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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0216

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415

Vermischtes — Forschungen

416

Gegenbeispiel nebeneinander stellte, welchen Umfang das
Zerstören des Alten und das stil- und geschmacklose Neu-
bauen schon angenommen hat. Die dargebotenen Licht-
bilder bestätigten den Eindruck, der sich dem Fremden hier
stets aufdrängt, nämlich daß der Unterschied zwischen dem
Alten und Neuen nicht so groß ist, wie in den anderen
Ländern des Festlandes, wo man mit dem Alten meistens
völlig gebrochen hat, schon durch Einführung des Miets-
kasernensystems, das in Holland nicht besteht, denn man
baut hier im großen Ganzen noch beinahe genau so wie vor
dreihundert Jahren; doch zeigt sich bei näherer Betrach-
tung der Unterschied noch groß genug. Während das Alte,
auch wenn es wie die gewöhnlichen Bürgerhäuser der
Städte, ganz schmucklos und nüchtern ist, durchgängig
malerisch wirkt, Gemüt und Intimität verrät, ist das Neue
tot, kalt und monoton; haben die alten Häuser Charakter,
zeigen sie Kraft und Solidität, so erscheinen die modernen
Bauten charakterlos, unwahr und falsch; ist der Schmuck
der alten Häuser, an den launigen Giebeln etwa, organisch
und diskret, so scheinen die Türmchen, Balkone oder Erker
bei den modernen angeklebt, später aufgesetzt und auf-
dringlich; wirken die engen krummen Gassen der alten
Stadtteile mit ihren schummerigen Halbdunkel wohltuend
für das Auge, so sucht das Auge in den modernen, gerad-
linigen, langen, breiten Straßenzügen, denen jeder Abschluß
fehlt, vergebens nach einem Ruhepunkt, und tritt das Stil-
lose der Konstruktion und das Unharmonische der schrei-
enden bunten Farben in dem hellen Licht um so schärfer
hervor. In einigen Punkten ging der Redner vielleicht zu
weit; wenn er nämlich der alten einfachen Steinbrücke über
die Maas in Maastricht die eiserne Brücke über denselben
Fluß in Rotterdam gegenüberstellte, oder wenn er meinte,
daß durch einen neu errichteten Gaskessel am Weichbilde
der Stadt Amsterdam die Landschaft dort verdorben würde,
so verkannte er die Schönheit, die auch in so modernen
Eisenkonstruktionsbauten liegen kann, wenn sie rein zweck-
mäßig gebaut sind und das Logische der Konstruktion
offen zutage liegt. Das ist überhaupt die Gefahr einer
Bewegung, wie die des Heimatschutzes, daß sie zu leicht
einer falschen Romantik zuneigt, die das Alte nur deshalb
schön findet, weil es alt ist, wegen des Mehrs von Erinne-
rungsbildern, die es naturgemäß wecken muß, und das
Neue nur deshalb häßlich, weil es neu und ungewohnt
ist, unfähig die auch dem Neuen, wenn es nur logisch und
aufrichtig ist, innewohnende Schönheit zu würdigen; eine
moderne Lokomotive kann ebenso poetisch wirken wie eine
Postkutsche aus der »guten alten Zeit« und ein rauchender
Fabiikschlot braucht nicht notwendig häßlicher zu sein als
eine sich drehende Windmühle. m. d. h.

VERMISCHTES
Zur Förderung heimatlicher Bauweise in der Pro-
vinz Brandenburg hat der Architektenverein in Berlin
einen Ausschuß für das Bauwesen in Stadt und Land ein-
gesetzt. Der Ausschuß will in der Mark Brandenburg dem
weiteren Umsichgreifen der heute üblichen »Vorortskunst«
entgegenarbeiten und sucht das Ziel durch eine umfang-
reiche aufklärende Tätigkeit über das Wesen der neueren
Baubestrebungen und ihre Bedeutung für unser gesamtes
Kulturleben zu erreichen. Hierzu werden besonders in
den mittleren und kleineren Städten der Provinz Lichtbilder-
vorträge veranstaltet und Flugblätter gemeinverständlichen
Inhalts verbreitet.

