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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Fiebiger, Otto: Carl Friedrich Schinkels bildliche Darstellungen griechischer Hypäthral-Tempel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0283

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Carl Friedrich Schinkels bildliche Darstellungen griechischer Hypäthraltempel

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für das kleine Gropiussche Theater in Berlin malte. Heute
ist davon nur noch ein erster Bleistiftentwurf vorhanden1),
das Gemälde selbst ist bedauerlicherweise untergegangen2).
Von dem Original berichten Franz Kugler3) und Gustav Fried-
rich Waagen') übereinstimmend, daß es mit möglichst
großer historischer Treue und dazu mit feinem künstle-
rischen Geschmack ausgeführt gewesen sei: Von den fast
senkrecht einfallenden Strahlen der Sonne beleuchtet, habe
das Bild der Gottheit reizvolle Schatten geworfen, während
der Widerschein der Strahlen die Säulengänge spielend
erhellte. Wir nehmen heute als feststehend an, daß der
Zeustempel zu Olympia seiner ganzen Ausdehnung nach
überdacht war, und daß ausschließlich das durch die Cella-
tür einfallende Licht sein Inneres erhellte6). Dem Ein-
tretenden muß infolgedessen das Bild des Gottes im Hinter-
grunde in ein geheimnisvolles Halbdunkel gehüllt erschie-
nen sein. Wenn Schinkel die Cella des olympischen Heilig-
tums vom Sonnenlicht durchflutet malte, so entsprach diese
Auffassung einmal den Anschauungen der zeitgenössischen
Altertumsforscher, ebenso sehr aber auch der ihm eigenen
Vorliebe für wunderbare Lichtwirkungen6).

Zwei weitere Innenansichten griechischer Hypäthren
finden sich unter den wahrhaft künstlerischen Theaterdeko-
rationen, die Schinkel in den Jahren 1815—1828 mit voll-
endeter Meisterschaft für die Berliner Hofbühne entwarf).
Sie entstanden auf Anregung von Schinkels Gönner und
Freunde, des am 10. Februar 1815 zum General-Intendanten
der Königlichen Schauspiele ernannten Grafen von Brühl8),
der im Gegensatze zu seinem Vorgänger im Amte, dem
als Schauspieler wie Dichter gleich berühmten Iffland, cha-
rakteristische, d. h. historische getreue, der jeweiligen Hand-
lung angepaßte und dabei stimmungsvolle Dekorationen für
künstlerisch einwandfreie Theateraufführungen als unerläß-
lich bezeichnete. In den von dem Grafen 1819 veröffent-
lichten, für die damalige Zeit hochbedeutsamen Leitsätzen1*)
über das Wesen und den Wert künstlerischer Theaterdeko-
rationen heißt es gleich im Anfang: »Als Hauptgrundsatz
wird von der hiesigen Direktion angenommen, daß bei
jeder Dekoration das Charakteristische vorzüglich heraus-
trete; ja man könnte hier den Ausdruck: daß ein richtiges
Costume in den Dekorationen stattfinden müsse, nicht un-
füglich anwenden.« Wie glücklich Brühl sich schätzte, in
Schinkel einen Meister der Dekorationskunst zu besitzen,
besagen zwei Äußerungen des Intendanten in Briefen an
den bekannten Dresdener Archäologen und Kunstkritiker
Carl August Böttiger10). So schreibt er unter anderem am
1. März 1816: »Unser Schinkel ist fürwahr ein wirklicher
Zauberer, und ich habe mit seiner Hilfe angefangen, das
ganze bisher bestandene System der Dekorationsmalerei
über den Haufen zu werfen, wozu ich mir nicht wenig
Glück wünsche«, und weiter am 27. November 1825: »Bei

1) Aus Schinkels Nachlaß IV 576. (Berlin 1864.)

2) Ebd. II 346 (Berlin 1862.)

3) K. F. Schinkel, Eine Charakteristik seiner künstle-
rischen Wirksamkeit (Berlin 1842) 149.

4) Im Berliner Kalender auf 1844, 339 f.

5) Dörpfeld a. a. O. 341.

6) Berliner Kalender auf 1844, 325 f.

7) A. von Wolzogen, Schinkel als Architekt, Maler und
Kunstphilosoph (Berlin 1864) 89 f.

8) Joh. Val. Teichmanns literarischer Nachlaß, hrsg. von
Franz Dingelstedt (Stuttgart 1863) 124; H. von Krosigk,
Karl Graf von Brühl u. seine Eltern. (Berlin 1910) 335.

9) Abgedruckt in der neuen Auflage der »Sammlung
von Schinkels Theaterdekorationen« (Potsdam 1847—49).

