Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

DOI Artikel:
Graul, Richard: Kunstgewerbliche Streifzüge, [4,1]: Bemerkungen über Möbel des 17. und 18. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0010

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^unstgewerbeblatt. 3. Jahrgang.

Boulle-Ornament. Kupfer auf Schildpatt. Von einer Kommode in der Bibliotheque Mazarine in Paris.

Kunstgewerbliche ^treifzüge.

Von Nichard Graul.

Mit Jllustrationcn.

IV. Beincrkungen über Btöbel dcs s7. und s8. Iahrhunderts.
Geschnitzte Louis XIV.-Möbel.

Man mag über Ludlvig XIV. als Mäcen
urteilen, wie man wolle, die Thatsache, das; in
seiner Zeit der sranzösische Geschmack sich die
Weltherrschaft erobert hat, bleibt bestehen —
trotz aller tadelnden Stimmen. Unter ihm ent-
wand sich die französischc Kunst endgiiltig dem
Drnck der sremden Beeinslussnngen, welche unter
seinem Vorgänger, Ludwig XIII., den völligen
Durchbruch nationaler Strebungen noch ausge-
halten hatten. Gerade im Kunstgewerbe begann
wit Ludwigs XIV. Antritt der Kunstgcnins
Frankreichs die ihm innewohnende Krast ori-
ginaler Empfiudung in so nachhaltiger Weise
L» entsalten, daß der Aufschwung genngte, um
durch den wechselvollen Wandel von mehr als
uuderthalbhundert Jahren die selbständig sran-
öusischen Regungeu auf künstlerischem Gebiet in
unablässiger Spannung zu erhalten. Gewiß
rutsprang diese Bewegung nicht direkt dem
Volkstum: sie wurde künstlich herbeigeführt,
us>er mit so einsichtiger Schätzung der der Na-
tion eigenen Fähigkeiten, mit so konsegueuter
Hinleitung dieser idealen Kräfte auf ein großes,
dwi Ehrgeiz der Besten aufstachelndes Ziel, daß
Wir in der Abhängigkeit von den gebieterischen
8orderungen hösischer Konvention, in der naheu
^eziehung zu der Person eines ruhmsüchtigen
Herrschers sür die Kunstindustrie wenigstens den
uiinderen Schaden erblicken. Der absolutistisch
>ustrebte Zwang nniformer Gestaltung regelte
und läuterte, was die individuellen Triebe all-
öu ungebunden hervorbrachten; die akademische
"Ucht, welche das Zeitalter Ludwigs XIV.

Kimftgcwerbeblatt. m.

in Frankreich so nachdrücklich befestigte, erwies
sich mit ihrer naiven Affektation des Klassischen
selbst in der Zeit des ausschweifenden Rococo
als wirksam. Zudem reifte die gewerbliche
Thätigkeit im Dienste eines in Sachen des
Geschmacks höchst snbtilen Hofes zn jener emi-
nenten Tüchtigkeit im rein Technischen heran,
die sie geschickt gemacht hat, bald wichtigeres
zu erreichen, als allezeit hoffähig zn sein: sie
wurde zu einem der mächtigsten Hebel des
Nationalwohlstaudes. Die Einsicht von der
großen wirtschaftlichen Bedeutung der Knnst
hatte schon Franz I. gewonnen; aber erst unter
Ludwig XIV. ward sie wahrhaft lebendig.

An dem Ruhmestitel französischen Gewerbe-
sleißes gebührt der Möbeltischlerei ein Haupt-
anteil. Jni Zeitalter des großen Lnd.wig er-
reichte sie schnell eine hohe Vollendung, und von
da an lehrt sie überaus deutlich die Stilphasen
erkennen, welche das französischc Kunstgewerbe
bis zur Revolution durchlaufen hat. Heute,
wo die moderne Möbelindustrie im Begriffe
steht, als gelehrige Schülerin einen neuen Ab-
schnitt aus der Vorbildersammlung abgeschiede-
ner Stile durchzuarbeiten, ist die Beschäftigung
mit dem Mobiliar zumal des 18. Jahrhunderts
zu einer fast selbstverständlichen Notwendigkeit
geworden. Auch von den Ebenisten des
Louis XIV. kann sie lernen. Aber trotz der in
letzter Zeit sich stetig mehrenden Litteratur über
diese Epochen, trotz all der gelehrten und witzi-
gen Erörterungen über Barock, Rococo und
Zopf liegt die Einsicht in die sormalen Be-

l
 
Annotationen