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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI issue:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1901)
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Avenarius, Ferdinand: Literarische Ratgeber des Kunstwarts für 1902, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0192

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sein, was morgen gleichgiltig ist.« Gut, jedoch auch beim Besprechen der
neuen Erscheinungen sollte immerhin eine Auslese und eine Ordnung
sein, sollten doch irgendwelche Maßstäbe angelegt, sollten doch Abstände
gehalten werden. Jch muß wieder bekennen: auch davon merke ich bci
den jetzigen Weihnachtskatalogen wenig. Was hilft es, wenn man Groth
oder Fontane einen echten Dichter nennt, nennt man gleich darauf
Tinchen Schulze oder Nataly von Eschstruth eine echte Dichterin? Oft
drängt der Verdacht sich auf: Hier hat jeder Rezensent gerade die Bücher
zur Besprechung bekommen, die gerade er erklärte, empfehleir zu
können. Ausnahmefälle find zuzugeben, -— im großen Ganzen hat,
wer unsere Weihnachtskataloge unbefangen durchliest, den Eindruck der
Allesloberei. Wo trügen sie zur Gruppierung, zur Sichtung bei?

Drittens: Machen schon die Besprechungen solchen Eindruck, so ver-
stärkcn ihn die Listen. Jn ihnen ist auch die ältere Literatur vertreten,
aber ich frage jeden Buchhändler aufs Herz: ist sie's nach einem andern
Gesichtspunkt, als nach dem der »Gangbarkeit?« Jch blättere in der
Liste der Erzählungen, ja freilich, da drohen auch sie mit dcn ganzen
Breitseiten ihrer poetischen Entladungen, die Ballestrem, die Marlitt, die
Heimburg u. s. w., und zwischen ihnen sitzen all die Männlein herum,
die alljährlich ihre beliebten poetischen Strümpfe stricken. Sagt ihr, das
Publikum will das einmal, gut. Nur bitten wir dann, keine Entrüstung
zu markieren, wie damals, als wir im Kunstwart zuerst dicse Weihnachts-
kataloge ohne Umschleierung des Sachverhalts geschäftliche Unter-
nehmungen nannten.

Deshalb also versuchten wir's seit 1899 mit einem eigenen Weihnachts-
kataloge. Wie viel Fehler er hatte, drei gute Eigenschaften hatte er
doch: Wir gaben, erstens, Uebersichten nicht nur über die Novitäten,
sondern über die Gesamtliteratur, so weit sie in Frage kommt, wir
sprachen, zweitens, auch von den Novitäten nur mit vorsichtiger Aus-
wahl, wir gaben, drittcns, Listen, die den Schund, den es in unserer
Literatur zu bekämpfen gilt, und die kleinen netten Sachen, welche die
Mode groß aufgeblasen hat, nicht in all ihren Prachtcn weiterverluden.

Trotz aller theoretischen Erkenntnis von der Notwendigkeit solchen
Versuchs überraschte uns dcr Erfolg. Der Buchhandel, der sich um die
Voranzeige unseres Katalogs in den Fachblättern sehr wenig gekümmert
hatte, begann nach dem Erschcinen so eifrig zu bestellen, daß unsere
ganze stattliche Sonderauflage in etwa drei Wochen bereits vollkommen
vergriffen war. Die Teilnahme im Leserkreise war im höchsten Maße
erfreulich. Und sie erlosch nicht mit der Weihnachtszeit. Das
ganze Jahr hindurch bewicscn uns Zuschriften, was andere Beobach-
tungen bestätigten: Wir brauchen nicht nur cinen Weihnachtskatalog,
wir brauchen eine kurze kritische Uebersicht nicht nur über Geschenkbücher,
sondern wir brauchen einen Berater über die gesamte Literatur, soweit
sie sür den gebildeten Bücherfreund außerhalb seines Fachstudiums in
Frage kommt, eine Uebersicht, die ihm das ganze Jahr hindurch
ihre Dienste leistet.

Diesc Erkenntnis zeitigte in uns natürlich den Wunsch, den Mängeln
nbzuhelfen. Unsere ständigen Mitarbeiter lasen, notierten, kritisierten und
rubrizierten die Monate seithcr, fahten dann zusammen und unterbreitcn
uun den Lesern das Ergebnis. Da uns die Kunst nur ein Wcg zu

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