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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0030

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Neues aus Belgien

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schon in Dalmatien genossen haben muß, aber dann auf
die eine oder die andere Weise den Einfluß von Agostino
di Duccio erfahren habe. Er meint, daß man sich wohl
den jungen Künstler als Gehilfen bei dem toskanischen
Meister, welcher in Rimini am Tempio Maletestiano seit
1446 arbeitete, denken könnte. Überhaupt gehört diese
Biographie des Francesco Lauräna zu den besten und
originellsten Kapiteln des ganzen Buches, welches mit
Besprechungen des Antonio Rizzo aus Verona, des Pietro
Lombardi und der römischen Renaissancebildhauer ab-
schließt. Nach dem Tode des Bartolomeo Buon kam
der Veronese Antonio Rizzo nach Venedig. Wir haben
Nachrichten, daß er 1465 in der Certosa in Pavia arbeitete
und dann noch zwei Jahre später für den Bau dort aus
Venedig sorgte. Venturi meint, daß das Grabdenkmal des
Dogen Francesco Foscari in Santa Maria gloriosa dei Ferari
und das andere von Orstalo Giustinian einst in S. Andrea,
wohl als seine ersten Arbeiten in Venedig anzusehen sind.
Im gleichen Jahre, 1483, in welchem er sich an die Aus-
führung des Grabmals des Giovanni Emo machte, wurde
er als Baumeister des Dogenpalastes angestellt und machte
sich da an die Ausschmückung des Arco Foscari. Venturi
prüft verschiedene plastische Werke, die dem Rizzo zuge-
schrieben werden. Die Büste des Carlo Zen im Museo
Correr erkennt er als Werk des Giovanni Dalmata und
die Mannesbüste daselbst mit der mächtigen Perücke als
eine umgearbeitete Totenmaske.

Zu den originellsten Erscheinungen in der Geschichte
der venezianischen Plastik ist die Einwanderung der lom-
bardischen Bildhauer zu zählen, gegen die die einheimischen
zurückgesetzten 1491 sich beim hohen Rat beschwerten.
Pietro Lombardo da Corona, welcher 1498 nach Rizzos
Flucht Baumeister des Dogenpalastes wurde und seine
Söhne und Gehilfen: Antonio e Nello Lombardi, Alessandro
Leopardi und Lorenzo Bregno.

In Rom sind die einheimischen Bildhauer der zweiten
Hälfte des Quattrocento ganz und gar im Banne der
Antike. Paolo di Mariano di Tuccio Taccone, genannt
Paolo Romano, ist in seiner Art ein Wiederbeleber der
antiken Formen. Die Figuren der Fortitudo und der Vik-
toria, die ihm Venturi am Alphonsbogen in Neapel zu-
schreibt, sein Peter und Paulus in St. Peter und noch
mehr sein hl. Paulus an der Engelsbrücke und sein
hl. Andrea vor Ponte Molle zeigen uns, daß er ein
ernster Künstler war, der wohl die Werke der Antiken mit
großer Liebe studierte, aber das Studium der Natur nicht
vernachlässigte. Venturi glaubt ihm das große Relief mit
dem Gekreuzigten im Hof von Santa Maria in Monserrato
geben zu können. Nicht minder von der Antike beeinflußt
sind die Bildhauer, welche das Ziborium von Sixtus IV.
mit den Szenen aus dem Leben der Apostel schmückten.
Diese ganze römische Quattrocentotradition hat ihre letzte
Blüte in Giancristoforo d'Isaia di Pippo de' Oanti, dessen
römische Art durch den starken lombardischen Einfluß,
den Andrea Bregno auf ihn ausübte, verfeinert wurde.

Feä. Hermanin.

NEUES AUS BELGIEN
Das Lütticher Museum wird demnächst um ein
interessantes Stück bereichert werden. Die belgische »Ge-
sellschaft für die Geschichte des Protestantentums« hat
beschlossen, der Stadt Lüttich eine Kopie des angeblichen
Bildes der Gattin Calvins zum Geschenk zu machen und
auf diese Weise den 400. Geburtstag des großen Refor-
mators (10. Juli 1509) entsprechend zu ehren. Das Original
befindet sich im Museum von Douai, dem es Dr. Escallier
im Jahre 1857 überwies. Das Ölbild mißt 34 X 27 cm.
Idelette de Bure, in erster Ehe an den Wiedertäufer Jean

