Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1924)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0180

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Volkstunr habe. Köstliche Werte hat das jüdische Volk der Welt geschenkt,
ich erfasse sie und habe daran teil nach meiner deutschen Weise. Ich werde
auch niemals aufhören, jüdischen Lehrern dankbar zu sein sür das, was sie
mich Gutes und Großes gelehrt haben. Ich werde mich auch gern mit Iuden
über deutsches Volkstum unterhalten und werde ihre Mitarbeit schätzen.
Es braucht sich niemand vor mir hinter einsn deutschelnden Decknamen zu
verkriechen. Aber ich fordere von ihnen den Takt, den sie meinem Volkstum
schuldig sind. Es gibt nicht nur einen heiligen Bezirk dsr Persönlichkeit,
sondern auch einen heiligen Bezirk des Volkstums. Wer da lärmend ein°
bricht, wer da unbefugt herrschen will oder ihn mir gar beschmutzt, der ist
mein Feind.

Ich weiß sreilich, daß man Volk und Volk nicht säuberlich abgrenzen
kann. Streng scheiden sich die Bsgrisfe, in der Wirklichkeit aber geht jede
Erscheinung ohne Trennung in die andere über. Es gibt Grenzfälle, daß
der Angehörige eines Volkes sich in das Wssen eines andern einleben kann,
obgleich sie, eben als Grenzfälle, verhältnismäßig selten sein dürften.
Es gibt häufiger Menschen, in denen sich deutsches und jüdisches Volkstum
mischt, zuweilen tief unglückliche, zuweilen feine und wertvolle Waturen.
Auch sie töerden ihr Schicksal als ihre Aufgabe ersassen, und wir wollen
Achtung vor ihrem Ringen haben. Hier gibt es keine „allgemeinen Regeln",
wie man „sich dazu stellen soll". Die rechte Lösung wird in jedem Fall
allein durch den rechten Takt gefunden. Wie mir denn die Iudsnfrage
im Tiefsten eine Frage des seelischen Feingefühls zu sein scheint. Iuden,
die nicht nur betriebsam, sondern seelisch lebendig sind, werden die Grenzen
des andern Volkstums unwillkürlich achten. Taktvolle Iuden und taktvolle
Deutsche stören einander nicht. . .

Bom Heute fürs Morgen

Vcrliner Theater

pielen unsre drei großen religiösen
Festzeiten, die sich, wenn man will,
auch wohl als eine Folge gesteigerter,
von erster Dämmerung über anbrechen-
des Morgenrot zum vollen strahlenden
Lichterguß fortschreitender Naturfeiern
denten ließen, spielen sie noch irgend-
welche Nolle für nnsre Theaterordnung?
Sie, die doch einst, in den Anfängen
unsrer öffentlichen Dramatik, deren
Anfban und Gliederung bestimmten?
Es scheint nicht so. Es sei denn, man
rechne die Bevorzugung wirkungs- und
beifallssicherer Stücke um die Advent-
zeit auch zum Charakter der Weih-
nachtsspiele und lasse das Angebot
leichter Lustspielware um Winterwende
und Frühlingsanfang als zeitgerechte
Ambildung der alten Sster- und
Pfingstspiele gelten. Aber bisweilen
taucht die Erinnerung an den alten ge-
heiligten Kultuszusammenhang Zwischen

Religion und Theater doch noch wieder
auf; beim letzten Dresdener Lheatertu-
mult, bei Ler Aufführung von Tollers
„Hinkemann", haben wir sogar erfahren,
daß ein Bühnenleiter unter Amstän-
den gut daran tut, sich nach dem Zu-
sammenhang des Spielplans mit der
vaterländischen Festzeit umzusehen,
scheint es doch, als habe zur Entfesse-
lung des Skandals nicht wenig die Tat-
sache beigetragen, daß diese „Tragödie",
die den im Kriege durch eine Verwun-
dung entmannten Titelhelden als Sinn-
bild des gegenwärtigen Deutschlands
behandelt, just am Vorabend der
Reichsgründungsfeier aufgeführt wurde.

Ein Schutzimpfungsmittel gibt es
nun freilich in unserem lieben Vater-
lande, das beugt todsicher all solchen
Ausbrüchen der beleidigten Volksseele
vor: man braucht nur etwas „Klassi-
sches" hervorzuholen, braucht vielleicht
auch nur ein klassisches Etikett auf das
 
Annotationen