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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 6 (Märzheft 1924)
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Fuchs, Emil: Rausch und Alkoholrausch
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Bruns, Marianne: Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0197

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Amerika hatte schon vor dem Alkoholverbot in weiten Kreisen seine
alkoholfreie Traditiom Da ist von Ressentiment und Herrschsucht nichts, weil
der Alkohol nur noch ins Leben getreten ist, so wie bei uns etwa das Tabak--
kauen und Spucken in zurückgebliebenen Volksschichten.

Zu diesem Werk aber gehört, daß man den Menschen nicht einfach den
Alkoholrausch nimmt, man muß ihnen zuerst die Möglichkeit des echten glut--
vollen Lebensrausches geben, schaffendes Leben. — Welch Selbstbewußtsein
liegt in einem Volke, das zu seinen Gliedern sagt: tzaben wir nicht Glut und
Schaffen genug! Brauchen wir noch das Surrogat? — Und es erhält Zu--
stimmung! — Was muß in Deutschland noch überwunden werden an
philiströsem Vorurteil, an untertanenhafter Gesinnung, an beschränktem
Beamtentum und beschränkendem Unteroffiziersgeist, an hemmender Feig--
heit und zerdrückender Wirtschastsorganisation, bis das möglich ist! — Oder?
Werden alle diese Dinge nur ertragen und können weiterleben in der deut--
schen Republik, weil der Alkohol sie erträglich macht? Dann wäre der viel--
leicht zuerst zu bekämpfen? — Es ist ein Wechselwirken, wie bei allem.
Aber es scheint mir doch eine sehr ernste Tatsache, daß die Befreiung unseres
Volkes vom Alkohol ohne Zweisel ein Stück seiner Gesamtbefreiung ist. Nur
ein Stück! Ganz gewiß nur ein Stück, und mancher arbeitet sehr erfolgreich
an der Befreiung unsers Volkes aus anderm Gebiet, ohne hier mit dabei
zu sein und umgekehrt. Ls mag auch Wichtigeres noch geben. Aber eines
ist hier, das macht die Sache besonders wichtig. Es ist einer der Punkte,
wo die Arbeit an der Befreiung des Volkes beginnt mit der Selbstbefreiung
durch starken Willen von einem unechten Surrogat und einem angenehmen
Lebensreiz. Es kann nichts schaden, wenn auch von hier aus der verantwor--
tungsbewußte Teil des Volkes deutlich sieht, was „Befreiung" heißt.

Wer hat nun recht? — Es ist eine Sache des Glaubens zwischen Fr.
Kuntze und mir. Ob nicht doch für einen Menschen und ein Volk an einer
Stelle der Verzicht und dann das Surrogat stehen muß — oder ob durch
alle Not und Gebrochenheit ein Weiterschreiten des sichbefrsienden Lebens
ist aus der Dumpfheit zum Bewußtsein und vom Bewußtsein zum eigenen
Ziel, dann Befreiung von hemmenden Engen, vom zerstörenden tzaß, von
den Rauschsurrogaten zur freien schöpferischen Kraft und herrschenden Ge--
staltung — und dann Befreiung von allem engen Ich--Haften zum Schaffen
aus dem eigenen Besten für die Gemeinschaft, Zukunft, über sich selbst hinaus.

Emil Fuchs

Theater

^i^heater! Es gibt kaum ein zweites Wort auf der Welt, das so vieldsu--
tige Erwartungen mit sich führt, wie dieses. Iahrtausende vor uns
haben ihm schon seinen besonderen Klang gegeben. Auf dem Markt
von Athen wetten Erixymachos und Agathon, welche Idee das neue Drama
des Sophokles leiten wird; eine Römerin läßt sich ihre schwierige Frisur
aufbauen und ihre tzand, die scheinbar lässig im Schoße liegt, verrät schon
die Nngeduld, die des jungen Griechen aus Rhodos auf der steinernen Arm--
lehne zu treffen, wenn sie nebeneinander auf die Bühne hinabsehen werden,
von Mittagglut umsangen, die kaum sich dämpfen läßt durch die riesige
Leinwand über dem Theaterraum; die Marquise Pompadour spricht mit
den Schauspielern des neuen Theaters, das sie in einem Pqrk bei Paris
 
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