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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 10 (2. Februarheft 1902)
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Bartels, Adolf: Wilhelm Hertz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0496

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Kleinen mit Erfolg, das versuchtc weiter Karl Jmincrmann mit seiner
Umdichtung von ,Tristan und Jsolde", und hier schlietzt sich Herh denn
auch unmittelbar an, das versuchte im allergrößten Stile Nichard Wagner,
in dieser Beziehung Vollblutromantiker durch und durch. Und wenn Hertz
nun auch auf beschränkterem Gebiete und in bescheidenerer Weise thätig
war, das Gelingen krönte sein Werk in nicht geringerem Grade. Wer
mag bei ihm überhaupt noch an Karl Simrock, der ja auch mancherlei
Altes neu dichtete, denken, wer sähe nicht anderseits, daß er mit Scheffel
und Friedrich Wilhelm Weber, zu denen er zeitlich und als germanistisch
beeinflußter Poet allerdings gehört, im Kerne auch wenig genug
gemein hat? Aber wer sein Epos „Lanzelot und Ginevra" liest, der
fühlt sofort, daß etwas von dem, was Richard Wagner zu dem Tristau
und Jsolde-Stoffe trieb, auch in Hertz lebte, und er findct vielleicht auch
etwas von dcr Stimmung und dem Humor der „Meistersinger" in
„Heinrich von Schwabcn" und dem ^Bruder Rausch" wieder. Jeden-
falls ist, und daraus kommt es an, bei beiden Dichtern das tote Mittel-
alter wiederum volles Leben geworden, wir haben es hicr nicht mit
einer Experimentalpoesie oder gar mit modisch-poetischer Alfanzerei
wie bei der Butzenscheibenltzrik Baumbachs und Wolffs zu thun. Und
das bloße Dasein von Hertz beweist, daß es nicht Willkür war, was
Wagner zu seinen Stoffcn trieb.

Jm übrigen bin ich kein „Wagnerianer" und liebc gewisse Elemcnte
seiner Poesie, so grandios sie auch in Erscheinung trcten, nicht. Wir
können nun jedoch auch von der genialen Erscheinung, mit der man
ein Talent wie Hcrtz im Einzelnen natürlich nic vcrgleichcn wird, ab-
sehen und uns der Betrachtung der Werkc des Münchncrs „innerhalb
ihrer Sphäre" zuwenden. Es sind außer dcr Lyrik vier epische Dich-
tungen: „Lanzelot und Ginevra", .Hugdietrichs Brautsahrt", „Heinrich
von Schwaben", »Bruder Rausch", jedc in ihrer Art bcdeutsam und in
sich vollendet. Die umfangreichste ist die erstc, ^Lanzelot und Ginevra",
aus dem Artussagenkreise. Wer dic diesem cntstammenden mittelalter-
lichen Epen, sci es auch nur den „Parcival" kcnnt, der wciß, daß sie
alle eine solche Fülle bunter Abenteucr zusammenhäufcn, daß ein Jn-
teresse des modernen Menschen an ihnen bcinahe ausgeschlossen ist, cs
sei denn, daß nicht, wie cben im „Parcival", auch einc große scclische
Entwicklung hindurchgeht. Nur .Tristan nnd Jsolde", das ja aber
auch nicht zur Artussage gehört, hat rein menschliches Jnteresse. Es
ist nun Hertz gelungen, seinem Werke annühernd den nümlichcn Neiz
wie diesem berühmten mittelalterlichen Epos zu verlcihcu, und zwar
dadurch, daß er in festen Zügen den Ausgang der ganzen Artusherrlichkeit
darstellte und somit seinem Werke einheitliche Stimmung verlieh. Schon
Jmmermann in seinem „Mcrlin" hatte Aehnliches gethan, aber doch
nur so nebenbei; Hertz faßte den gewaltigen Stoff energisch zusammeii
und gab eine Dichtung, in der die Lnst sündiger Liebe und ihr dttstcrer
Untergang mit vollcn, fast breiinenden Farben gemalt wird.

„Nicht ivähnet aber, die ihr prüde seid,

Und die nur freuen kami das müde Leid

Schläfriger Lieb', ich werd' in sicchen Tönen

Die schöne Glut der wilden Fabel höhnen"

Runstwart

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