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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 7 (1. Januarheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0375

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ihr Verleger keine Kostcn (es knnn ja
auf der reichlichen halben Million ver-
kaufter Bände stehen) und schickt ste
zivischennein noch nach Transvaal und
China, so ist Aussicht vorhanden,
datz sic ctwa beim zwanzigsten oder
dreißigsten Bande das Matroncnalter
der Buchholzen, die gegen sie eine
wahre Dichtergestalt ist, errcicht. Welche
Aussichten abor eröffnen sich dann noch
bis zur Urgroßmutter?

Jung stirbt Lotte Bach sicher nicht,
denn Margarethe Michaelson hat mit
schoner Offenheit zugestanden, daß sie
gerne „im Verdienen bleiben" möchte.
Die Frage ist nur die: wird es ihr
gelingen, in noch lüderlicherem Deutsch
mit noch widerlicherer Dreistigkeit noch
plnttere Trivialitäten vorzubringen
und die völlige Unkenntnis der Kreise,
dic sic darstellen will, noch schlagender
zu beweisen? Wenn — ein Beispiel
aus hunderten — die Gehcimrats-
tochter Lotte ihren Lehrer: Ferkel,
Schweinzcugs, ölig Borstenvieh betitelt
oder bei einer Begegnung ihren vor-
nehmen Bräutigam in überströmonder
Licbc Wonneknopp, Wonnevieh, süßes
Monstrum, Affenschwanz, Herzens-
wonneschöps nennt, kann es der
Autorin da glückon, auch bei eisrigem
Studium des Grünkramjargon noch
Stcigerungen zu finden? Wenn die
Range schon im ersten Band davon
spricht, daß sie mit ihren Kindern
jcdcn Tag unter die Lindcn renncn
und ihncn den alten Kaiser, Bismarck
und Moltke zeigen wollc und wciter
„von glühendem Patriotismus stram-
pclnd" von dcm kleinen „piep-klugcn"
Enkel spricht, dcr zu den größten Hoff-
nnngen berechtigt und dann, 50 Seitcn
wciter, wenige Wochcn spüter damit
renommiert, „daß sie alle drei Kaiser
von Angesicht zu Angesicht gesehen"
habe, läßt sich solche sachliche
Schludcrarbeit noch nbcrbicten? Wird
sie die Scharmützel, die sie öfter mit
der deutschen Sprache führt, wenn sic
z. B. den Knnstmaler A. seiner Frau

erklären läßt: „Dn hast einen Genie
zum Gatten", in einen regelrechten
Kriegszustand verwandeln können?
Allerdings, ein wenigstensfürDeutsch-
land fast neuer Gcdanke, den Bong hier
cinsührt, ist noch sehr „ausbaufähig".
Geschäftliche Anzeigen an den Schluß
eines Bandes zu setzcn, ist eine
alte Verlegersitte, gegen die sich im
allgemeinen auch nicht viel einwenden
läßt — Bong macht von ihr jctzt
! weniger Gebrauch, sie wirkt wohl nicht
genug. Eine schöne neue Einrichtung
ist die, Jnserate schlichtweg in den
Text zu drucken. ^Z. B.: „Und du
glaubst doch nicht, daß er eine Andre
liebt?, sagte sie bebend. Schmerzloses
Zahnziehen, ohne Narkose (eigene Er-
findung), bei X. X., da und dort. Jch
muß dir das Furchtbare enthüllen,
antwortete er" u. s. w. Auf diese Weise
macht eine neue „Berliner Kolportage-
Roman-Bibliothek" ihren Schnitt. Aber
Bong versteht sich noch besser aufs
Geschäft. Er bringt Arm in Arm mit
Frl. Michaelson die Reklamen mitten im
Text als Text. Also nicht nur in
mechanischer, sondern in chemischer
^ Verbindung Geschäfte aller Branchen
^ werden da mit genauer Adresse em-
psohlen. Für Schauspieler nnd für
den neuen seriösen Noman, den Frl.

^ Michaelson nebenbei schreibt, vor allem
! aber natürlich die „Moderne Kunst"

^ wird Tamtam geschlagen.

Jn einer Reklame, die Bong
^ außcrdem noch — doppelt reißt nicht
! — am Schluß von Band VI der „Range"

! bringt, nennt er diese scine „Moderne
^ Kunst" bescheiden „die beste Zeit-
schrift dcr Welt". Daraufhin muß
man sie sich doch wieder 'mal ansehen,
solltc sic sich so verändcrt haben?
Währcnd noch das Oktoberheft außer
cinigen Blättern, die das Dckorum
wahren und zugleich etwaige ernstere
Leutc beim Abonncment halten sollen,
mit kunst- und geistlosen Zirkus-,
Atclier-, Sport-und Sklavinncnhandcl-
Bildern auf die Lüsternheit skrupellos
t. Ianuarbeft ^902
 
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