log
Aussiellungen — Sammlungen
— Vermischtes — Literatur
110
säugenden Maria mit goldblondem Haar. Als Typus ist
es für das Werk des Petrus Cristus neu. Zeitlich zählt
es zu den frühesten Schöpfungen des Meisters und ist im
gleichen Jahre wie der heilige Eligius in der Sammlung
A. Oppenheim entstanden.
AUSSTELLUNGEN
Eine Otto Reiniger-Gedächtnisausstellung ist im
Stuttgarter Museum der bildenden Künste am 7. No-
vember eröffnet worden. Es sind gegen hundert Bilder
aus Staats- und Privatbesitz und aus dem Nachlaß des
Künstlers zusammengestellt. Den Hauptteil bilden die land-
schaftlichen Motive, einige wenige Porträts, Bilder seiner
Kinder, sind ebenfalls vorhanden. Ein illustrierter Aufsatz
wird in Kürze in unserer »Zeitschrift für bildende Kunst«
darüber veröffentlicht werden.
Das Kunstgewerbemuseum in Berlin hat eine
Sonderausstellung von heutigen deutschen Metallar-
beiten (Silber und andere Materialien) eröffnet, die bis
Weihnachten währen wird.
Eine Erste internationale Jagdausstellung wird von
Mai bis Oktober nächsten Jahres in Wien stattfinden. Es
wird auch ein großer Pavillon gebaut, der das Kunstgewerbe
und die vervielfältigende Kunst beherbergen soll.
SAMMLUNGEN
In Kiel ist die neue Kunsthalle, die mit einem Kosten-
aufwand von über eine halbe Million Mark an der präch-
tigen Düsternbroker Allee erbaut ist, am 15. November
eingeweiht worden. Damit ist einem langen Provisorium ein
Ende gemacht worden. Die Eröffnungsausstellung um-
faßt auserlesene Sammlungen schleswig-holsteinischer
Künstler, die zum Teil aus diesem Anlaß aus Privatbesitz
beschafft worden sind. Olde, Dettmann, Feddersen, Leipold,
Alberts, Burmester, Wilkens, Illies, der Bildhauer Brütt
und andere sind mit geschlossenen Ausstellungen vertreten,
wie man sie sonst wohl noch nicht gesehen hat. Dazu
kommt eine große Kalckreuth-Ausstellung, zu der auch die
Hamburger Kunsthalle einige ihrer Hauptwerke geliehen hat.
Im Kupferstichkabinett in Stuttgart werden die neu
hergerichteten Räume mit Beginn des nächsten Jahres dem
Publikum wieder zugänglich sein. Als Ergänzung der
Sammlung sind wechselnde Ausstellungen geplant, deren
jährlich vier stattfinden sollen. Zunächst wird eine Aus-
stellungsfolge »Die graphische Kunst unserer Zeit« abge-
halten werden, die mit den Stuttgarter Künstlern beginnen
soll. In dem gleichfalls neu hergerichteten Studiensaal wird
eine Ausstellung enthalten sein, die die Verfahren der
druckgraphischen Künste vorführt.
VERMISCHTES
Das Kgl. Gymnasium zu Würzen i. S. hat einen
soeben vollendeten Schmuck erhalten, der besonderer Her-
vorhebung wert ist; nicht viele deutsche Gymnasien werden
sich einer so bedeutend dekorierten Aula erfreuen können.
Professor Max Seliger, der Direktor der Leipziger Akademie
für Buchgewerbe, hatte den Auftrag erhalten, für die beiden
Schmalwände der Aula dieses Gymnasiums große Wand-
gemälde zu schaffen. Er hat seine Aufgabe in einer Weise
gelöst, die ihm allseitig ehrenvollsten Beifall eingetragen
hat. Es sind zwei Bilder, jedes etwa fünf Meter hoch und
acht Meter breit, ausgeführt in Kaseintechnik direkt an der
Wand. Auf dem einen leitet Mars die Spiele der Jüng-
linge, auf dem andern unterrichtet Sokrates die Jugend.
