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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 15 (1. Maiheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0224
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Zur Neform der Bauge-
werkschulen

uf den Aufsatz vou Professor
Specht sind uns mehrere Er-
widerungenzugegaugeu; da aber eine
Polemik über diese Fragen weit
über den Rahmen unsres Blattes
hinansführen würde, können wir
sie nicht abdrucken. Dagegen dürfte
den Lesern die folgende Darstel-
lnng der Sachlage als Material
willkommen sein. Sic hat Pro-
fessor Peters zum Verfasser,
der der Leiter einer Baugewerk-
schule ist.

In der alten Lehrmethode mutzten
die Schüler eine unendliche Massc
von Einzelheiten zeichnen, ohne zu
wissen, wohin diese gchören und
welchen Zwcck sie haben. Es wurde
den Schülern, wenn ich so sagen
darf, ein großer ungeordneter Haufe
von Einzelheiten vorgelegt, nnd diese
mußten nun der Reihe nach — ohne
gcnügende und übersichtliche Ord-
nung — gezeichnet werden.

In der neuen Methode hat vor
Beginn des Unterrichts der Lehrer
diese Einzelheiten zu ordnen und
zu dem Ganzen, dem kleinen Häus-
chen, zusammenzusetzen. Und nun
wird dem Schüler dieses kleine
Häuschen vorgesetzt, von dem cr allc
Einzelheiten zeichnen muß. Er zcr-
lcgt hierbei das fertige Gebäude
in dieselben Einzelheiten von früher.
Also dasselbe Zeichnen wie früher,
nur in gcordneter und übersicht-
licher Wcise, vom Ganzen zum Ein-
zelnen gchend. Ietzt weiß der Schü-
ler, was er zeichnct, wohin jede
Einzelhcit gehört, wclchen Zweck sie
am Ganzen zu erfüllcn hat. Hicrbei
fällt aber dem scharfsichtigen Lehrer
uoch ein weiteres Wichtiges auf:
bei diescr Art der Lehrmethode
zeigt der Schüler viel mehr
Lust und Liebe zur Sache! Die
Erfolge sind dadurch zweifellos

weit größer. Allerdiugs, der Lehrer
hat mehr Arbeit und Mühe als
früher!

Diese größeren Erfolge können
heute an den fortschrittlichen Bau-
gewerkschulen auch stets beobachtet
werden. Die Schüler haben wirk-
lich zeichnen, konstruieren und ge--
stalten gelernt und können besser
vorgebildet als früher ins Leben
hinaustreten. Die Schülerzeichnun-
gen „täuschen keine technische Sicher-
heit und kein geschmackliches Können
der Schüler vor", wie früher, sie
zeigen eine weit größere geistige
Vertiefung der Schüler, aber auch
eineanerkennenswerteVereinfachung
gegen früher.

Sollte wirklich an einigen weni-
gen Schulen noch nicht ein größerer
Erfolg nach Anwendung der ver-
ständigeren, neuen Lehrmethode vor-
liegen, so kann dies seinen Grund
nur in unrichtiger Anwendung der
neuen Lehrmethode und in nicht
gleichmäßigcm Zusammenarbeiten
aller Lehrer haben. Wenn alle Lehr-
kräfte an demsclben Strick nach ver-
schiedenen Richtungen ziehen, wird
natürlich das gewünschte Vorwärts-
schreiten selbst bei gutem Willen
ausbleiben.

Nun noch die Erziehung zur
Selbständigkeit! Sie wird tatsäch-
lich in bcstimmterer Weise als
früher erstrebt. Die Schüler müssen
entsprechcnd den erforderlichcn Auf-
klärungen und Vorträgen selbstän-
dig an das Aufzeichnen der mit dem
fertigcn Häuschen gcstellten Aufgabe
gchn. Erst wenn sie das Ge-
forderte gczeichnet und selbstäudig
aufgetragen haben, tritt dcr Lehrer
zu ihnen und bespricht die von ihnen
gcfertigte Skizze oder Zeichnung.
Die Arbcit für den Lehrer ist aller-
dings hierbei sehr anstrengend, er
muß sich andauernd in neue Gc-
danken eines Schülers hineinzu-
findcn suchen. Aber der Schüler

Z. Maiheft W2 M

Angewandte

Kunst
 
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