden und griechische Elemente für
die Kunst gebracht. Indien hat so die übernommenen
Kunst- und Schultraditionen zur Ausbildung einer
griechisch-buddhistischen Mischkunst verarbeitet. Man
goß den nationalen religiösen Inhalt in griechische
Formen; so begegnen wir indojonischen Kapitälen
mit Palmette und Eierstab, der Statue eines silenartigen
Mannes, dem Urbild des sogenannten Dickbauch-
buddha, besonders den Buddhastatuen, die aus dem
griechischen Apollo hervorgewachsen sind. Von spe-
zifischem Interesse war die Darlegung der Verbindungs-
straße, auf welcher die gräkobuddhistische Periode, die
auf die persisch und hellenistisch beeinflußte Epoche
folgt, nach Ostturkestan führt und sie durch diese
zentralasiatische Vermittelung mit ganz Ostasien ver-
bindet.

M. Schmid (Aachen) rühmte in seinem Vortrage
über »Hochschulmuseen und kunstgeschichtlichen Unter-
richt« die Errungenschaften, die er mit der von Prof.
Reif gestifteten und von ihm geleiteten Kopiensamm-
lung in Aachen gemacht habe. Es ist eine alte Klage,
daß die Kunsthistoriker zu wenig technischen Unter-
richt, zu wenig Ausbildung im Sehen und Betrachten
von Kunstwerken besitzen. Diesem Mißstand abzu-
helfen, will Schmidt den bereits bestehenden Museen
und Sammlungen, die anderen Zwecken wie Be-

wahrung von Kunstobjekten, Studium für Fort-
geschrittene und Fertige dienten, noch eine weitere
Art angliedern, Museen mit Kopien zum Elementar-
unterricht für Anfänger in künstlerisch-technischer
Ausbildung, da Sammlungen von Originalen für
Lehrzwecke viel zu teuer kämen.

Von Schubert-Soldern (Dresden) erstattete ein Re-
ferat über den ihm bezw. einer Kommission auf dem
letzten Kongreß erteilten Auftrag, eine Systematik der
Kunstwissenschaften zu bearbeiten. Eine solche
Systematik kann aprioristisch aus dem Wesen der
Kunstgeschichte als Wissenschaft abgeleitet werden.
Die Erfahrung zeigt, daß eine solche theoretische
Systematik keineswegs in allem den Forderungen einer
praktischen Zwecken wiez. B. der Bibliographie dienen-
den Systematik entspricht, davon abgesehen, daß bei
der letzteren noch andere Schwierigkeiten, wie die
Unsicherheit in der Auffassung von Haupt- und Hilfs-
wissenschaften, die individuelle Verschiedenheit der
einzelnen Autoren in Betracht kommt, von Schubert-
Soldern bearbeitete daher lediglich als Unterlage für
die Jahresberichte ein aus den genannten Gesichts-
punkten kompromißartig zusammengefügtes System,
dem, abgesehen von einigen Verbesserungsvorschlägen
in Details, von den anwesenden Fachleuten Beifall
gezollt wurde.

Die beiden folgenden Vorträge befaßten sich mit
den Hilfswissenschaften der Kunstgeschichte. vonRähl-
mann (Weimar) orientierte über die Resultate, die sich
aus der Anwendung der Mikroskopie und Mikrochemie
für die Kunstgeschichte ergeben. Die Maltechnik der
alten Meister, beurteilt nach der mikroskopischen Unter-
suchung von Bruchstücken ihrer Gemälde, läßt sich
nach diesen Forschungen exakt bestimmen. Man legt
das Bruchstückchen eines Gemäldes unter das Mikro-
skop und kann dann im Querschnitt des Bruchstückchens
alle Schichten des Farbenauftrags, die Mischungsarten,
Substanzen, Medien der einzelnen Farben erkennen.
Dies wird bei den alten Meistern erheblich leichter,
weil deren Farbenzerreibung bedeutend gröber war,
als dies bei den modernen Farben der Fall ist. Die
praktischen Ergebnisse dieser Farbenmikroskopie sind
Klassifizierung bestimmter Malschulen nach der Farben-
technik, exakte Bestimmung von Übermalung und
Scheidung von echt und falsch. Zur Demonstration
verwandte von Rählmann ein sogenanntes Epidiaskop,
das die Firma Zeiß in Jena konstruiert und dem
Kongreß zur Verfügung gestellt hatte. Aus der
Reihe der bereits gewonnenen Resultate hob von Rähl-
mann die merkwürdige Beobachtung hervor, daß
zwischen der Technik der pompeianischen Wand-
gemälde und jener der Fassung mittelalterlicher Holz-
statuen eine auffallende Ähnlichkeit bestehe. Dies
beruhe nicht auf Zufall, sondern höchst wahrschein-
lich auf einer alten Tradition, die noch das Mittel-
alter hindurch lebendig gewesen sei.

W. Waetzoldt (Berlin) machte Vorschläge zur
Farbenterminologie, zu denen er auf dem letzten Kon-
greß beauftragt worden war. Die Terminologie be-
zweckt die rein praktische Nomenklatur der Farben
für die Kunstgeschichte. Dementsprechend müssen
 
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