Geschickt sind die Größen- und Raumvethältnisse der
Bilder mit dem durchschnittlichen Abstand des Beschauers
so in Einklang gebracht, daß eine glückliche perspektivische
Wirkung erzielt ist. Auf dem Gemälde des Sokrates bildet
der Meister, der mit anschaulicher und feiner Geste einen
Jüngling belehrt, das Zentrum; auf ihn richten sich die
Blicke der im Halbkreise sitzenden Jünglinge, die nach
außen drängen und so Anlaß zur Darstellung schönster
Überschneidungen geben. Auf dem Gegenbild steht Mars
im goldenen Helm und rotem Mantel hoch auf einem
Felsblock am Meeresgestade; links eine besonders gut ge-
glückte Gruppe von Bogenschützen; rechts Preisrichterund
Läufer. — Die Wirkung der Bilder wird noch dadurch
wesentlich gesteigert, daß Seliger die vorhandene malerische
und architektonische Ausgestaltung des Raumes, soweit es
möglich war, seiner Schöpfung angepaßt hat.
Anläßlich der Notiz in der Kunstchronik igog'10 Nr. 3
vom 22. Oktober über den Prozeß gegen den Baseler
Maler Eduard Rüdisühli erfahren wir folgendes, was
unsere Mitteilung ergänzt: Das Appellationsgericht erkannte
an, daß starke Verdachtsgründe vorliegen, daß aber ein
die Verurteilung hinreichend rechtfertigender Beweis für
die Schuld des Malers nicht erbracht ist. Ferner, daß er
sich den Verdacht in fahrlässiger Weise selbst zugezogen
habe, weshalb er trotz Freispruch jedenfalls zur Tragung
der Kosten verurteilt wird. — Die Sachverständigen der
Hauptverhandlung waren darüber einig, daß eine gewisse
Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Bildern und denen
E. Rüdisühlis besteht; nur über den Grad und die daraus
zu ziehenden Schlüsse herrschte Meinungsverschiedenheit.
Jubiläumsmedaille. Im November dieses Jahres be-
geht die Brüsseler Universität die Feier ihres fünfundsiebzig-
jährigen Bestehens. Die Verwaltung läßt zu dieser Ge-
legenheit eine Medaille herstellen, deren Ausführung dem
auf dem Gebiete der Plaketten und Denkmünzen hervor-
ragenden belgischen Bildhauer Godefroid De Vreese über-
tragen wurde. Diese Medaille stellt auf der Vorderseite
in Gestalt zweier vornehm ausgeführter Frauenfiguren den
Kampf der Wissenschaft gegen die Unwissenheit dar und
trägt die Unterschrift: »Die Wissenschaft siegt über die
finsteren Gewalten«. a. r.
LITERATUR
Altkunst—Neukunst. Wien 1894—1908. Von Ludwig
Hevesi. Verlag von Carl Konegen, Wien 190g.
Die Härte der Pflicht, vom Tage für den Tag über
die Lebenserscheinungen der Kunst schreiben zu müssen,
und die Überfülle solcher gedruckten Berichterstattung,
haben den Wert der Spezies »Kunstreferent« im Kurse sinken
gemacht. Die fein ausgereiften Salonberichte alter Zeit
pflegen wir dagegen heute wie rare Vögel zu konservieren
und als nachahmenswerte Beispiele in unseren Kabinetten
aufzustellen.
Und doch liegt in dieser heutigen Art, die Tages-
schriftsteller ein wenig über die Achsel anzuschauen, eine
schwere Ungerechtigkeit, d. h. wenn man eben solches
Urteil auch auf die besten ihrer Klasse, auf die Fortpflanzer
guter alter Tradition, ausdehnt. Vielleicht werden sich die
gelehrten Kunsthistoriker anno 2000 bei ihren Studien über
das ig. Jahrhundert von den Resten der heutigen Tages-
schriftstellerei dankbar nähren.
