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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 7 (1. Januarheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0376

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und raffiniert spekulicrt, ist das Weih-
nachtsheft ganz auf das festlich ge-
rührte Gemüt gestiinmt. Da wird
uns vargeführt: „Wenn alle Welt
fröhlich ist", zuckersüße tanzende eng-
lische Kindcr von Goodman, „DaS
Paradies auf Erden", eine Muttcr mit
ihrem nackten Engelskind, ein schwaches
Bild von Tadema, Danckelmanns Ber-
haftung am Weihnachtsabend von
Sturtevant und ein samt der Erklärung
geradezu unglaublich gemütsrohes sog.
„humoristischcs" Bild: Das „Freibillet"
von Cucucl. Damit doch aber am
deutschen Feste schandehalber auch ein
paar deutsche Maler vertreten seien,
crhalten mir außer einer sehr schwachsn
Caecilic von Schlcibncr und den
forsch berittenen hciligen drei Königen
von Speyer, außcr dcn üblichen Hunde-
und 5latzenbildern schelmischen „Ge-
müts"tons zwei farbige,stark demimon-
däne Dämchen von Schram und von
Wobring, von denen uns die eine alS
„Blumenkönigin auf dem Weihnachts-
bazar" plausibel gemacht, dis andre aber
gar als „Herzensdieb" vorgestellt wird.
Die Merkmale desStumpfsinns bestellter
Arbeit tragen die Blätter „Weihnachten
im Zirkus" und „Töff, töfs, töff l" (sic
hat ihm ein Automobil gcschenkt
und cr tutct ihr jetzt unterm Weih-
nachtsbaum die Ohren voll) dcutlich
an der Stirn. Und so geht's weiter
durch das „überaus reichhaltige" Heft.
Auch das begleitendc Wort ist um
nichts besser. Jrgend etwas von
ernsthafter „modernerKunst"bekommen
wir weder zu schen noch zu lesen.
Ueberall ein bewußtes Spekuliercn
auf das Platteste oder auch das Ge-
meinste, eine schlechtwcg ekelerregenbe
Geschäftsmachorei. Von innerlichc r
Kunst ist auch nicht ein einziges
Stück in diesem „Weihnachtshefte".

Als der Kunstwart vor eincr Reihe
von Jahren dcn Kampf gegen die
Bongsche Wirtschast aufnahm und auf
das üsthetisch Hohlc und ethisch Nicdrige
dicser Machc hinwies, die, blcndend
Aunstwart

^ mit technischer Brillanz und sarbiger
I Eleganz, allen Bestrebungen auf Ver-
tiefung dcs Kunstgefühls auf das
Gefährlichstc entgegcnwirkt — da war
! noch die Zeit, da alle Blätter ringsum
selbst die Bongschen Waschzcttcl über
das Jubiläum dieses „um die dcutschc
Kunst so hochvcrdienten Mannes" zu-
stimmend abdruckten. Mittlerweile hat
Bong die „Berliner Rangc" hcrauZ-
! gegeben und dainit den ernstcren Leutcn
^ die Augcn übor sich aufgemacht. Sollte
i man's aber für möglich halten, daß
selbst diese Erbürmlichkeiten in unsrer
Presse gelobt wurden, ja daß es
! sogar anständige Blätter gibt, die noch
! hcutigen TagS Bongsche „Kunst" em-
' pfehlen? Daß selbst dic „Zeitschrift
! des Vereins dcutscher Zeichcnlehrer"
dem Rezensionsexemplar odcr Gott
weiß wcm sonst zu liebe in dcmselben
Hefte die Bongsche „Moderne Kunst
! in Meisterholzschnittcn" für den Weih-
nachlstisch empfiehlt, in dem sie über
dcn Dresdener Kunsterziehungstag be-
! richtet? Die deutsche Familie zum
! mindesten sollte den Bongschen Verlag
endlich aus ihrem Hause weisen, so
gut wie jede Dirne, auch wenn sie
seidene Roben trägt.

Larl lNeißner.

Okeater.

* Von dcn Berliner Bühncn
habcn wir noch ciniges als Nachtrag
zu crwähnen:

Jm Berliner Theatcr gab man
„Alt-Heidclbcrg," Schauspiel in fünf
Auszügen von Wilhclrn Mcpcr-
Förster. Der Verfasscr erzahlt, wie
ein junger Erbprinz in das gesellige
Treibcn dcr Heidelbergcr Studcntcn
gcrät, sich auch stark in ein Müdchen
aus dem Volke vcrliebt, nach kurzen
Monatcn abcr unerwartet nach Hause
gerufcn wird, um sein Land zu rcgieren.
Llls er dann zwci Jahre spatcr, von
^ schnsüchtigcr Erinnerung übcrmannt,
^ Heidelberg bcsucht, sicht er, mit cinzigcr

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