Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

DOI article:
Heinrich Steyners Modelbuch
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0065

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
50

Heinrich Steyners Modslbuch.

Der Titel lautet: Ein new Mo H delbnch,
ausf H die Welschen ^ manier. H Gedruckt zu
Augspurg H durch Heinrich H Steyner. H U. v.
XXXIII. 4«. rsoto ausgehend.

Der Jnhalt dieses merkwürdigen Model-
buches ist äußerst mannigfaltig. Alle ornamenta-
len Motive, sowie alle Techniken der Nadelarbeit,
die um jene Zeit gang und gäbe waren, sind ver-
treten. Für Kreuzstich und Bortenwirkerei sind
zahlreicheFlächenmuster gedacht; die Friese meist
für Aufnäharbeit, Litzennäherei oder Plattstich.
Bei letzteren füllt die eigentümliche Gewohn-
heit des Zeichners auf, neben einen breiten
Fries eine schmale Borte zu setzen. Der Jn-
halt steht durchweg auf dem Boden der Re-
naissance, doch ist in dem Aufbau der Antheniien
ungemein viel Gotisches. Auch das Laubwerk
hat oft, wie bei dem ebenfalls in Angsburg
arbeitenden Hopfer, ganz gotische Umrisse. Auf
nordischen Mangel an edlerem Formengefühl
weisen die Kompositionen mit reichem Rapport,
in denen reichbewegte Gruppen von Kindern
regelmäßig wiederkehren. Überhaupt liebt der
Zeichner Rapporte von einer Entwickelung der
Einzelglieder, wie sie im ganzen gleichzeitigen
deutschen Ornament nicht vorkommen, das des
Hopfer ausgenommen. — Wie das Laubwerk
hat die Grotteske einen stark gotischen Zug,
der namentlich hervorsticht bei den Fabelweseu,
die überdies noch vielfach in dem uralten
Motiv der verschlungenen Hälse auftreten.

Die Maureske, die hier zuerst in einem
deutschen Modelbuch erscheint, ist schon häufig
und kommt hie und da bereits zum Einfluß
auf die Blattbildung. Man hat bei ihr über-
haupt selten den Eindrnck des unverarbeitet
Übernommenen.

Sehr häufig ist das Knotenwerk, das ganz
in italienischer Auffassung, aber nur in Fries-

form auftritt. Ein häufiges Motiv ist bei ihm
die Verschlingung des einzelnen Fadens in sich.
Diese dürfte auf gotische Erinnerungen znrück-
gehen (Liebesknoten). Einmal verbindet sich das
Knotenwerk mit dem flatternden Bande goti-
schen Formengefühls zu reichem Rapport, für
dessen nordischen Charakter die flatternden Bän-
der über den Kostümfiguren des Jsrael von
Meckenen zu vergleichen sind. Hie und da kommt
Knotenwerk in der Maureske vor und, was in
Deutschland sonst unerhört, in den Spiralen
der Anthemien.

Ein deutsches Vorbild ließ sich für dies
Modelbuch so wenig finden wie ein ansländi-
sches. Mit Quentel und Egenolff teilt es die
Ehre, von Jtalienern und Franzosen geplündert
zu werden. Jm lüurs nouvoari des Pierre de
Sainte Lucie (Lyon o. I., aber vor 1540) findet
sich eine ganze Reihe von Steyners Mustern;
und desselben französischen Verlegers „I'akrous
äs äiusrsss ruauisrss" gehen ohne Ausnahme
auf Steyners Buch zurück; ebenso die Muster
in einem dritten Werk, das Pierre de Ste Lucie
herausgab: „Lsusu/vsuk Iss xatrous" rc. Hier
werden sogar als Autoren der „putrous" An-
toine Belin, Rsolus äs saiuot Ng.roiul und
Jehan Mayol, oarms äs I^on genannt. Diese
drei Werke sind bekanntlich von Cocheris repro-
duziert unter dem Titel: katrous äs broäsris
st äs liuAsris äu XVI. siäols. Paris 1872.

Unter den italienischen Modelbüchern machen
„Oli uuivsrsuli äs i bsili rseaiui autiobi" des
Xioold ä'^ristotils ästto 2oppiuo, Venedig 1537
(reproduziert von Ongania, Venedig 1876) starke
Anleihen bei Steyner. Zwei Drittel des Buches
sind lediglich Kopien.

Dieser vorläufigen Notiz werden wir nach
Vollendung der Reproduktion des Steyner eine
ausführliche Einleitung folgen lassen.

I-.
 
Annotationen