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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 1 (Oktoberheft 1923)
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Düsel, Friedrich: Ferdinand Avenarius: ein Gedenkwort
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Schumann, Wolfgang: Ferdinand Avenarius
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0020

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mehr Gründe herbeitrug, ihn zu entschnldigen oder zu rechtfertigen — ein
Unterfangen, das ich mir (sagen wir: in meiner nationalen Kurzsichtig--
keit) nie anders als durch trotzige, übertapfere Rechthaberei habe erklären
können.

Ia, er konnte bei aller Güte und Freundlichkeit schroff sein bis zur
Unerbittlichkeit. Soviel er sich als Nsthet mit ästhetischen Dingen beschäftigt
hat, weichlich war er nicht, ein Stück kampflustigen Berlinertums hat er
sich immer bewahrt. Manchmal nahm das sogar leis komische Formen an.
So, wenn er seiner inneren Abneigung gsgen die „charakterlose" sächsische
Landschaft und ihr „butterweiches" Volkstum Luft machte, aber auch positiv,
wenn er sich sein Sommerhaus auf Sylt in der rauhen, sturmgepeitschten
Nordsee baute und betonte, wie erfrischend ihm der Gedanke sei, jederzeit
den über das Elbtal und seine sanften Höhen fchweifenden Blick aus
seinem Studierzimmer mit dem Aufenthalt in Kampen oder auch seinem
zweiten Lieblingsort Gastein vertauschen zu dürfen. Dort in den Felsen-
schlünden des Gamskarkogels — Emil Ertl hat mir das einmal mit staunen-
der Verwunderung geschildert — vergrub er sich oft tagelang wie ein Schuhu
in die Bergeinfamkeit, lebte bedürfnislos wie ein Einsiedler und war ganz
in seine weltfernen Gedanken und Gesichte vertieft. Kam er dann zurück
zu seinen Geschäften, so war er wie ein Iunge, freudig ausgelassen und
toll vor Arbeitswut. Wir glaubten bis zuletzt, er könne diesen Prozeß der
Wiedergeburt noch öfter, in vsrschiedenen Formen und zu verschiedenen
Zielen durchmachen. Aber es schien wohl nur so. Wenn die Parze seinen
Lebensfaden durchschnitt, ehe er abgelaufen war, so geschah es vielleicht,
um auch in den Augen der Nachwelt möglichst unversehrt das Teil Iugend-
lichkeit zu retten, ohne das wir uns Ferdinand Avenarius nicht denken
mochten. Friedrich Düsel

Ferdinand Avenarius

Wer einem großen
tzeiligen Ziele
Mit allem Sein
Entgegenwallt —

Ob Winde mit Säuseln
In freundlichem Spiele
Die Wellen ihm kräuseln,

Ob Sturm ihn mit donnerndem
Ernst umbraust:

Dem Einen entgegeu
Flutet er, eigner Fülle schwer,

Nnd sinkt ihm die Sonue im Westen
hinab,

Das Meer, aufglühend in Abend-
flammen,

Schlägt über ihm zusammen.

Sein Bestes aber
Steigt über die Flut —

Vernichtende Blitze und nährender
Regen,

Walltes.Vcrderbenaussäendund Segen,
In Wolken über die Erde dahin. A

eltsam einander widersprechends seelische und geistige Kräfte gingen
M^ein in das Wirken und Wescn Ferdinand Avenarius'. Wenige
Menschen wohl sind so voll fruchtbarer Widersprüche gewesen wie er;
Viele, die ihn lange kannten, haben mühsam gesucht, in ihm den dauern-
den, eindeutigen Lebenskern herauszufinden, damit einen unverbrüch-
lichen Bund zu schließen. Schon was feine Lebensarbeit Lußerlich er-
kennen läßt, wieviel „Seiten" starker Begabung setzt es voraus! Rn-
zweifelhaft Künstler, Dichter, Lyriker, bezaubernd durch die heiße Innig-
keit eines starken Gefühls und einer weichen Empfindsamkeit, bewährt

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