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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 3 (1. Novemberheft 1901)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [13]: Garteneingänge
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0114

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Man vergleiche die Gartencingänge Abb. l l und s2. Dcr crstere
bildete cinen Typus des natürlichen „gewachsenen" Garteneingangs,
wie ihn der wohlhabende Städter iin s8. und zu Beginue des Jahr-
hunderts sich baute. Von der Art dieser Gartenanlagen sprach ich
schon. Jn den breiteren Gartcnstraßen blicb in der den ganzen Garten
umziehenden hohen Mauer eine breite Lücke, die nur durch Lattenwerk
geschlossen war und in deren Mitte die Eingangsthür lag. Doch pro-

fanierte dieser Einblick den Garten nicht; wie in all dcn harmonischen

Anlagen jener Zeit war auch die Lage des Hauscs mit feinem Sinn

darauf berechnet. Dieses schloß dann mit seiner breiten niedrigen

Front den Garten gegen die Bresche zu ab, indem man zwischen Haus
und Gitter cin breites und langes Blumcnparterre legte, das gleichsam
eincn crweiterten Eingang des Hauses bildete, und durch desseu bunten
Teppich der breite mit Buchs cingefaßte Weg gerade auf die wicderum
breite Thür des Hauses führte. Eine solche Lösung bedeutete natürlich
durch ihre Raumverschwendung eine ziemlich luxuriöse Anlage. Wer
auf solchen Luxus verzichteu mußte, der wählte eine andere Lagerung
des Hauses zum Garten, aber er suchte nicht durch bloße Verkümmerung
und Verkleinerung dcr reichen Anlage den Schein einer solchen aufrecht
zu erhalten, wie das hcutzutage üblich, ja für gewisse Straßen — bau-
polizeiliche Vorschrift geworden ist. Abb. zeigt diesen Typus. Der
Sinn dicser baupolizeilichen Vorschrift entspringt ja ganz sicher dem
gutcn Willen, das Entstehcn von bloßen Fronthausstraßen zu verhindern,
indem man die ,Zinsvillen" mit etwas Grün umputzt. Aber die
Vorschriften sind wieder einmal zu kurz gedacht: mit etwas mehr
Phantasie oder wenigstens mit etwas Studium der gutcn altcn Anlagen
ließe sich derselbe gute Zwcck erreichen, ohne jenen armscligen Ttzpus
groß zu züchtcn. Man wird nicht leugnen können, dah so wie Bild s2
die meisten „Zinsvillen"-Straßen in großcn und kleineu Städten aus-
sehen. Zu dem kläglichen Typus kommt nun eine noch kläglichere Aus-
führung. Aus den kräftigen monumentalen Sandsteinpfostcn sind arm-
selige Pföstlein gdworden. Aber was an Monumentalität abgeht, wird
durch gar herrlich reiche Ornamentik ersetzt l Man ruht nicht ehcr, als
bis das Ganze durch lauter Kleinkram kurz uud klein zerhackt und jede
kräftige Wirkung aufgehobcn ist. Auch über diese Formenauffassung ist sachlich
nichts ncucs mehr vorzubringen; ich kann cincn jcden, der noch überzeugt
sein will, nur bittcn, beide Bilder neben einandcr auf sich wirken zu lassen.

Die schönste Art der Gartcncinfricdigung wird wohl immer dic
hohe Mauer blciben. Nicht allein für den, der drinnen ist, sondern
auch für den außen Vorübergehcnden, denn es ist etwas Köstliches um
dcn heimlichen verschwicgenen Zauber ciner hohen Mauer, über wclche
die Bäume sich ncigen. Gcwiß ist eine solche Maueranlagc-die teucrste
Lüsung der Garteneinfriedigung. Hat man nicht trotzdem auch heut noch oft
genug die Mittel dazu? An der Sparsamkeit liegt es nicht, wcnn die
neuen Anlagen lächerlich aussehen. Man vergleiche Nr.sZ und Jn
beiden eine vollkommcn identische Anlage. Aber auf dem obcren Bilde
fühlt man sich wohlig gcstimmt und auf dcm unteren mcint man einem
Sargdeckel gcgenüberzustehcn. Die Verzierungen geben den Eindruck
der Armut, nicht des Rcichtums, währcud die schlichtcu Linicn dcr
Holzthür von Vornehmhcit und Behagcn reden.

Kunstwart

— ss -
 
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