sich, wcil inhaltlich wie formell viel Späteres auf sie zurückgeht; wer selbst
Stimmungskraft hat, dem wird zudem Klopstock noch heute stark entgegenkommen.
Claudius, Hölty und Bürger mit ihren Gedichten dürfen dann auch nicht
fehlen, sie sind in manchem, besonders Claudius in seiner wundersamen Jnnig-
keit, sogar unübertroffen geblieben. Lessing lebt mit seinen drei Meisterdramen,
Wieland mit dem „Oberon", Herder mit dem „Cid" — die prosaischen
Schriften Lessings sind ganz der Schule verfallen, rvährend Herder auch reiferen
Männern heute noch ein Anreger sein kann. Möser und Engel empfehlen
wir wegen einiger prosaischer Kabinettstücke, Lichtenberg als einen der klarsten
Köpfo und besten Prosaisten, die wir je gchabt haben. Die Stürmer und
Dränger wird noch lesen, wer bcsondere Teilnahme sür cine gährcnde
Jugcnd hat — von Lenz sind „Die Soldaten" dem „Hofmcister" vorzuziehcn,
von Klinger die Reflexionen sehr schätzbar, obschon man auch den einen oder
den andern Roman noch lesen kann, von Maler Müller haben die „Jdyllen",
vor allem auch dic antikcn, großen Reiz. Damit wärcn wir zu Goethe nnd
Schiller gelangt, die selbstverständlich ins deutsche Haus mit ihren Gesamt-
iverken gehörcn. Jean Paul als ganzer ist für scltenc Liebhaber, aber jcder
sollte wenigstens ein Werk von ihm lesen, um zu sehen, wie er ihn anspricht,
denn wem Jean Paul überhaupt ctwas giebt, dcm giebt er viel. Höldcrlin
ist viel wichtiger als man denkt, beispielsweise verdankt ihm Nietzsche viel,
und für die Verdcutschung der antikcn Form hat er wcit mehr gethan, als
Platcn. Auch Novalis kann in gewisser Bezichung nicht „überwunden"
werden, zum mindesten sollte man sich durch seine Aphorismen anregen lassen.
Von Tieck genügt eine hübsche Auswahl, ctwa idie von Klee — cr ist der
eigentliche Begründer der deutschcn Novelle. Achim^von Arnim und Clemens
Brentano können trotz all ihres Talents eher übergangen werden, dagegen
wird E. T. A. Hoffmann scinen Ruf als „romantischc Spezialität" wohl
noch lange bewahren. Wenn man einem jungen Mädchen Fouquds „Undine"
oder Ernst Schulzes „Bezauberte Rose" schenkt, so wird's ihm wahrscheinlich
Vergnügen machen. Heinrich von Kleist gehört auf jedes Bücherbrctt
der Frau wic des Manncs. Körners Wcrke cmpfehlen wir der Jugend,
J.P. Hcbels „alcmannischc Gcdichte" und zumal Uhlands Lyrik jedermnnn.
Von Chamisso, Eichcndorff, Rückcrt, Wilhelm Müllcr, Platcn,
Jul. Mosen, Lcnau wird man je nach dem „Gcschmacke" bevorzugen oder
ablehnen, von Heines Lyrik wünschten wir eine strenge Auswahl nach ästheti-
schcn, nicht „moralischen" Prinzipien, die lcidcr fehlt, Annette von Droste
empfehlen wir durchaus, Eduard Mörike auf das dringenste. Grillparzer
darf beanspruchen, mit seinen Gesamtwerken berücksichtigt zu werden, von denen
socbcn billige Ausgaben crschicnen sind, Raimund wird naivcre Lcser schr
crfrcucn, vvn Grabbc und Büchncr gcnügt dcm, der sich snicht des Be-
sonderen mit Litcratur bcschäftigt, irgcnd ein Stück. Eine Reihe trofflichcr
Romane bieten Jmmcrmann („Münchhausen", nicht bloß der „Oberhof"),
Sealsfield, W. Alexis (alle brandcnburgischen Romane dic hoffcntlich
bald in ganz billigcn Ausgabcn crscheinen), vor allem Jercmias Gott-
hclf, den wir an ursprünglicher Kraft übcr alle andercn stellcn. Stiftcr
wird immer seine Frcundc und jnicht allcin unter den Naturschwelgern haben.
Zu dcn Gutzkow und Auerbach wird hin und wicdcr'zurückkchren, wer ihre
historische Bedcutung begreifen will. Freiligrath, Herwegh, Dingclstedt
und die andcrn Lyrikcr ihrer Gruppc kann man wohl hinrcichend aus Antholo-
gien kcnnen lcrncn.
