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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 3 (Januarheft1924)
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Kuntze, Friedrich: Das Alkoholproblem: Betrachtungen zu seiner metaphysischen Seite
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0102

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em „Anorinaler" komme, der in diesen Zustand durch Alkohol oder Syphills
versetzt sei, oder dergleichen. Auf 200 sollen 199 normal sein? „O 8hr
Großgläubigen!" Gott der Herr fand in den großen Städten Sodom
und Gomorra noch keine zehn Gerechte, und Ihr wollt aus 1000 Menscheri
993 finden?! Wer sah wohl schärfer? Doch, eben wegen dieses tiefen
Anglaubens an die Menschennatur sehe ich der privaten Bekeh-
rungstätigkeit der Abstinenzler oder Temperenzler mit allergrößtem
Respekt und tiefster Billigung zu. Gelingt es nämlich, einen, dem Alkohol
verfallenen Menschen wirklich zu „bekehren", so ist damit nicht nur
der Trieb, sondern auch, und das ist das Wichtigere, die Triebgrund--
lage beseitigt. Ein solcher Mensch hat eine solche Stärkung seiner Willens-
Persönlichkeit erfahren, daß er zehnmal mehr wert ist, als er ohne Laster
und Ilmkehr gewesen wäre. Ein solcher wirklich ohne Ressentiment Bekechrter
ist ein Asket im christlichen Sinne — wohl ihm —, doch hier mündet unser
Problem in das Reich des Religiösen ein. Friedrich Kuntze

Vom Zeute fürs Morgen

Meffandro Manzoni

Infolgeeines bedauerlrchen V erseh ens
srschien die nachfolgende.Notiz nicht im
vorigenheft, in dem wir dieAphorismen
von Manzoni veröffentlichten, weshalb
wir die Begleitzeilen noch nachholen:
^Aum Iubiläum Alessandro Man-
Ozonis, des großen italienischen
Dichters, erschien in diesem Fahre eine
ausgezeichnete Äusgabe seiner Werke,
herausgegeben von Hermann Bahr und
Ernst Chemnitzer (Lheatiner-Verlag,
München). Uns lagen bis jetzt in zwei
Bänden der berühmte, zeitlos gültige
Roman„DieVerlobten", sowiederfünfte
Bandmit den breiten, aber z. T. außer-
gewöhnlich fesselnden und noch heute
Lebendigen „Schriften zur Philosophie
und Afthetik" vor, aus denen unsre
Aphorismen entnommen sind.

Kunstbücher I

napp und klar sagt P. F. Schmidt in
seiner Kunst der Gegenwart: „Künst-
lerisch betrachtet ist Europa nnr alsi
eine zeitlich und lokal begrenzte Pro-
vinz Asiens anzusprechen, deren Werke
beinahe unbedeutend werden neben dem
jahrtausendalten Schatz der großen
Kulturvölker." Mag das zugespitzt, ja
übertrieben scheinen — wer auch nur
über das europäische 'Schrifttum der
letzten zwanzig Iahre hinblickt, weiß,
daß es nicht eigentlich falsch ist. Dieses

Schrifttum spiegelt in Dutzenden von
Werken die umfassendste Entdeckung,
welche auf künstlerischem Gebiete js
gemacht werden konnts: die Asiens.
Lhina, Fapan, Indien, die islamischen
Gebiete, jedes Iahr werden Nns aus
ihnen stene Schätze erschlossen, und noch
sind wir weit entfernt, sie auch nnr an-
nähernd sachgemäß, wissenschaftlich zn
begreifen, ordnen nnd in allen Znsam-
menhängen darstellen zu können. Ein
Kenner wie Ernst Große sagt sogav
ganz ausdrücklich, wir Enropäer täten
wohl am besten, die wissenschaftliche Er-
forschung der ostasiatischen Kunst einst-
weilen den, allein hiezu voll ansgerüste--
ten Ostasiaten zu überlassen . . . Ie-
doch, ein voller, reicher Schatz er-
fühlbarer, anschaubarer, eingänglicher
Kunstwerke ist uns nun doch erschlos-
sen, und es gilt für alle, ihn in leben-
digen Besitz zu nehmen. Grosse bahnt
selbst mit einem Vortrag „Die ost-,
asiatische Plastik" (Verl. Seld-
wyla, Zürich) einen Weg zu Michti-
gem. Versehen mit Abbildungen er-
schließt er nüchtern, klug nnd knapp
dem Laien die ersten Zugänge in jene
ferne Kunstwelt. Diese ostasiatische
Plastik, soweit sie große Kunst ist, ver-
dankt dem Buddhismus Dasein nnd
Gehalt; dementsprechend umfaßt Gros-
ses Darstellung außer der eigentlichen
Kunstbetrachtung auch eine kurze Ver-

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