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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1901)
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Hirschberg, L.: Karl Loewe, ein Tondichter der Kinderwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0303

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in der „Gcsanglehre" finden, so wollten wir sie nicht aus dem Zusammen-
hange reißen. Aber auch dicse zweite Abteilung zeichnet sich aus durch
verhältnismäßig leichte Ausführbarkcit in Singstimme und Begleitung,
so daß jede nur einigermaßen musikalische Mutter ihren Lieblingen
damit eine Freude bereitcn kann. Jn »Hans und Grete" (Uhland),
„Einrichtung" (Gruppe) und »Zwist und Sühnc" (Simrock, Bd. (6)
werden zwci Kindcr sprechend eingeführt, die sich nach kleinen Wort-
plänkelcien immer wiedcr versöhnen; durch dic köstliche Ausführung von
.Zwist und Sühne" hat das Ehcpaar Staudigl in seinem letzten Ber-
liner Konzertc lcbhaften Beifall geerntet. Auch „Jugend und Alter"
und „Amanda"' (lctztcres in ciner alten, vcrgilbten Liedersammlung
aufgefundcn) zeigcn frische und dabei anspruchslose Melodik. Alles aber
wird in den Schattcn gestellt durch den »Zahn^, eines der humor-
vollstcn Gedichte des trcfflichcn Matthias Klaudius; „Viktoria! Viktoria!
Der kleine, weihe Zahn ist da!" So beginnt das Lied mit einem
Triumphgesänglcin; allcs wird herbeigerusen, um in den Mund zu
guckcn und den neuen hellcn Schein dort zu bewundern; dann wird
dem wichtigen Beißwerkzcug der hochtrabende Name „Alexander" bei-
gclcgt. Geradc dics lctztcrc ist in der Musik höchst drollig ausgcdrückt;
dic bis dahin nur aus cinfachcn Tönen bestehende Begleitung wird bei
Erwähnung dcs heroischcn Wertes rccht schwer und vollakkordig. Die
reizcndc und leichtfaßlichc Melodik des Liedchens muß es zu einem
Liebling der Kindcr machen.

Die übrigen Kinderlieder Locwcs finden sich in andern Bänden
der Ausgabe. Meist ist es die Tier- und Blumenwelt und die schüne
Gottesnatur, was die Grundlage der Textworte hergibt; daneben finden
sich Märchen, Fabeln und Legenden. Das trauliche .Maiblümelein"
(Bd. 2) wird von den Strahlen der Frühlingssonne wach geküßt und
die „Frühlingsluft" (Bd. (6) lockt die Kleinen ins Freie. Dann hören
wir vom „Maikäfer" (Bd. y), der sich vom Glühwünnchen leuchten
läßt, um dcr schönen Fliege ein Ständchcn zu bringen; wir hören, wic
übel es dcm stürmischcn Liebhaber ergeht, da Jungfer Fliege ihm cinen
ganzen vollcn Tropfcn Tau über den Kopf gießt. Das „Vöglein",
das „Fischlein" und der ,Jägerbursch" (Bd. (6) treten in einfachen,
anspruchlosen Wcisen vor uns.

Wenn wir dic drei Rückertschcn Gedichte .Zeislein", ^Jch und
mein Gevatter" (Bd. (7) und ,Kleiner Haushalt" (Bd. (5) auch unter
die Kinderlieder rcchnen, so thun wir dics nur in dem Gedanken, daß
für die Kinder nach altcm Spruch das Bestc gut genug sein soll, wenn
sie's nur eben crfassen können. Denn ihrem musikalischcn Gehalt nach
sind dicse drci Gcsänge Mcistcrwcrke. Wie lieblich schaukelt sich das
Zeislcin hoch obcn im Baum, wo scin Häuschen aus zarten Rcisern
aufgcbaut ist! Wie komisch kommt dcr dickschnabelige, schwerfüllige
Vogel 5?crnbeißer auf den mclodischcn Ruf scincs Gevatters, des Kirsch-
vogels, angcflattcrt, um dic Kernc aufzuknacken, die ihm der nach der
süßcn Frucht lüsternc Vettcr großmütig aufbewahrt hat. Und nun der
.Kleine Haushalt", dcn sich cin Elfe cingerichtct hat und dcn er nun
in zauberischer Anmut beschrcibt! Uebcr die musikalischen Feinheitcn
dieser Zyrischen Phantasic', wic sie Loewe ncnnt, könnte man vicle
Seitcn schreibcn. Das Klopfcn dcs Spcchtcs, das Zirpen der Grillc,

2. Dezcmberbeft 190 t
 
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