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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 4 (2. Novemberheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0186

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tigte Schundromanfabrik als ihre
Kundin aufführen durfte. Aber mit
dcm Lachen allein kammen wir über
dcrartige Ergüsse doch nicht hinweg.
Es ist bedauerlich, datz gcrade die
Politiker im Reich das im allerbcsten
Sinn Konservatioe unsrer Be-
wegung nicht zu erkenncn vermögen.
Reichlich die Hälfte unsrer Bcstrc-
bungen gehen ja darauf hinaus, dem
Volke wiedcrzugewinnen, was es in
Edclmann, Bürgcr und Baucrn jahr-
hundertelang besesscn hat. Auch dic
Besprechungen des Kunsterzichungs-
tages zielten nicht auf das Züchten
von Kunst- und Kritikbetrieb, sie wollten
vor allem Hemmungen der natürlichen
harmonischen Entwicklung wieder weg-
bringen, wclche die Neuzeit aufgebracht
hat. Gewitz, der mächtige soziale Zug
der Zeit führte noch anderes hinzu.
Wären jene konservativen Hcrren aber
wirklich gute Politiker, so würden sie
sich bei aller Ablchnung des „rcvolu-
tionären'" ElementeS in unserer Bc-
wegung doch mit dem konscrvativen,
ja »reaktionären" Elemcnte darin oer-
bünden. Oder läht z. B. die Ver-
elendigung unsres Bauens in Stadt
und Dorf, der Jammer unsrcs Talmi-
Gewcrbes und all jene Parvenüwesen
sonst noch, das an Stellc gediegencr
Schlichtheir gründermähiges Protzcn
und komödiantcnhafte Dekoriererci
gesetzt hat, jene Herren zu kühl, als
daß auch ihncn eine Gegenbewegung
wünschenswert erschiene?

' Klinger, so hieß es neulich,
soll das Hamburger Brahms-Denkmal
machen — dann aber hich es: be-
schlossen wäre noch nichts. Klinger,
las man ferncr, solle nach Wien be-
rufen werden — warum bcruft man
ihn nicht nach der Hauptstadt scines
Vaterlandes Sachsen? Klinger, so
hieh es ein drittes Mal, werde wohl
doch mit der Ausmalung dcs Treppen-
hauses im Leipziger Museum nicht
beauftragt werden. Wir wissen nicht,
was an all dem ist, denn Klinger
Kuusttvart

läßt in Paris den Thronsessel sür
seincn Veethoven machen, und er pole-
misiert nicht, wcnn er arbeitct. Aber
das wollcn wir fragcn, weil's keiner
sonst fragt: hat man cigcntlich in all
den „betreffenden" Kreisen eine Ahnung
davon, daß Klingcr scit Bücklins Tode
ohnc jeden Nebcnbuhler das grötzte
lebende Genic dcr deutschen bildenden
Kunst ist? Jch wiedcrhole: wir fragen,
weil keiner sonst es fragt. Dcmi
wenn's nach ein paar Jahrzehnten
heitzen wird: das alles konntcn die
Zeitgcnossen von diesem Grotzcn haben,
aber sie wolltcn's nicht, so soll man
wenigstens von uns sagen, datz wir
die Hände in Unschuld waschcn durftcn.

A.

Verrnilckteo.

* Jst das öffentliche Zitiercn
von Privatbriefen zu Reklamc-
zwcckcn cin Unfug odcr ist's keincr?
Wären wir Engländcr, wir würden fra-
gcn: ist's Aentlowanlilrv? Früher war
das gar kcineFrage, dcnn dasNcin schicn
als Antwort selbstvcrständlich. Privat-
briefe sind eben nicht für die Oeffent-
lichkeit geschrieben, sondern für Privat-
lektürc: Wohlwollen, Höflichkcit, auch
konvcntionclle Redcnsart stehen unter
ganz andcrn Bedingungcn, wcnn nian
dcm unmittclbar Betciligtcn unter
vier Augcn cine Mcinung sagt, als
wenn man unter sachlichcr Verant-
wortung vor der Oesfentlichkeit cin
Bekenntnis ablegt. So war die
altmodischc Ansicht, die neumodische
aber ist wesentlich andcrs. Grott-
hußens ,Türmcr" z. B. — ja, leider
Grotthutzcns ,Ti!rmcr"I — hat nicht
nur cincn Bricskasten, in dcm
privates Lob aus dcm Lcserkreise
ausgehängt wird, sondcrn er weist
auf solches Privatlob auch noch in
seinem Prospekte mit sv gerührtcr Ge-
bärde hin, als wützt' cr nicht, datz
jede nur einigermatzen pcrsönlich gc-
leitcte Zcitschrift dcrartigcü Lob aus
 
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