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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Seliger, Max: Über ein Monumentalwerk des Schulmannes Meurer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0230

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MEURERS PFLANZENSTUDIEN

223]

Aus Meurer.

Blattsprosse eines Streifenfarn (Asplenium)
Vergleichende Formenlehre des Ornamentes u. der Pflanze

Pastorale (Domschatz von San Ambrosio zu Mailand)
Aus Meurer, Vergleichende Formenlehre des Ornamentes u. der Pflanzet

Illustrationen (Preis 60 M.), enthält Verkleinerungen jener
Tafelwerk-Illustrationen und viele in Autotypie (nach Photo-
graphien) hergestellte andere, die durch ihre naturalistisch-
plastische Darstellung jene linearen Bilder trefflich er-
gänzen. Das Handbuch ist gewissermaßen der Schlüssel
zu jenem Tafelwerke. Es ist aber ein selbständiges, für
sich abgeschlossenes Ganzes und in mancher Beziehung
praktischer und bequemer. Der Prospekt sagt: Das Werk
will keine Beispielsammlung von Ornamenten der histo-
rischen Stilperioden bieten, sondern verfolgt vielmehr den
besonderen Zweck, durch vergleichende Zusammenstellung
der wichtigsten ornamentalen Typen der Vergangenheit mit
den ihnen zugrunde liegenden Vorbildern in die Entwickelungs-
geschickte der technischen Kunstformen und damit in die
Prozesse des künstlerischen Schaffens einzuführen, indem es
nachzuweisen sucht, wie und aus welchen Urformen diese
Typen entstanden sind, wie sie sich infolge verschiedenartiger
zwecklicher, konstruktiver, werkstofflicher und technischer
Gebote um- und weiterbilden, und wie dabei die den Menschen
umgebenden Erscheinungen, namentlich die der Pflanzen,
formgebend wurden. Hauptsächlich wurden dafür die Bei-
spiele des klassischen Altertums und die des Mittelalters
herangezogen, weil in ihnen gewisse konstruktive Prinzipien zu
ebenso verschiedenartigem, wie gleich vollkommenem Ausdrucke
gelangen. Zum Verständnisse ihrer Entwickelung mußte aber
auch auf die ornamentalen Überlieferungen der alten ägyp-
tischen und asiatischen Kulturreiche zurückgegriffen werden,
in denen die Keime der meisten späteren, noch gebräuch-
lichen Kunstformen enthalten sind. Durch anschauliche
Gegenüberstellung von ornamentalen und pflanzlichen Ge-
bilden wurde gezeigt, wie die Beobachtung der Gestaltungs-
gesetze und Formen der Natur die bildnerische Tätigkeit des
Künstlers im Laufe der Zeilen befruchtete und erzog, um
damit gleichzeitig auf die Mittel und Wege zu weisen, wie
diese vorbildlichen Elemente in sinn- und sachgemäßer Weise
auch der Lösung neuzeitlicher Aufgaben nutzbar gemacht
werden können.« u

d Die üblichen Werke über Ornamentgeschichte und
Architektur beschränken sich meist auf den Aufmarsch
der historischen Formenentwickelung in den einzelnen Län-
dern und Epochen, und geben selten über Fragen, wie z. B.
den Ursprung, die Ursache und Anwendung der Formen,
ihre technischen, gewerklichen und konstruktiven Umbil-
dungsformen und -gründe genaue Erklärungen. Nur ver-
einzelten Brocken solcher Art begegnet man bisweilen
(Semper, Jacobsthal) in den bezüglichen Werken. Meurer
beweist in überzeugender Genauigkeit und mit genügender
Reichhaltigkeit die geschichtliche Abstammung vieler Kunst-
formen und ihre Abhängigkeit von den Naturformen über-
haupt, dabei Einflüsse des Kultus, der Technik und der
Zwecke ihrer Anwendung auf ihre Gestaltung und viele
andere Einflußfaktoren berücksichtigend. Ein bestricken-
des Kapitel ist z. B. der Nachweis der Palmetten-Entwick-
lung mit ihrer Umbildung, der jonischen Kapitälvolute aus
frühesten ägyptischen Pflanzenformen. Wie eine Offen-
barung wirkt das Kapitel über die Ursprungsformen der
griechischen Keramik, insbesondere der Rankenhenkel an
den großen Mischvasen (Krater) — die Aufklärung über
Anthemlenbänder, über die Stirnbinden und Weihsträuße
der ägyptischen Menschen und den entsprechenden Schmuck
an den Gliedern ihrer Architektur, — der Abschnitt über
die Pflanzensäule der Ägypter, und die Schmucksäulchen
der Pompejaner, über die Araceen, die Farne und ihr Ver-
hältnis zur Gotik und viele andere ähnlich anregende und
feine Betrachtungen. □

d Die Art aber, wie Meurer gerade die Pflanze, die er
vorherrschend als Anregungs- und Nachahmungsmodell in
der Kunst aller Zeiten vorfand, mit heutigem wissenschaft-

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