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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1901)
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Batka, Richard: Post festum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0074

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geschaffen haben, nicht berufen seien, an den ,Ring" und „Parsifal" zu rühren.
Weingartncr hat seiner Zeit den Hupfer des Mime auf den Lechzchntelvorschlag
beanstandet. Jch habe dicse mimische Verlebcndigung damals (l89<>) im Kunst-
wart als gut magnerisch verteidigt und schlictzlich auch Hcrrn Lehmann durch
ein bündigcs Zeugnis, durch cincn Brief des erstcn Mimcdarstellcrs, überzeugt.
Allein mas half's? Jetzt wettcrt Letzmann wiederum glcichwie am erstcn
Tag gegcn jene Nuance als cine elende Neucrung, und zwar mit einem Griinm,
der vielleicht am Platze wäre, wenn man den Wandercr mit Erda ein Pas
de Dcux hätte tanzen lassen. Wir meincn, hier läge die 2ache doch so:
Niemand wird es cinem Kritikcr wehren, die fraglichc Nüance zu ver-
werfen, aber dann hab' cr dcn Mut, seinen Vorwurf an Meister Wagner selbst
zu adressieren. So vcrleitet Lcidenschaft und Parteigeist sclbst Menschen, die
ivir als Sachverständigc zu betrachtcn gewöhnt sind, zu schwercn llngcrechtig-
keiten. So ging es, so gcht cs noch hcutc. Man untcrgrub die Autorität der
Festspiellcitung, indem man die Eitelkeit dcr Sänger gegen sie aufkitzelte; man
machte dicser Leitung all die Unzulänglichkeiten zum Vorwurf, die aus einer
unvollkommenen Ausführung gutcr Jntentioncn sich ergaben. Wie stachen
im Jahr die eigentlichen Bayreuthschülcr durch die gute Behandlung des
Sprachgesanges hervor, bis die Kritik sie mit dcm Witzwort vom „Konsonanten-
knacken" kopfschcu machtc und wir zu jener recht mangelhaftcn Aussprache
herabgesnnken sind, die nun auch in Bayreuth wieder von den Fanatikern der
blohcn Schönsingerci genossen werden kann. Die ungenügende Vcrständlichkeit des
Wortes, dicscs für dic dramatischc Wirkung so hochbcdeutsamen Faktors, diese
cinzige wirklich nennenswerte wchwäche der hcurigcn Festspiele, hat sich die
gcgnerische Kritik bezeichncnderweise völlig cntgehcn lassen. Und ich betone
nochmals: nicht gegcn dcn Tadcl überhaupt wcnde ich mich, sondern gegcn die
Tcndcnz, Kleinigkeitcn wie ausschlaggebende Hauptsachen zu verurtcilen, und
gegen dcn gehässigen Ton, in wclchcm alle Meinungsverschiedenheitcn vor-
gebracht werden. Herr Mathien Schwann verübelte kürzlich in dcr „Gesell-
schaft" den Dcutschcn ihre parlamentarische Ausdrucksweise, datz sie z. B. ein-
ander nicht sagen „Du bist ein Ochs", sondern »Es scheint, dah sie sich irren,
mcin Herr!" Da hat er offenbar noch kcine dcutschen Festspiclberichte aus
Bayrcuth gclesen. Natürlich gebärdcn sich die Angreifer alle als „wahre
Frcundc", abcr wic scltcn vcrnimmt man den cchtcn Zorncston des Mannes,
der jcde Trübung scines Jdcals als bittern Schmerz empfindet, und wie ver-
nehmlich dagegcn schrillt die Stimme dcs tödlichcn Hasses, des anmatzenden
Dünkels durch den so „objektivcn" Chorus! Jch persönlich glaube nicht, dah
die Thomaschen Entwürfc die ideale, ich glaube ost nicht einmal, datz sic eine
vorläufig befriedigcndc Lösung dcr Kostümfrage im .Ring" bedeuten, abcr das
Blut stcigt eincm ins Gcsicht, wenn man lescn muh, wie Musikanten, deren
Mahgeblichkeit über die Striche dcs Notcnsystems nicht hinausgeht, über cinen
Mcistcr wie Hans Thoma zu schimpsen sich erlauben. . . .

Genug der Proben aus cincm langcn Negistcr! Mögcn die Herrschaften
sich hintcr Gocthes „Jm Dcutschen lügt man, wcnn man höflich ist" vcr-
schanzen und ihr Misfallcn noch so lebhaft äutzern: wenn nur der Entschiedcn-
heit des Tadcls wcnigstens auch die Offenheit des Lobes entspräche. Die
Deutschen sind immer fcurige Jdealisten auf Kosten — Andercr. Dah die
Familie Wagner aus den Festspielcn keinerlei matcriellcn Vorteil zieht, datz sie
— da die Einnahmcn die enormcn Auslagcn dcs Bctriebes nie ganz decken
können — namhaftc Zuschüsse lcistet, sollte bckannt sein, obwohl man's in

2. Gktoberbeft t90l
 
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