Stordeur verheiratet, war in der Tat Belgierin und zwar
aus Lütlich gebürtig, wo ihre Familie der Stadtverwaltung
zahlreiche Amtspersonen lieferte. Jean Stordeur mit Frau
und Kindern entkam glücklich im Jahre 1531 den Folgen
des sogenannten Aufstandes der Rivageois. Er schlug sich
nach Genf durch, von wo er durch die Calvinisten aus-
gewiesen wurde. Er starb dann in Straßburg an der Seuche,
nachdem er von dem ebenfalls dorthin verjagten Calvin zu
dessen Lehren bekehrt worden war. Idelette Stordeur
wurde bald nach dem Tode ihres Gatten das Weib Calvins
und starb tiefbeklagt von dem Reformator nach 7V2 jähriger
glücklicher Ehe mit ihm. Das Bild von Douai stellt sie
als schlanke junge Dame mit reinen und regelmäßigen
Zügen, mit stark entwickelter Stirn, vorspringenden Augen
und langer Nase dar. Idelette de Bure hat auf demselben
kastanienfarbene Haare und braungraue Augen. Ihre Haut
war auffallend blaß. Auf dem Bilde ist sie in einem
schwarzen Samtkleide mit einer Bordüre von Goldknöpfen
abgebildet. Ein silberner Halbbogen hält am Haar einen
schwarzen Schleier fest. An Schmucksachen trägt Idelette
eine silberne Perlenkette, deren einzelne Glieder durch
Goldornamente verbunden sind; ferner eine vergoldete
Gürtelkette. Die Ärmelkrausen aus weißer Seide und Tüll
werden an den Handgelenken durch goldene Spangen ab-
geschlossen. Die Identität des Bildes scheint beglaubigt
durch zwei Originalhandschriften. Die eine befindet sich
in gelblicher Farbe auf der Rückseite des Bildes, die zweite
kaum lesbar in einer Ecke des Porträts. Sie sind von der-
selben Hand hingeschrieben und lauten: »Frau des Jan
Caluein«. Es fragt sich aber trotzdem, ob die hier por-
trätierte Dame wirklich Idelette de Bure ist. Ihr Kostüm
entspricht allerdings dem der belgischen Frauen ihres Standes
aus jener Zeit. Ist es das Porträt Idelettes, so muß es
noch aus ihrer Lütticher Zeit stammen, denn es ist kaum
anzunehmen, daß sie als Gattin Calvins mit den vielen
Schmucksachen in Genf hätte paradieren und sich por-
trätieren lassen dürfen.

Neuere Untersuchungen des belgischen Forschers und
Archäologen A. Boghaert-Vache, unterstützt von gleich-
artigen Meinungen von E. Doumergue, Doyen der
protestantischen Fakultät Frankreichs; Desire Chaineux,
hervorragenden Archäologen und Zeichner der Comedie
francaise, lassen es mehr denn zweifelhaft erscheinen, daß
dieses Bild des Museums von Douai wirklich Idelette de
Bure darstellt. Pastor Rey in Lüttich, der gerade mit der
Abfassung der Lebensgeschichte der Gattin des großen
schweizer Reformators beschäftigt ist, scheint allerdings
anderer Meinung zu sein. Pastor Rey behauptet, daß die
letzte Ziffer einer Jahreszahl — 7 — noch auf dem Douai-
Bilde hinter der Bezeichnung »Femme de Jan Caluein«
zu erkennen ist. A. Boghaert-Vache schlägt vor, die ver-
löschten Ziffern durch den brüsseler gerichtlichen Photo-
graphen wieder hervorzaubern zu lassen. Bis dahin mag
diese interessante Polemik auf sich beruhen!

Das Curtius-Museum in Lüttich. Der kürzlich zu
Ende gegangene 31. Kongreß des Verbandes der belgischen
archäologischen und geschichtlichen Gesellschaften in Lüt-
tich hat im Curtius-Hause dieser Stadt ein archäologisches
Museum eingeweiht. Die meisten Leser werden sicher
von der Nachricht überrascht sein, daß dieser in Deutsch-
land in den weitesten Kreisen bekannte, lateinisch klingende
Name Curtius auch, und zwar in sehr stilvoller Weise, in
der wallonischen Hauptstadt Belgiens vertreten ist. Das
Hotel Curtius ist in der Tat eines der schönsten dortigen
Denkmäler der bürgerlichen Baukunst des 17. Jahrhunderts.
Es ist, seitdem es aufgehört, das städtische Leihhaus zu be-
herbergen, vom Stadtbaumeister Lousberg verständig re-
stauriert worden und birgt jetzt — ein wahres Juwel, sagte
 
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