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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0090

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Buchausgabe kcin Gcheimnis, daß es
einen sogenannken Achtungserfolg
gcbcn ivürde. Man hörtc dcm greiscn
Dichtcr mit Respekt zu, dann ver-
schwand das Drama nach ivcnigen
Aufsührungen. Es konntc sich nicht
halten. Abgcschen davon, dah die
eigentlichen Schünheiten dcr Dichtung
lyrischer Art sind; abgesehcn davon,
dah Björnson sich einer Tcchnik be-
dicnt (dcr Tcchnik der rückivarts schau-
cndcn Handlung), die nic scinc Tcchnik
war, und daß cr so auf seine alten
Tage zum experimcntierenden schüler
ivird — abgesehen von dem allcn, ist
dic Frage des Thescnstücks so ivenig
präzis und so ivenig entscheidend ge-
stellt, datz die Antivort unmöglich
jemandcn bcsriedigcn konnte, der auf
dicsem Gebiet auch nur gcsragt hat.
Mnn kann sclbstvcrstnndlich (es licgt
Kritik in diescm „sclbstvcrstündlich")
dem Dichtcr Necht gcbcn, ivenn cr die
Lebensarbcit dcs Mannes über die
Liebe stellcn ivill. Niin handelt es sich
in scinem Drama aber zunächst um
das junge Weib cincs altcrnden Guts-
besitzers, der nach seinem eigcncn Be-
kenntnis nie gcarbeitct hat. Nlit dicsem
ursprünglichen Konflikt ist dann allcr-
dings ein anderer verknüpft, ivas an
sich schon dcr Einheitlichkcit und Grotz-
zügigkeit des Dramas Abbruch thut.
Die lebonslustige Dame betrügt ihrcn
Mann frisch und hcrzhaft mit cinem
jungen Komponistcn. Dicscr junge
5tünstler abcr ist hier iviedcrum kein
Mann; er ist viclmehr so jung, datz
ich ihm cine Thorhcit vicl lieber nach-
schen möchte, als cinen iveisen Ent-
schlutz. Am lctzten Ende vcrlätzt er
auch seine Geliebte gar nicht um dcr
Arbeit ivillen, sondern iveil cr crfährt,
datz sie die crste Frau ihres Manncs
scclisch gcmordet hat, also nus einer
moralischen Furcht heraus, die nur
sehr, sehr mittclbar mit seiner Arbcit
ctwas zu thun hat. So ist das Drama
also mit eincr schiverfälligen Exposition
(mit der Ehcgcschichte des Gutsbesitzcrs)

bcladen und demonstriert seine These
an eincm sehr zweifelhaften Falle.
Man bringt nicht einmal, ivas immer-
hin ivcnig iväre, eine bündige theo-
retische Antwort heim.

Wenn ivir noch crwähnen, datz
das Residenztheater literarische Abende
eingerichtet hat, die eine daucrnde Jn-
stitution sein sollen und sich gar nicht
hoffnungslos anlassen, dürfen wir
schlietzen. Lrich Lchlaikjer.

* Schweizerische Festspiele.

Wir leben in der Zeit der Jubel-
feiern. Die meisten unscrer nationalen
Festo sind Erinnerungsfciern, veran-
staltet durch jcne Heldenvorehrung,
die sich nicht dämpfen lätzt durch den
Rclativismus unsercr heutigen Ge-
schichtsbetrachtung.

Jn der Schweiz haben solche Ge-
denkfcstc seit wenigcn Jahren einen
eigencn Charakter gewonnen. Man
begnügt sich nicht mehr blotz mit Er-
innerungsreden, die zwischen zwei
Gängen des offiziellen Festbanketts
die geschichtliche Bedeutung des Fest-
tages klarlegen, oder mit festlichen
Umzügen, die das historische Kostüm
der alten Zeit zur Schau bringen,
sondern wo es irgendwie möglich ist
soll cin Fcstspiel die Bergangcnhcit auch
in Gebärde und Rede erstehen lassen.

Dies ist nicht nur der Fall, wenn
ganze Kantonc bedeutsame historische
Ereignisse feicrn, wie ctwa dcn Ein-
tritt in die Eidgenossenschaft odcr den
Gcdenktag ciner für die vaterländische
Geschichte entscheidenden Schlacht, son-
dern auch andere feierlichc Anlässe
bieten Gelegenheit, ein Stück Bergan-
genheit dramatisch lebendig werden
zu lassen, ja in literarisch regsamen
Zentrcn wie z. B. in Hottingen-Zürich
mit seinem Leseverein wird gelcgentlich
schon der hundertjährigc Gcburtstag
cines Literaten oder Patrioten durch
Aufführung eines eigens gedichteten
Fcstspiels gefeiert.

Es ist nicht zu verkennen, datz
dieses gesteigerte szenische und dra-
2. Vktobcrheft tgot
 
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