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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Focke, J.: Beiträge zur Geschichte der Kunsttöpferei, [9]: Fayencefabrikation zu Vegesack und Lesum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0037

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Boiträge zur Geschichte der Kunsttöpferei.

stnndigen Neubau haudelte, ist nus den Akten
dentlich zu ersehen. Die drei Gesellschafter
waren Bremische Bürger und als Kanfleute in
Bremen ansässig. Die Seele des Unternehmens
scheint Diderich ter Hellen gewesen zu sein,
während Mülhausen dagegen deu größten Ka-
pitalzuschuß hergab. Als Werkmeister der Fa-
brih wurde Johann Christoph Vielstich aus
Braunschweig angestellt, welcher kurz vorher
seine Lehrzeit bei dem Töpfermeister Henning
Detleff Henuings in Hamburg beendigt hatte.
Der Thou, welcher bei Anfertigung der Fay-
ence eine Beimischung von Kreide oder Gips
erhielt, wurde gegen eine besondere Konzession
der Regierung im Amtsbezirk Blumenthal ge-
graben. Das Brennen der Waren erfolgte
mit Torffeuerung, da die Fabrik jährlich 100
Hnnt Ziegeltorf aus deu „herrschaftlichen Möh-
ren" bezog. Nach vicrjähriger Thätigkeit in
der Fabrik — wahrscheinlich Ende 1754 —
schied der Werkmeister Vielstich nus oder wurde
eutlassen und die Unternehmer engagirten einige
„Frantzosen, um die Sache zu verbessern". Da
noch vor kurzem vier Teller alten französischen
Weichporzellans (Marke Chantilly) in der Fa-
brik sich gefunden haben, so erscheint es mög-
lich, daß diese Stücke dnrch jene französischen
Werkleute dorthin verschlagen worden sind.
Der Wechsel in der Person des Werkmeisters
wird wahrscheinlich auf zunehmende finanzielle
Verlegeuheiten zurückzuführeu sein, denn als
im März 1755 der Teilhaber Mülhausen
starb, wurde es notwendig über seinen Nach-
laß ein Konkursverfahren einzuleiten. Nun
ergab sich auch, daß die Gebrüder ter Hellen
nicht im stande waren, ihrem Schwager die
Summen, welche dieser für sie in die Fabrik
eingeschossen hatte, zu ersetzen, und so kam es
nach längeren Vorverhandlungen im Jahre1757
zum öffentlichen Verkauf der Fabrik. Nach
vorliegendeu Abrechnuugen waren in das Unter-
nehmen gesteckt rund 25 000 Thlr., davon ca.
7000 Thlr. zurückbezahlt, so daß die Fabrik
am 1. Januar 1755 mit 19000 Thlr. zn
Buch stand. Der Preis, welchen sie in der
Auktion erzielte, betrug 3725 Thlr.

Produkte dieser Fabrik siud bisher nicht
mit Sicherheit bestimmt wvrden. Jn der Um-
gegend Vegesacks finden sich aber hin und wie-
der kleine blaubemalte Fayenceteller, welche
höchstwahrscheinlich diesem Betriebe zuzuschrei-
ben sind. Die Marke derselben ist

und da der Name ter Hellen in den Akten sehr
häufig Torhellen oder Terhellen geschriebcn
wird, so ergibt sich die Auflösung der Marke:
„Mülhausen, Terhellen, Terhellen" als nahelie-
gend. Vielleicht ist diese Marke identisch mit
der von Jaennicke unter Nr. 1618 seines Ver-
zeichnisses angeführten. Der Scherben der Teller
ist rötlich, erheblich dunkler als derjenige der
Delfter Ware, die Glasur ist zwar wenig rissig,
aber ungleichmäßig und namentlich an der Unter-
seite so dünn aufgetragen, daß der Scherben
stark durchscheint. Die blaue Dekoration be-
steht anf dem schmalen Rande aus lambrequin-
artigen Verzierungen nnd Kamillenblüten, in
der Mitte des Tellers befindet sich ein stilisir-
ter Blumenzweig. Das Genre der Dekoration
erinnert an französische Vorbilder, insbesondere
an Rouen. Das Blau in seinen verschiedenen
Abtönungen ist trübe und entbehrt des Glanzes.
Abgesehen von dem lokalen Änteresse haben
diese Teller keinen Wert.

Der Käufer der bankrotten Fabrik war
der Eltermann Albrecht d'Erberfeldt zu Bre-
men. Leider war dieselbe damit nicht in die
rechten Hände gekommen. d'Erberfeldt machte
sich durch seinen weitgehenden Hochmut und
„seinen ganz eigenen Humeur" bald bekannt.
Letzterer scheint besonders darin bestanden zu
haben, daß er sich mit den Arbeitern nicht ver-
tragen konnte, und keiner derselben es längere
Zeit bei ihm auszuhalten vermochte. Da er
nun selber von der Fabrikation nichts verstand,
so war er nicht der Maun die verfallene Unter-
nehmung wieder in Gang zu bringen. Zu-
nächst zwar gelang es ihm von der Regierung
zu Stade ein ausschließliches Privilegium auf
die Verfertigung und den Vertrieb von Fayence
(„Porcellaine") für die Herzogtümer Bremen
und Verden bis Oktober 1759 zu erwirken,
wogegen er versprach, den ganzen Bedarf dieser
Lande mit seinen Fabrikaten decken zu wollen.
Der erste Versuch mit der Anfertigung von
Waren mißlang aber vollständig. Er ließ dann
den Betrieb ruhen; als aber die Regierung
mahnte und Miene machte dem Privilegium den
Schutz zu versagen, nahm er einen zweiten An-
lauf und ließ sich 1759 unter Anwendung gro-
ßer Kosten einen Meister aus der „weltberühm-
 
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