1. Dczembcrbcst zqoi
Stimmungskraft hat, dem wird zudem Klopstock noch heute stark entgegenkommen.
Claudius, Hölty und Bürger mit ihren Gedichten dürfen dann auch nicht
fehlen, sie sind in manchem, besonders Claudius in seiner wundersamen Jnnig-
keit, sogar unübertroffen geblieben. Lessing lebt mit seinen drei Meisterdramen,
Wieland mit dem „Oberon", Herder mit dem „Cid" — die prosaischen
Schriften Lessings sind ganz der Schule verfallen, rvährend Herder auch reiferen
Männern heute noch ein Anreger sein kann. Möser und Engel empfehlen
wir wegen einiger prosaischer Kabinettstücke, Lichtenberg als einen der klarsten
Köpfo und besten Prosaisten, die wir je gchabt haben. Die Stürmer und
Dränger wird noch lesen, wer bcsondere Teilnahme sür cine gährcnde
Jugcnd hat — von Lenz sind „Die Soldaten" dem „Hofmcister" vorzuziehcn,
von Klinger die Reflexionen sehr schätzbar, obschon man auch den einen oder
den andern Roman noch lesen kann, von Maler Müller haben die „Jdyllen",
vor allem auch dic antikcn, großen Reiz. Damit wärcn wir zu Goethe nnd
Schiller gelangt, die selbstverständlich ins deutsche Haus mit ihren Gesamt-
iverken gehörcn. Jean Paul als ganzer ist für scltenc Liebhaber, aber jcder
sollte wenigstens ein Werk von ihm lesen, um zu sehen, wie er ihn anspricht,
denn wem Jean Paul überhaupt ctwas giebt, dcm giebt er viel. Höldcrlin
ist viel wichtiger als man denkt, beispielsweise verdankt ihm Nietzsche viel,
und für die Verdcutschung der antikcn Form hat er wcit mehr gethan, als
Platcn. Auch Novalis kann in gewisser Bezichung nicht „überwunden"
werden, zum mindesten sollte man sich durch seine Aphorismen anregen lassen.
Von Tieck genügt eine hübsche Auswahl, ctwa idie von Klee — cr ist der
eigentliche Begründer der deutschcn Novelle. Achim^von Arnim und Clemens
Brentano können trotz all ihres Talents eher übergangen werden, dagegen
wird E. T. A. Hoffmann scinen Ruf als „romantischc Spezialität" wohl
noch lange bewahren. Wenn man einem jungen Mädchen Fouquds „Undine"
oder Ernst Schulzes „Bezauberte Rose" schenkt, so wird's ihm wahrscheinlich
Vergnügen machen. Heinrich von Kleist gehört auf jedes Bücherbrctt
der Frau wic des Manncs. Körners Wcrke cmpfehlen wir der Jugend,
J.P. Hcbels „alcmannischc Gcdichte" und zumal Uhlands Lyrik jedermnnn.
Von Chamisso, Eichcndorff, Rückcrt, Wilhelm Müllcr, Platcn,
Jul. Mosen, Lcnau wird man je nach dem „Gcschmacke" bevorzugen oder
ablehnen, von Heines Lyrik wünschten wir eine strenge Auswahl nach ästheti-
schcn, nicht „moralischen" Prinzipien, die lcidcr fehlt, Annette von Droste
empfehlen wir durchaus, Eduard Mörike auf das dringenste. Grillparzer
darf beanspruchen, mit seinen Gesamtwerken berücksichtigt zu werden, von denen
socbcn billige Ausgaben crschicnen sind, Raimund wird naivcre Lcser schr
crfrcucn, vvn Grabbc und Büchncr gcnügt dcm, der sich snicht des Be-
sonderen mit Litcratur bcschäftigt, irgcnd ein Stück. Eine Reihe trofflichcr
Romane bieten Jmmcrmann („Münchhausen", nicht bloß der „Oberhof"),
Sealsfield, W. Alexis (alle brandcnburgischen Romane dic hoffcntlich
bald in ganz billigcn Ausgabcn crscheinen), vor allem Jercmias Gott-
hclf, den wir an ursprünglicher Kraft übcr alle andercn stellcn. Stiftcr
wird immer seine Frcundc und jnicht allcin unter den Naturschwelgern haben.
Zu dcn Gutzkow und Auerbach wird hin und wicdcr'zurückkchren, wer ihre
historische Bedcutung begreifen will. Freiligrath, Herwegh, Dingclstedt
und die andcrn Lyrikcr ihrer Gruppc kann man wohl hinrcichend aus Antholo-
gien kcnnen lcrncn.
1. Dczembcrbcst zqoi