Ein neuer Katalog von Whistlers radiertem Werk

ist im Auftrage des Grolier-Club in New York von Edward
G. Kennedy bearbeitet worden. An Vollständigkeit war
das Werk von Howard Mansficld, das der Caxton-Club
in Chicago 1909 herausgab, kaum mehr zu übertreffen,
Kennedy beschreibt nur ein Blatt mehr. Auch die oft sehr
zahlreichen Zustände der Radierungen Whistlers waren
bereits von Mansfield mit äußerster Akribie bestimmt
worden. Aber gerade diese Sorgfalt erschwerte die prak-
tische Benutzbarkeit des Kataloges, da es oft unmöglich
ist, nach bloßer Beschreibung die geringen Unterschiede
zweier aufeinander folgender Zustände mit Sicherheit fest-
zustellen, wenn man nicht Drucke eines jeden zur Ver-
fügung hat. Dem hilft die neue Publikation ab, indem
sie Abbildungen nahezu sämtlicher Radierungen in allen
Zuständen beigibt. Rovinskys Rembrandtwerk ist bisher
das einzige Beispiel einer solchen Publikation, die in jeder
Hinsicht das Muster eines modernen Oeuvre-Kataloges
darstellt. Bedauerlich ist nur, daß Kennedy wieder eine
neue Nummernfolge einführt, so daß mit dem alten Wed-
more-Katalog nun bereits die dritte Numerierung des
Whistler-Werkes vorliegt. Voraussichtlich wird diese aber
nun wohl die endgültige bleiben, da die großartige Publi-
kation des Grolier-Club in keiner Weise mehr zu über-
treffen sein dürfte. o.

Die große Veröffentlichung der Handzeichnungen
von Albrecht Dürer, die der frühere Direktor des Ber-
liner Kupferstichkabinetts Dr. Friedrich Lippmann, heraus-
gab, und die bisher in fünf Foliobänden mehr als 500
Skizzen und Studien des Meisters enthält, soll jetzt fortge-
setzt werden. Ein sechster Band, der in den letzten Jahren
neu aufgetauchte Blätter und auch die aus kleineren, Lipp-
mann unbekannt gebliebenen Sammlungen, besonders Ita-
liens enthält, befindet sich in Vorbereitung.

FORSCHUNGEN

® Für das Marienbild auf Grünewalds Isenheimer
Altar gibt Konrad Lange im Repertorium für Kunstwissen-
schaft (XXXIII, Heft 2) eine neue Deutung. Er scheidet
die scheinbar gleich der Kreuzigung der Außenflügel zu
einem einheitlichen Bilde zusammengehende Darstellung
der Innenflügel in zwei selbständige Teile und kommt so
über die noch ungelöste Schwierigkeit hinweg, daß Maria
innerhalb eines Bildes zweimal erscheint. Die Darstellung
des linken Flügels, das Engelkonzert mit der knienden
Maria, die in der Reihenfolge der Tafeln zwischen Ver-
kündigung und Geburt steht, deutet er als »Mariä Erwar-
tung«, wie sie etwa in dem Marienleben des Bruders Phi-
lipp des Karthäusers ausführlich geschildert wird. Übrigens
entspricht die Expectatio B. M. V. wie die drei anderen
Darstellungen der Reihe einem Kirchenfeste, das allerdings
keines der großen und allgemeinen ist, aber doch mög-
licherweise von den Antonitern in Isenheim gefeiert wurde.

® Das vor einiger Zeit im Pantheon zu Rom aufgedeckte
Freskogemälde der Verkündigung, das Schmarsow
entgegen anderen dem Antoniazzo Romano zuschrieb, ver-
sucht Lisa von Schlegel (in L'Arte XIII, Heft 2) neuerdings
wieder als ein Werk des Melozzo da Forli zu erweisen,
ohne allerdings zwingende Gründe für diese Hypothese
ins Feld führen zu können.

Inhalt: Zwei urkundliche Notizen über Rembrandt. Von Jan Veth u. W. R. Valentiner. — Berliner Ausstellungen. Von MaxOsborn. — Aus Amerika.

— Personalien. — Moniinientaldenkmal für Bismarck an der Odermündung; Denkmal für Thomas Oatnsborough. — Ungarn auf der OroHen
Berliner Kunstausstellung; Klinger-Ausstellung in Berlin; Kunst im Leben des Kaufmanns; Kunstausstellung 1912 in Dresden; Munchener
Jahresausstellutig 1910; Ausstellung von Studienmaterial zur Florabüste; Ausstellung der Werke von J. Alberts in Flensburg; Ertrag der
Berliner Französischen Ausstellung; Dupont-Ausstellung in Amsterdam. — Louvre und Luxembourg. — Historischer Verein für Oberbayern ;
Bayerischer Kunstgewerbevereiu; Kgl. Arcliäolog. Oesellschaft zu Amsterdam. — Vermischtes. — Forschungen.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Naci if. o. m. b. h. Leipzig
 
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