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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1902)
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Schneider, Camillo: Großstädtische Friedhöfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0408

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wcitcn Bcrcichc dcs Fricdhofes. Was aber finden mir? Dicht an-
cinander licgcn auch dicsc Grabstättcn, ihre Einzcldcnkmalc drängen sich
gcgenseitig. Das wcnigc Gute lcidct unter der Nähc dcs Mindcrwertigen.
Die gürtncrischc Ausstattung verrät dic alte Schablone. Wcnn ich au vcr-
schicdene so schön für sich abgeschlossene Einzel- oder Familienruhestätten
im Ohlsdorfcr Friedhof dachte, bcgriff ich in Wien dicscn lauten Prunk
noch weniger. Bei den Armengräbern, um noch den „Gegensatz" zu
dcn Ehrengräbern zu crwähnen, kann von einzelnen Grabstätten im
Hinblick auf dic Wirkung kaum gesprochen werdcn. Man crkennt sie
beim flüchtigen Hinsehcn kaum. Die Hügel sind ganz flach und mit
Rascn glcichmäßig überzogen. Nur die eisernen Nummcrpfählc (Fabrik-
ware!) verküuden dic einzelne Ruhestätte, sofern sie nicht noch ein billigcs
Metallkreuz, ein paar Blumcn, ein Sträuchlein u. dgl. ziercn. Jmmer-
hin, als Ganzes wirken diese einfachen Grabfelder so übel nicht. Eine
heckenartige Pflanzung schließt sie ab, und macht sich hicr ivenigsteus
keine aufdringlichc Schcinkunst breit.

Besuchen wir nun Ohlsdorf. Hicr ist der Schöpfer dcr Anlagc —
Direktor Cordes — cbcnfalls ein Architckt, freilich eincr, dcr mit der
Gartenkunst aus sehr vertrautem Fußc lebt. Auch in diescm Fricdhof
finden wir, vom Haupteingange ausgehcnd und das ganze Gelünde fast
in der Mitte genau von Westen nach Osten durchschneidend, eine geo-
metrische Hauptaxe. Die übrigen Hauptverkehrsstraßcn sind in weitcn
Kurvcn gesührt.

Wohlthucnd fällt der Wechsel der Erscheinungen auf. Ncgelmüßige
Teile und große, Fricdhöfe für sich bildende Grabfeldcr stehen im Gegen-
satz zu rein landschaftlicheii Partien und waldartigen Streckcn, in dcnen
Einzelgräber liegen. Die natürliche Bewegung des Geländes ist bei der
landschastlichcn Gestaltung ausgenützt und zum Teil verstärkt wordcn,
was schon aus Rücksicht auf eine genügende Ableituug des Gruudivassers
aus den Gräberpartien nötig war. Es sind auf diesc Weise drei Teichc
cntstanden, die nun die Hauptpunkte dcr rein landschaftlichen Teile
bilden. Das zur gürtnerischen Anlage verwendete Pflanzenmaterial
konnte des Seeklimas wegcn in Ohlsdorf ein ganz ausgezcichnetes sein.
Wir habcn eine Ucberfttlle der prächtigsten Nadel- und Laubgehölze,
sowic reichcn Blumenflor. Jn den ältercn nordmestlichcn und nvrd-
lichcn Tcilen haben sich die Gehölze bereits gut angemachsen. Sie geben
cin wirkliches Bild von dem, was der Schöpfer durch die Art und
Weise ihrcr Pflanzung angestrebt hat. Wir finden in den waldartigen
Particn mit dcn Einzelgräbern in der That Momente von schon jetzt
großartigcr Wirkung, die sich mit zunehmendem Alter steigern muß, be-
sonders, wcnn man ausreichend dafür sorgt, daß dic besten Gehölze ihre
Einzelnschönhcit voll ausbildcn können nnd daß Minderwertiges enlseriit
wird, bevor es das Beste auf dcm Wcge zur Vollendung hindert. Die
Ausgestaltung einzclncr Grübcr crschcint mir geradezu vorbildlich. Durch
einc ganz cinfach gehaltenc, nicht aus viclcn Gehülzarten zusammen-
komponierte Pflanzung ist mindcstcns die würdige Umrahmung der
Gräbcr gcschaffcn wordcn. Dic Stüttc zumal, wo die Aschc Hans
von Bülows ruht, nur von einfachen, aber vollcndet schöncn Edclfichten
in stolzem Schweigcn umschauert, bleibt dcm Besuchcr unvcrgeßlich.
Sic zeigt recht eindringlich, daß kcin kostbarcs, srcmdländischcs Pflanzen-
Aunstwait
 
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