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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1902)
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Avenarius, Ferdinand: Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0348

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Plätzen: Denkmälerchen drauf, je mehr desto besser, so werden sie schün.
Denn was macht schön, als Tressen und Klunkern?

Nein, bleiben wir trotz des Oberbürgermeisters von Breslau ernst.
Tressen und Klunkern machen so wenig schön, wie irgend ein Putz etwas
Häßliches schön macht! Gestaltung kann schön machen, weiter nichts.
Aber selbst ein plastisches Werk, das an und für sich vollkommen ist, ist
deshalb noch nicht ein Schmuck, ein Schmuck wird es erst, wenn's dem
betreffenden Platze „steh t". Geben mir das zu — und keiner wird es
im Ernst bestreiten — so entschleiern sich uns einige Hauptfehlcr unsres
Denkmalelendes schncll. Zunächst, wir gehen von der Voraussetzung
aus, datz stets Leute da sind, die monumental gestalten künnen, eine
Voraussetzung, die, wenn wir aus der Kunstgeschichte schlictzen dürfen,
falsch ist. Zweitens, die übliche Art, ein Denkmal vorzubereiten, bietet
recht wenig Bürgschaft dafür, daß wir aus den immerhin verfügbaren
Kräften die geeignetsten finden. Dann, wir stecken als Laien den Künstlern
durch allerhand Bedingungen über das, was wir haben wollen, den Weg ab,
statt umgekehrt uns von den Künstlern die Wege zeigen zu lassen.
Viertens, wir bestiinmen schließlich, was gemacht werden soll, gewöhnlich
auch noch abseits vom Standplatz; keine Frau von Geschmack kauft auch
nur ihren Hut ohne ihn auf Haar und Körpergestalt zu probieren, wie oft
aber stülpen wir den Stratzen auf, was wir nur von eincm niedlichen
Modellchen auf irgend einem Gestellchen her kennen. Vom Dutzend-
denkmäler-Trödelmarkt reden wir dabei heute nicht einmal, noch auch
von andern Stapellauf-Fährnissen, ehe die Denkmälcr in die Stratzen
schwimmen.

Jeder unabhängige Künstler, der sich durch seine Leistungen diesen
Namen verdient hat, gibt es zu, daß bis auf verschwindend wenige
Ausnahmen die Standbilder der letzten Jahrzehnte überhaupt keine eigent-
lichen Kunstwerke sind. Wer zählt ein Dutzend davon, die andere Leute
befriedigt hätten, als ihre Väter, ihre Nährväter, die Festredner und die
lokalpatriotischen Rezenscnten, ein Dutzend, das uns da oben auf dcn
Sockeln nicht Schauspieler zeigten, die irgcnd einen Großen mimen, son-
dern die Stein oder Erz gewordene Seele dieses Grotzen selbst? Wer ein
halbes Dutzend, die uns den Eindruck erwecken: das mußte sein, das
mutzte gesagt werden, das erschlietzt mir, was ich noch nicht empfand?
Wer nur ebenso wenige, die sich, wenn sie anfangs wirklich geschützt
wurden, in der Schätzung auch hielten, die nicht allen gleichgiltig
wurden übers Jahr? Gleichgiltig schon übers Jahr hiu, die doch als
Denkmale kommenden Geschlechtern zeugen sollten?! Nein, wer mit
den Augen des Kunstfreundes über unsre modischen „Monumente" mit
oder ohne Pferd hinsieht, dem kann ein Gefühl kommen, als kreiste ob
unsrer ganzen Standbilderplastik der Pleitegeier. Sic ist nichts weniger
als deutschem Leben von innen heraus entwachsene echte, ehrliche, tiefe
Kunst, sie ist äußerlich, prahlerisch, aufgeputzt, sie ist parvcnühaft und
riecht nach Gründertum.

Wir sprechen nicht etwa gegen plastische Werke auf Plützen und
Gassen überhaupt. Gewitz nicht, die Bildhauerkunst könnte mit einer
weit rcichercn Fülle von grotzen und kleinen Gaben ins Volk gehen und
sollte tausendfach willkommen sein. Aber mit Gaben nach ihrer Wahl.
Mit Kunst-Geschöpfen, die nicht durch tausend Rücksichten behindert
Aunstwart
 
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