So eine Empfindung wenigstens hat man, wenn man
die Auswahl der Kritiken und Studien durchblättert, die
Ludwig Hevesi zum ersten Male vor einigen Jahren unter
dem Titel »Acht Jahre Sezession« und jetzt wieder als
eine neue Ernte in dem Sammelband »Altkunst—Neukunst«
hat erscheinen lassen. Da kommt zuerst eine Arbeit über
die Wiener Kongreßausstellung von 1896, die in sieben
rasch hintereinander geschriebenen Kapiteln auf vierzig
Druckseiten eine derartige Fülle von Details zusammenträgt
(vom kulturellen Ton und Blick ganz zu schweigen), daß
man sich fragt: Wo hat der Mann das alles her? Denn
Aussiellungen — Sammlungen
— Vermischtes — Literatur
110
säugenden Maria mit goldblondem Haar. Als Typus ist
es für das Werk des Petrus Cristus neu. Zeitlich zählt
es zu den frühesten Schöpfungen des Meisters und ist im
gleichen Jahre wie der heilige Eligius in der Sammlung
A. Oppenheim entstanden.
AUSSTELLUNGEN
Eine Otto Reiniger-Gedächtnisausstellung ist im
Stuttgarter Museum der bildenden Künste am 7. No-
vember eröffnet worden. Es sind gegen hundert Bilder
aus Staats- und Privatbesitz und aus dem Nachlaß des
Künstlers zusammengestellt. Den Hauptteil bilden die land-
schaftlichen Motive, einige wenige Porträts, Bilder seiner
Kinder, sind ebenfalls vorhanden. Ein illustrierter Aufsatz
wird in Kürze in unserer »Zeitschrift für bildende Kunst«
darüber veröffentlicht werden.
Das Kunstgewerbemuseum in Berlin hat eine
Sonderausstellung von heutigen deutschen Metallar-
beiten (Silber und andere Materialien) eröffnet, die bis
Weihnachten währen wird.
Eine Erste internationale Jagdausstellung wird von
Mai bis Oktober nächsten Jahres in Wien stattfinden. Es
wird auch ein großer Pavillon gebaut, der das Kunstgewerbe
und die vervielfältigende Kunst beherbergen soll.
SAMMLUNGEN
In Kiel ist die neue Kunsthalle, die mit einem Kosten-
aufwand von über eine halbe Million Mark an der präch-
tigen Düsternbroker Allee erbaut ist, am 15. November
eingeweiht worden. Damit ist einem langen Provisorium ein
Ende gemacht worden. Die Eröffnungsausstellung um-
faßt auserlesene Sammlungen schleswig-holsteinischer
Künstler, die zum Teil aus diesem Anlaß aus Privatbesitz
beschafft worden sind. Olde, Dettmann, Feddersen, Leipold,
Alberts, Burmester, Wilkens, Illies, der Bildhauer Brütt
und andere sind mit geschlossenen Ausstellungen vertreten,
wie man sie sonst wohl noch nicht gesehen hat. Dazu
kommt eine große Kalckreuth-Ausstellung, zu der auch die
Hamburger Kunsthalle einige ihrer Hauptwerke geliehen hat.
Im Kupferstichkabinett in Stuttgart werden die neu
hergerichteten Räume mit Beginn des nächsten Jahres dem
Publikum wieder zugänglich sein. Als Ergänzung der
Sammlung sind wechselnde Ausstellungen geplant, deren
jährlich vier stattfinden sollen. Zunächst wird eine Aus-
stellungsfolge »Die graphische Kunst unserer Zeit« abge-
halten werden, die mit den Stuttgarter Künstlern beginnen
soll. In dem gleichfalls neu hergerichteten Studiensaal wird
eine Ausstellung enthalten sein, die die Verfahren der
druckgraphischen Künste vorführt.
VERMISCHTES
Das Kgl. Gymnasium zu Würzen i. S. hat einen
soeben vollendeten Schmuck erhalten, der besonderer Her-
vorhebung wert ist; nicht viele deutsche Gymnasien werden
sich einer so bedeutend dekorierten Aula erfreuen können.
Professor Max Seliger, der Direktor der Leipziger Akademie
für Buchgewerbe, hatte den Auftrag erhalten, für die beiden
Schmalwände der Aula dieses Gymnasiums große Wand-
gemälde zu schaffen. Er hat seine Aufgabe in einer Weise
gelöst, die ihm allseitig ehrenvollsten Beifall eingetragen
hat. Es sind zwei Bilder, jedes etwa fünf Meter hoch und
acht Meter breit, ausgeführt in Kaseintechnik direkt an der
Wand. Auf dem einen leitet Mars die Spiele der Jüng-
linge, auf dem andern unterrichtet Sokrates die Jugend.
