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Kunstgewerbliche Streifzüge.
Wirkung. Jn gleicher Weise sind Stützmöbel,
wie die hohen Sockel (gninss, seubsllons, viele
Beispiele cmch in Deutschland, im grnnen Ge-
wölbe zu Dresden, in den königlichen Schlössern
in Potsdam) architektonisch behandelt.
Die Boullemarqneterie ist ihrer Natur ge-
maß auf die Fläche angewiesen. Semper hat
sie in knappen Worten als einen Sägestil charak-
terisiert nnd ihre Eigentümlichkeiten ^— das
Gleichgewicht des Ausgeschnittenen und Stehen-
gelassenen, die wohlvermittelte Kontrastwirkung
(vgl. die schmalen Seitenfelder des Kabinets
anf Seite 44) — hervorgehoben. Dadurch, daß
die Fläche durch Ausschnitte das entgegengesetzte
Verhältnis des Grundes zum Ornament auf-
weist, wird ein höchst wirksamer Effekt ü äoubls
fsn erreicht. Allein diese Juxtaposition findet
in der Regel nicht an Feldern ein und desselben
Möbels, sondern an einem sich entsprechenden
Möbelpaar statt, d. h. was auf dem einen
beispielsweise auf Schildpattgrund erscheint,
lviederholt sich als Gegenstück (sontrs-partis) auf
Knpfer- oder Zinngrund auf einem andern. So
ist es auch mit unserem Kabinet aus dem Mobilier
National in den Seitenfeldern, es ist ein Glied
einer Möbelgrnppe, welche unter dem Namen
snssts ä'^xollon — nach den Reliefs des Mittel-
feldes — bekannt ist. Jnnnerhin wird die
xrsmisrs partis, nnd darunter versteht man die
Metallmarqueterie auf Schildpattgrund, höher
geschätzt als ihr Widerspiel, die Lontröpartis.
Erstere ist es, welche die sorgfältigste Bearbei-
tung erfuhr, und die, weil das Ornament für
diese Manier zunächst komponiert wurde, in der
Wirkung meist die glücklichere ist. Diesem llm-
stand ist es zuzuschreiben, wenn die Engländer,
welche von je her Boullemöbel eifrig gesammelt
haben, die prsmisrs pnrtis mit
„Boulle" kurz bezeichnen und das Gegenstück
einfach „vonntsr" nennen.
Wir haben schon oben bemerkt, daß Charles-
Andrs Boulle nicht bloß in der virtuosen Be-
handlnng der Metallniarqneterie ein vollendeter
Meister war. Der Ebenist — die Bezeichnung
blieb, wenn auch die Materialien andere ge-
worden waren — war ein nicht minder her-
vorragender Modelleur. Die kraftvolle Aus-
führung der Skulpturen, der metallenen Leisten
und Borten, der reizenden Figuren, Karyatiden,
der Maskarons und Rosetten, der trefflich kom-
ponierten Reliefs u. dgl., diese sorgfältig cise-
lierten Bronzen in ihrem schimmernden Gold-
glanz (im Gegensatz zu den matten Vergol-
dungen der Nachahmer) stehen in nichts der
geschmackvollen Zeichnung seiner stets organisch
entwickelten Ornamente, den phantasiereichen
Grottesken, den zierlichen in Spiralen und
Schnörkel von kalligraphischer Delikatesse aus-
laufenden Akanthusranken nach. Es wäre eine
überaus dankbare und anregende Studie, könn-
ten wir an der Hand sorgfältig ausgewählter
Jllustrationen diese Meisterarbeiten bis in die
Nüancen hinein an dieser Stelle untersuchen,
ihren Charakter und Ursprung bestimmen und
andeuten, welcher feine künstlerische Sinn in
ihnen musterhaft waltet. Allein die Beschrän-
kung unserer dürftigen Bemerkungen weist uns
auf die Betrachtung derjenigen Gruppe von
Boullearbeiten, welche geeignet sind, die Stil-
bewegung znm Rococo hin erkennen zu lassen.
Was wir bisher im Auge hatten, lediglich
die architektonischen Gesetzen unterworfenen
Kastenmöbel und Postamente, wies in der Sil-
houette des Aufbaues die Strenge klassizistischer
Formengebung auf. Und in der That haben diese
Möbel zu allerletzt der geraden Linie den Gehor-
sam gekündigt. Sollen wir aber Beispiele geben,
die sich in der Komposition ergrisfen zeigen von
der freieren Bewegung sich schweifender und
bauchender Kontnren, so müssen wir uns den
Tischmöbeln und jenen Kommoden zuwenden,
welche die Bezeichnung ü la UsAsnos schon aus
dem korrekten Formenkreis des rein ausgebil-
deten Lonis XVI-Möbel ausscheidet. Der Be-
trachtnng dieser Werke werden unsere folgenden
Bemerkungen gewidmet sein.