10) In Bd. 20 der im Besitze der Kgl. Öffentlichen Bi-
bliothek zu Dresden befindlichen Briefe an C. A. Böttiger.

den Dekorationen ist immer Schinkels Geist einzig und
nicht zu ersetzen«J). Ferner sagt er in den oben erwähnten
für das Theaterdekorationswesen aufgestellten Grundsätzen
von Schinkel: »Zu allen Dekorationen, welche sich von
dem Allgewöhnlichen nur einigermaßen entfernen, ist der
so geniale als kenntnisreiche Geheime Oberbaurat Schinkel
stets um seinen Rat ersucht worden, und die Erfahrung
hat es gelehrt, mit wie schnellen Schritten das hiesige De-
korationswesen vorwärts gegangen und sich ganz verwan-
delt hat. Ohne Anmaßung darf man daher hoffen, daß
hier der erste Schritt zu einem ganz neuen System der
Dekorationsmalerei gemacht worden ist. Herr Schinkel ist
deshalb als Architekt vorzüglich groß und ausgezeichnet,
weil er sich vor Einseitigkeit bewahrt, alle Arten von Bau-
kunst mit gleicher Teilnahme aufgefaßt, und das Fort-
schreiten, so wie die Veränderungen im Geschmack der
Baukunst durch alle Jahrhunderte und durch alle Länder
mit Fleiß studiert hat.« Anlaß, den Theaterbesuchern das
Innere eines hypäthralen dorischen Apollotempels mit doppel-
ten Säulenreihen, reich geschmückt mit heiligem Gerät und
der gewaltigen Kolossalstatue der Gottheit in der Mitte,
im Bilde vorzuführen, gab Schinkel die von Brühl im Jahre
1817 veranstaltete Aufführung der Gluckschen Oper Alceste,
deren Schauplatz Pherä in Thessalien ist. Für den letzten
Akt der genannten Oper malte Schinkel zunächst den schauer-
lich düstern Eingang zur Unterwelt, eine öde Felsenhöhle2),
dazu bestimmt, die todesmutige Alceste aufzunehmen, und
im Gegensatz dazu für die Schlußszene das strahlende Hei-
ligtum des Lichtgottes3), in welchem die dem Leben zu-
rückgegebene Frau im Verein mit ihrem Gatten Admetos
dem göttlichen Helfer für ihre wunderbare Errettung vom
Tode dankt. Hier wo es darauf ankam, durch Gegensätze
mächtig zu wirken, war es für Schinkel geradezu geboten,
als Tempelansicht das heitere, lichte Bild eines Hypäthros
zu wählen. Die Aufführung der Alceste, die am 15. Ok-
tober 1817 anläßlich der Geburtsfeier des Kronprinzen Fried-
rich Wilhelm in Berlin erstmalig in Szene ging, wirkte in
der Tat nicht allein durch die gehaltvolle Glucksche Musik
und die vorzügliche Darstellung, sondern auch durch die
trefflichen Schinkelschen Dekorationen. So heißt es in einer
Besprechung der Aufführung in der allgemeinen musika-
lischen Zeitung*): »Die Generalintendantur hatte durch zwei
neue Dekorationen nach des Geheimen Rats Schinkel An-
gabe, den Tempel des Apollo und den Eingang zur Unter-
welt, das herrliche Werk würdig ausgestattet«, und Johann
Valentin Teichmann, Brühls trefflicher Geheimsekretär6),
berichtet darüber6): »Zum ersten Male kamen bei dieser
Gelegenheit Dekorationen und Kostüme im altgriechischen
Stile auf unsere Bühne«. Auch Goethe hebt in geiner Zeit-
schrift über Kunst und Altertum') unter Schinkels Theater-
dekorationen den Apollotempel rühmend hervor8), und Böt-
tiger sagt davon in seiner Anzeige der Dresdener Erstauf-
führung der Goetheschen Iphigenie in der Dresdener Abend-
zeitung auf 18219): »Wenn wir, das Maß unserer Bühne
erwägend, auch weit entfernt sind, hier eine Tempelszenerie

1) Vgl. dazu Rudolph Genee, National-Zeitung, Berlin,
43. Jahrg. Nr. 625 vom 19. November 1890.

2) Aus Schinkels Nachlaß IV 586.

3) Ebd. u. Sammlung von Schinkels Theaterdekora-
tionen, Taf. 31.

4) Jahrg. XIX, Nr. 47, S. 802 vom 19. Nov. 1817.

5) H. v. Krosigk a. a. O. 333.

6) Literarischer Nachlaß a. a. O. 123.

7) Bd. II, Heft 3, 1820. S. 125 ff.

8) Nicht minder günstig urteilen von Späteren Kugler
a. a. O. 129 u. Waagen 341.

9) Nr. 3 vom 3. Jan.
 
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