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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1902)
DOI Artikel:
Schneider, Camillo: Großstädtische Friedhöfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0407

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mischteil" Stil. Jm Gegensat; hierzu läßt sich der ganze Friedhof
regelmäßig aufbauen. Jn Ohlsdors nun finden mir den „gemischten", in
Wien dcn „geometrischcn" Stil.

Jn Wicn tritt der Landschaftsgärtner weit hinter den Architekten
zurück: man spürt, daß da§ Ganze mit Zirkel und Lineal konstruiert
ist. Selbst die Hauptpartien der rein gärtnerischen Ausschmückung sind
durchmeg im Architektenstil gehalten. Der Friedhof entbehrt dadurch des
Rcizcs der Mannigfaltigkeit, der in Ohlsdorf ivühlthuend hervortritt.
Dasür könnte Wien Ersatz bieten durch die Monumentalitär der Anlage,
dnrch die Einheitlichkeit des schöpferischen Gedankens. Jch sage: könnte
— denn wcr nur nach dcm Plan urteilt, nimmt ivohl an, daß die
großzügigc Mittelvartie auch in der Ausführuiig als der alles bcherr-
schende Hauptgedanke hervortrete. Leider zerglicdert sich aber die Mittel-
partie* durch die Behandlung der Einzelheiten in so viele Tcilc und
Teilchcn, die sich in ihrer Wirkung durchaus nicht ergänzen, daß die
Einheitlichkeit des Plancs in der That nicht zum Ausdruck kommt. Auch
die Architektur, ivie sie uns in Wien in den Eingangspforten, den ver-
schiedcnen Gebüuden, den sogcnannten Arkadengrüftcn u. s. iv. entgegen-
tritt, ist tot, ist ohne eigene Seelc und schädigt dadurch das Ganze.
Von dem Gärrnerischen gilt ähnliches. Solche Blumenbeete sicht man
überall, und nirgends mit Freude. Die Gchölzparticn, die in Ohlsdorf
nusschlaggebend für die Gesamtwirkung dcr Anlage sind, treten hier,
in der Hauptsachc nur heckenartigc Trennungsstreifen zwischen größeren
Grabfcldern, zu ivenig hcrvor. Einige hübsche Einzclheiten, dic sich auf
Grabstättcn findcn, verschivindcn untcr der Monotonie der übrigen
Pflanzung. Haben somit dic Schöpfcr — der Entwurf stammt von den
Nrchitckten Mylius und Bluntschli — ihrc Jdce nicht in imponierender Weise
Zu vcrkörpcrn vermocht, so ivird die Anlage auch noch sonst verunstaltet.
Wir allc ivisscn und können cs auf jedcm Gottesacker beobachten, daß
die Ausschmückung der cinzclncn Grabstätten im Durchschnitt rccht hüßlich
ist. Dcr Kunstivart dcnkt spätcr, durch Bcispiel und Gegenbeispiel nach
Schultze-Naumburgs Mcthodc zu zeigen, ivas hicr geschieht und was
geschehen könntc. Gesprochcn wordcn ist ja an dieser Stelle schon wieder-
holt darübcr. Auf dcm Zentralfriedhof ciner Weltstadt nun treten ins-
besondcre „protzcnde" Grabstättcn durch ihre Masse viel störender hervor,
als ctwa auf cincm klcinen Gottesacker. Wenn nun, wie in Wien, dic
Anhäusung dcr leidcr sogenannten „besseren Grüber" gar nicht gemildert
wird durch Gehölzgruppicrung, so muß das die ganze Anlage üußerst
ungünstig becinflusscn. Man könnte ja auch crwarten, daß die soge-
nanntcn Ehrengräber verdienter Männer, da ihre Ausstattung nicht im
Beliebcn der verschiedenen Hinterbliebenen liegt, in hervorragender, vor-
nehmcr Weise erfolge. Der Ort, wo Kunstheroen, wie Beethoven und
Atozart, wo Makart, Tilgner, siegreiche Feldherrn, verdiente Stadt-
oberhäupter und Gelehrte ruhen, deren Namen teilwcise weltbekannt sind,
dieser Ort sollte eine stille künstlerisch ausgeschmückte Oasc bitden im

* Jch möchtc für nlle diejenigen, welchc dcn Friedhof aus eigener An-
schaung kennen, bemcrkcn, datz die „Mittelpartie" dcn rhatsüchlich in der
Mittelaxe vom Haupteingang ausstrahlenden Teil darstellt. den die gemauerten
„<Ärüfte" bcgrenzen.

2. Fanuarbest 1902
 
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