Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märheft 1902)
DOI Artikel:
Kampffmeyer, Hans: Wieder einmal: unsere Hausgärten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0566

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
belebung jener farbcnsrohen, glasierten Terrakottenkunst, in der einst die
Robbia schufen. Wie unvergleichlich schöner müßte ein zierlicher Wand-
brunnen in dieser Kunsttechnik wirken, als der fadendünne Spring-
brunnenstrahl, dcn der beliebte Zinkgußreiher in die Höhe bläst.

Damit rühren wir an einen andern wunden Punkt: die üble
Wasservcrwendung. Auch hier können wir von der Renaissance lerncn.
Vor allem sollten wir einen Springbrunnen nur danu anlegen,
wcnn wir dic nicht unerheblichen Kosten für das öftcre Steigen eines
starken Wasserstrahls auch wirklich tragen wollcn. Sehr beliebt ist in
den Gürten die Anlage von Teichen und „Seeen"', hier aber zeitigt die
,Naturnachahmung," diese mißverständliche und tyrannischc Forderung
der herrschenden Gartenästhetik, die seltsamsteu Blüten. Jn einein ebenen
Landschaftsgarten soll cin Tcich von wenigen Quadratmctern Fläche
angelegt werden. An „Vorbildcrn" fehlt's nicht: Wer kennt ihn nicht,
den melancholischen, grünverhangenen Waldtcich, den Entcnpfuhl an
sonniger Wiese, in dem Kropfweidcn ihr Gezweig spiegeln? Nun also,
machen wir das nach! Was herauskommt, gleicht dann mehr einer
sauber auszementierten, vielbuchtigen Badcwanne. Jn den gelesensten
Gartenbüchern wird der buchtenreichc Gebirgssee als nachzuahmendes
Beispiel empfohlen, in dcm bekannten französischen Werke von Andrä
sah ich sogar als Vorbild den Vicrmaldstätter See abgebildet und da-
nebcn einen Entwurf des Verfassers von ähnlichcr Form! Die Größe
verhielt sich zu der des Vorbilds wie j: sOOOO. Keincr dcnkt daran,
daß solcherlei „Nachahmung" dasselbe wärc, wie Michelangclos jüngstes
Gericht aus einer Briefmarke.

Das wichtigste Kompositionselcment auch im Hausgarten ist natür-
lich die Pflanzung. Unter dem Mangel an Sinn für große Wirkungcn
leidet natürlich auch sic. Man will „Abwechselung" bieten und pflanzt
deshalb in jede Gehölzgruppe zwanzig verschicdene Arten. Es ist das
vollkommene „Pimpcln," wie es unter dcr Ueberschrift „Piepenbrinks im
Garten" schon vor Jahren an dieser Stelle geschildert worden ist.
Nirgends ein starker Akzent! Dieselben Gehölze truppwcise zu großcn
Gruppen vereinigt, würdcn durch das jedcsmalige Vorhcrrschen gewisser
Pflanzcntypen einen ganz ausgesprochenen Charakter erhalten, und so
ließcn sich sehr wohl starke Wirkuugcn und Kontraste sogar mit cbcn
dem sclbcn Materiale erzielen.

So liegcn denn die Dingc im Hausgarten noch heut, wie sie
gcstern lagen, er wird durch künstlerische Lüge, durch Gefühlsspielerei
und plumpes Haschen nach „Abwechselung" verunstaltet. Er leidet vor
allem unter der Tyrannei eines festgclegten Schematismus, der nicht
inehr nachgeprüft, der gcdankenlos aus seinen Schablonen durchgepaust
wird. Was hier unter „Naturnachahmung" verstandcn wird, ist zumeist
etwas ganz anderes, als ein Eingehcn auf die Eigenart der Natur-
gebilde. Man sollte uns also mit diescm Schlagwort verschonen, damit
wir auch auf diescm Gebiete mieder zum Anknttpfcn an die alte künst-
lerische Traditron kommen. Lans 'tk a m p ffm e v c r.

55^

t- tNärzbeft 1902
 
Annotationen