Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

DOI article:
Hellwag, Fritz: Der III. Kongress deutscher Kunstgewerbetreibender in Berlin: Einberufen vom Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes, e.V. am 21. und 22. Juni 1909
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0201

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
194



III. KONGRESS DEUTSCHER KUNSTGEWERBETREIBENDER IN BERLIN











■$m&m*$WM.

i '»'■"

jmfm<ff0imW0mm<

??»???*>«»?>

ihrer jetzigen Form für absolut schädlich. Fünf allgemein anerkannte
Kunsthandwerker sollen gebeten werden, sich dem Herrn Minister für
Handel und Gewerbe zur Verfügung zu stellen, um ihn auf Grund des
vom Fachverband gesammelten und sonst vorliegenden Materials den Be-
dürfnissen der Handwerker entsprechend zu beraten. Es wurden ferner
folgende Leitsätze aufgestellt: In das in Vorbereitung befindliche neue
Gesetz über die Pflichtfortbildungsschulen soll eine Bestimmung aufgenommen
werden, nach der sich in dem Ausschuß zur Beratung der betreffenden Orts-
statuten mindestens zu 2/3 Handwerker mit voller Stimmberechtigung be-
finden müssen. — Der Lehrplan ist von der obigen Kommission und
etwaigen Ausschüssen in Verbindung mit den Behörden festzustellen. Die
in den Ausschüssen befindlichen Handwerker sind verpflichtet, sich vor
definitiver Beschlußfassung in öffentlicher Versammlung, zu der jedermann
Zutritt haben muß, mit den einschlägigen Berufsgenossenschaften in Ver-
bindung zu setzen. — Der Fachunterricht in den Pflichtfortbildungsschulen
wird von praktischen Fachleuten erteilt. Die Einteilung und der Fort-
gang des Unterrichts wird von der Handwerkerkommission und den Schul-
behörden vereinbart. — Der Elementarunterricht bleibt dem Pädagogen
überlassen. — Das Kontrollrecht der Innungen ist zu verschärfen. — Den-
jenigen Meistern, deren Gesellenprüfungen schlechte Resultate ergeben, ist
die Berechtigung der Lehrlingshaltung zu entziehen; andererseits sind die-
jenigen Meister pekuniär zu unterstützen, die gute Resultate bei ihren Prü-
fungen haben. — Die Fabrikationsbetriebe, die den größten Teil der aus-
gebildeten Gesellen für sich verwenden, ohne aber für genügenden Nachwuchs
durch Ausbildung von Lehrlingen zu sorgen, müssen zur Tragung der
Kosten für die anderweitige Lehrlingsausbildung herangezogen werden.
Beim Abgang von der Volksschule sind die Schüler und deren Eltern dringend
auf das Handwerk hinzuweisen und in diesem Sinne ist auch die Presse
zu interessieren. Die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule dürfe nur
solche Schüler annehmen, die ihre Gesellenprüfung bereits abgelegt haben.'
n In die obengenannte fünfköpfige Kommission wurden die Herren
Behr-Mainz, Hemming-Düsseldorf, Markus-Berlin, Kimbel jun. - Berlin,
Beumers jun. - Düsseldorf gewählt, zu Ersatzleuten die Herren Rahardt-
Berlin, Sy-Berlin, Collin-Berlin, Werner-Berlin. □

d Wenn auch nicht verkannt werden soll, daß sich in diesen Leitsätzen
manche gute Anregung befindet, so ist doch anzunehmen, daß sie in
ihrer Gesamtheit für die Regierung wegen mancher Forderungen un-
annehmbar sein werden. Immerhin ist es zu begrüßen, daß man in dieser
Resolution versucht hat, Maß zu halten, und von einigen ursprünglichen
Forderungen, z. B. die eventuelle Verlängerung der Volksschulzeit von
acht auf neun Jahre und die Verlängerung der Lehrzeit um ein Jahr,
abgesehen hat. □

□ Die eigentliche Programmrede, die der Tagung den Stempel auf-
drückte, hielt Herr W. Kimbel über das Thema: »Behörden und Kunst-
handwerk*. Es ist seltsam, welchen Einfluß dieser Mann auf seine Ge-
sinnungsgenossen ausübt. Er bot eigentlich gar nichts Neues, sondern
rekapitulierte nur die allgemeine Unzufriedenheit; mit den Allüren des
gekränkten Wohltäters steht er immer auf dem oder jenem »Standpunkt«,
und jedesmal lohnt ihm ein allgemeines Bravo. Es ist für unbefangene
Beobachter schwer verständlich, daß sich in solch großer Versammlung
nicht Einer findet, der ihm auf seine Erklärung: »Wenn man mich fragte,
was nun geschehen sollte, wie die bestehenden Zustände geändert wer-
den könnten, ich wüßte keinen Rat», antwortet: »Ja, Herr Kimbel, woher
nehmen Sie dann den Mut, uns durch eine so scharfe und abfällige
Kritik immer heftiger aufzuwiegeln und in die unfruchtbare Opposition
zu treiben?« Keiner, der ihm vorhielte: »Wie können Sie es wagen,
die Einrichtungen des preußischen Landesgewerbeamtes und seines
ständigen Beirates so gründlich zu verdammen, wenn Sie — nach Ihrem
eigenen Geständnis — über dessen grundlegende Bestimmungen sich
nicht vorher zu informieren vermochten?« Keiner! —Man jubelt ihm zu,
wenn er die alten Schlagworte in den Saal schleudert und ehrliche Ge-
ständnisse, wie z. B. die vorerwähnten des Herrn Hofjuweliers Werner
über die Meisterlehre, Fortbildungsschule und Lehrwerkstätte mit einer
geringschätzigen Geste beiseite schiebt. Eine solche Suggestionskraft ist
mit der Macht eines sozialdemokratischen Führers über die Wählermassen
zu vergleichen, nur mit dem fundamentalen Unterschied, daß jener den
Sinn seiner Hörer auf die Möglichkeit einer Befreiung aus engsten

Entwürfe von Bruno Paul u. a.; Ausführung: Vereinigte

Werkstätten für Kunst im Handwerk, A,-G., in Berlin
 
Annotationen