Geschickt sind die Größen- und Raumvethältnisse der
Bilder mit dem durchschnittlichen Abstand des Beschauers
so in Einklang gebracht, daß eine glückliche perspektivische
Wirkung erzielt ist. Auf dem Gemälde des Sokrates bildet
der Meister, der mit anschaulicher und feiner Geste einen
Jüngling belehrt, das Zentrum; auf ihn richten sich die
Blicke der im Halbkreise sitzenden Jünglinge, die nach
außen drängen und so Anlaß zur Darstellung schönster
Überschneidungen geben. Auf dem Gegenbild steht Mars
im goldenen Helm und rotem Mantel hoch auf einem
Felsblock am Meeresgestade; links eine besonders gut ge-
glückte Gruppe von Bogenschützen; rechts Preisrichterund
Läufer. — Die Wirkung der Bilder wird noch dadurch
wesentlich gesteigert, daß Seliger die vorhandene malerische
und architektonische Ausgestaltung des Raumes, soweit es
möglich war, seiner Schöpfung angepaßt hat.
Anläßlich der Notiz in der Kunstchronik igog'10 Nr. 3
vom 22. Oktober über den Prozeß gegen den Baseler
Maler Eduard Rüdisühli erfahren wir folgendes, was
unsere Mitteilung ergänzt: Das Appellationsgericht erkannte
an, daß starke Verdachtsgründe vorliegen, daß aber ein
die Verurteilung hinreichend rechtfertigender Beweis für
die Schuld des Malers nicht erbracht ist. Ferner, daß er
sich den Verdacht in fahrlässiger Weise selbst zugezogen
habe, weshalb er trotz Freispruch jedenfalls zur Tragung
der Kosten verurteilt wird. — Die Sachverständigen der
Hauptverhandlung waren darüber einig, daß eine gewisse
Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Bildern und denen
E. Rüdisühlis besteht; nur über den Grad und die daraus
zu ziehenden Schlüsse herrschte Meinungsverschiedenheit.
Jubiläumsmedaille. Im November dieses Jahres be-
geht die Brüsseler Universität die Feier ihres fünfundsiebzig-
jährigen Bestehens. Die Verwaltung läßt zu dieser Ge-
legenheit eine Medaille herstellen, deren Ausführung dem
auf dem Gebiete der Plaketten und Denkmünzen hervor-
ragenden belgischen Bildhauer Godefroid De Vreese über-
tragen wurde. Diese Medaille stellt auf der Vorderseite
in Gestalt zweier vornehm ausgeführter Frauenfiguren den
Kampf der Wissenschaft gegen die Unwissenheit dar und
trägt die Unterschrift: »Die Wissenschaft siegt über die
finsteren Gewalten«. a. r.
LITERATUR
Altkunst—Neukunst. Wien 1894—1908. Von Ludwig
Hevesi. Verlag von Carl Konegen, Wien 190g.
Die Härte der Pflicht, vom Tage für den Tag über
die Lebenserscheinungen der Kunst schreiben zu müssen,
und die Überfülle solcher gedruckten Berichterstattung,
haben den Wert der Spezies »Kunstreferent« im Kurse sinken
gemacht. Die fein ausgereiften Salonberichte alter Zeit
pflegen wir dagegen heute wie rare Vögel zu konservieren
und als nachahmenswerte Beispiele in unseren Kabinetten
aufzustellen.
Und doch liegt in dieser heutigen Art, die Tages-
schriftsteller ein wenig über die Achsel anzuschauen, eine
schwere Ungerechtigkeit, d. h. wenn man eben solches
Urteil auch auf die besten ihrer Klasse, auf die Fortpflanzer
guter alter Tradition, ausdehnt. Vielleicht werden sich die
gelehrten Kunsthistoriker anno 2000 bei ihren Studien über
das ig. Jahrhundert von den Resten der heutigen Tages-
schriftstellerei dankbar nähren.
So eine Empfindung wenigstens hat man, wenn man
die Auswahl der Kritiken und Studien durchblättert, die
Ludwig Hevesi zum ersten Male vor einigen Jahren unter
dem Titel »Acht Jahre Sezession« und jetzt wieder als
eine neue Ernte in dem Sammelband »Altkunst—Neukunst«
hat erscheinen lassen. Da kommt zuerst eine Arbeit über
die Wiener Kongreßausstellung von 1896, die in sieben
rasch hintereinander geschriebenen Kapiteln auf vierzig
Druckseiten eine derartige Fülle von Details zusammenträgt
(vom kulturellen Ton und Blick ganz zu schweigen), daß
man sich fragt: Wo hat der Mann das alles her? Denn