Kunstgewerbliche Streifzüge.
Wirkung. Jn gleicher Weise sind Stützmöbel,
wie die hohen Sockel (gninss, seubsllons, viele
Beispiele cmch in Deutschland, im grnnen Ge-
wölbe zu Dresden, in den königlichen Schlössern
in Potsdam) architektonisch behandelt.
Die Boullemarqneterie ist ihrer Natur ge-
maß auf die Fläche angewiesen. Semper hat
sie in knappen Worten als einen Sägestil charak-
terisiert nnd ihre Eigentümlichkeiten ^— das
Gleichgewicht des Ausgeschnittenen und Stehen-
gelassenen, die wohlvermittelte Kontrastwirkung
(vgl. die schmalen Seitenfelder des Kabinets
anf Seite 44) — hervorgehoben. Dadurch, daß
die Fläche durch Ausschnitte das entgegengesetzte
Verhältnis des Grundes zum Ornament auf-
weist, wird ein höchst wirksamer Effekt ü äoubls
fsn erreicht. Allein diese Juxtaposition findet
in der Regel nicht an Feldern ein und desselben
Möbels, sondern an einem sich entsprechenden
Möbelpaar statt, d. h. was auf dem einen
beispielsweise auf Schildpattgrund erscheint,
lviederholt sich als Gegenstück (sontrs-partis) auf
Knpfer- oder Zinngrund auf einem andern. So
ist es auch mit unserem Kabinet aus dem Mobilier
National in den Seitenfeldern, es ist ein Glied
einer Möbelgrnppe, welche unter dem Namen
snssts ä'^xollon — nach den Reliefs des Mittel-
feldes — bekannt ist. Jnnnerhin wird die
xrsmisrs partis, nnd darunter versteht man die
Metallmarqueterie auf Schildpattgrund, höher
geschätzt als ihr Widerspiel, die Lontröpartis.
Erstere ist es, welche die sorgfältigste Bearbei-
tung erfuhr, und die, weil das Ornament für
diese Manier zunächst komponiert wurde, in der
Wirkung meist die glücklichere ist. Diesem llm-
stand ist es zuzuschreiben, wenn die Engländer,
welche von je her Boullemöbel eifrig gesammelt
haben, die prsmisrs pnrtis mit
„Boulle" kurz bezeichnen und das Gegenstück
einfach „vonntsr" nennen.
Wir haben schon oben bemerkt, daß Charles-
Andrs Boulle nicht bloß in der virtuosen Be-
handlnng der Metallniarqneterie ein vollendeter
Meister war. Der Ebenist — die Bezeichnung
blieb, wenn auch die Materialien andere ge-
worden waren — war ein nicht minder her-
vorragender Modelleur. Die kraftvolle Aus-
führung der Skulpturen, der metallenen Leisten
und Borten, der reizenden Figuren, Karyatiden,
der Maskarons und Rosetten, der trefflich kom-
ponierten Reliefs u. dgl., diese sorgfältig cise-
lierten Bronzen in ihrem schimmernden Gold-
glanz (im Gegensatz zu den matten Vergol-
dungen der Nachahmer) stehen in nichts der
geschmackvollen Zeichnung seiner stets organisch
entwickelten Ornamente, den phantasiereichen
Grottesken, den zierlichen in Spiralen und
Schnörkel von kalligraphischer Delikatesse aus-
laufenden Akanthusranken nach. Es wäre eine
überaus dankbare und anregende Studie, könn-
ten wir an der Hand sorgfältig ausgewählter
Jllustrationen diese Meisterarbeiten bis in die
Nüancen hinein an dieser Stelle untersuchen,
ihren Charakter und Ursprung bestimmen und
andeuten, welcher feine künstlerische Sinn in
ihnen musterhaft waltet. Allein die Beschrän-
kung unserer dürftigen Bemerkungen weist uns
auf die Betrachtung derjenigen Gruppe von
Boullearbeiten, welche geeignet sind, die Stil-
bewegung znm Rococo hin erkennen zu lassen.
Was wir bisher im Auge hatten, lediglich
die architektonischen Gesetzen unterworfenen
Kastenmöbel und Postamente, wies in der Sil-
houette des Aufbaues die Strenge klassizistischer
Formengebung auf. Und in der That haben diese
Möbel zu allerletzt der geraden Linie den Gehor-
sam gekündigt. Sollen wir aber Beispiele geben,
die sich in der Komposition ergrisfen zeigen von
der freieren Bewegung sich schweifender und
bauchender Kontnren, so müssen wir uns den
Tischmöbeln und jenen Kommoden zuwenden,
welche die Bezeichnung ü la UsAsnos schon aus
dem korrekten Formenkreis des rein ausgebil-
deten Lonis XVI-Möbel ausscheidet. Der Be-
trachtnng dieser Werke werden unsere folgenden
Bemerkungen gewidmet sein.