Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1901)
DOI Artikel:
Batka, Richard: Post festum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0073

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nach sich zieht. Aber die gewöhnliche Ehrlichkeit verlangt nun, einzuräumen,
datz Bayreuth die gefährliche Grenzc scitdcm nicht überschritten, sondern den
Einflutz der Fremden inner- und autzerhalb des Theaters auf ein durchaus
zulässiges Mah beschränkt hat. Heuer wurden von zehn Karten acht in
Deutschland bestellt, und ein einziger wirklich fremder Sänger wirkte mit. Aber
die Festspielreporter hatten doch wiedcr nur die gewohnte Phrase voin Zu-
schauerraume, „den ein zumeist aus Franzoscn und Engländern bestchendes
Publikum füllte". Statt die Volksgenossen daraufhin erst recht zum Besuche
der deutschen Kunststätte als einer Ehrensache aufzurufen, jammerten dann
„Nationale" beweglich, datz „Deutsche dort bald nichts rnehr zu suchen haben
werden" u. s. w. Jn mehreren baycrischen Zeitungen fand ich — wirklich ivie
auf Parole — das „deutsche" Prinzregententheater dem „internationalen"
Bayreuth emphatisch gegenübergestellt, wogegen einige Zeilen tiefer der geäutzerte
Jubel über die nach München gepilgerten Ausländer komisch gcnug abstach.

Und nun die künstlerischen Darbietungen sclbst! Gewitz, da ist vieles
Geschmacksache. Der eine begeistert sich für dcn Krausschen Siegfried, dcr
andere für den Schmedesschen. Berliner, Dresdner, Wiener bringen ihren
Lokalpatriotismus nach Franken mit, und jeder, auch die Leitung der Festspielc,
ist nicht frei von einer subjektiven Vorliebe für diese oder jene Künstler.
Menschen sind wir eben alle, und Streit in solchen Punkten erhitzt zwar, aber
schadet nicht viel. Wenn ein Ludwig Hartmann vffcntlich crklärt, es sei in
Bayreuth seit Wagners Tode alles tot gewesen, so braucht das bci dcr Ver-
gangenhcit dieses Herrn nicht zu verwundern, obgleich der Mann natürlich sehr
gut weih, welchen grohen, vorbildlichen Einfluh die als wahre Neuschöpfungen
zu bezeichnenden Aufführungen des „Tristan", der „Meistersingcr", dcs „Tann-
häuser" und „Lohengrin", die alle unter der neuen „Acra" zustande gekommcn
sind, auf das ganze moderne Opernwesen ausgcübt haben. Lescn wir aber
Einzelkritiken auch von Leuten, auf die man zu höron pflegt — wie wcnig
geht man da auf alles Wesentliche ein, was den besonderen Wcrt Bayrcuths
ausmacht, wie mißt man diesen statt am Zusammenspiel nach alter Opern-
schablone an den Leistungen der einzclnen Virtuosen! Dabei thut ein jedcr,
als sei er über Wagners letzte Gedankcn bis aufs kleinste unterrichtet, blamiert
sich hingegen in Dingen, die zum AB C eines hier Unterrichteten gehören.
Seit neunzehn Jahren wird nach der eigcnen Weisung Wagners das Schlutz-
bild des „Parsisal" zweimal gezeigt. Heuer gcrät Professor Krebs übcr diese
„Neuerung" ganz autzer sich, und seine Leser im „Tag" werdcn's dem gclchrten
Herrn aufs Jota geglaubt haben. Ein gewisser Ortony gibt eine Broschürc
„Wagner covtra Bayreuth" voll törichter Vorschläge und Anklagen wider die
Festspielleitcr hcraus, worin ihm unter anderm das Unglück widerführt, den seit
t88y weltberühmten Beckmesser Friedrichs als krasscn Anfänger zu bchandcln.
Aber unser Autor hat einmal eine Zeitschrift „Parsifal" rcdigiert, und o wird
er nun selbst von Fachblättern als „Autorität" ins Treffcn geführt. Die
Schrift selbst mögen die betreffenden Rcdakteure, wie ich zu ihrer Ehre an>
nehme, nicht gelesen haben. Von dem Schlagwort „Dilettantismus" verspricht
sich die Weingartner-Partei die sicherste Wirkung, wcnigstens auf die Zunft-
genossen. Sie vermag allerdings nicht zu leugnen, datz dcr heurige „Hollünder"
eine künstlerische Grohthat ersten Nanges, eine Wiedergeburt des 5kunstwcrkS
aus dcm Geiste des Dramas gewescn ist, aber sie will uns trotzdcm das
Märchen aufbinden, datz dieselben Köpfe und Hände, dic hier so Autzer-
ordentliches, die Schulweisheit der „gelernten Negisseure" so weit Uebcrtreffendes
Runstwart

58
 
Annotationen