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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 1 (Oktoberheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Ferdinand Avenarius
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Gedichte von Ferdinand Avenarius
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0034

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bis zum letzten Augenblick. Sie werden noch lange leben; und wenn der
letzte von ihnen ihm nachgefolgt ist, wenn kein Lebender mehr sich der
klugen und herzbewegenden Stimme, der Hingabe, Sorge und Liebe des
nun Verstorbenen aus eigener Erfahrung erinnert, dann werden Äber--
lieferung und Geschichte noch seinen wundervollen Namen nennen, und
das Beste, was er geschaffen, wird unvermerkt im Leben seines Volkes
weiter fruchten und blühen. Unvermerkt, namenlos wie das Wirken so
vieler Edler des Geistes und unvergänglich wie alles Lebendige, das kein
Todeshauch erreicht. Wolfgang Schumann

Gedichte von Ferdinand Avenarius

Aus dem Nachlaß

Sie wissen nicht, was sie tun

Als der Gekreuzigte auf Golgatha
Im Pöbelangesicht den Wahnsinn sah,

Da rief er: „Gott, verzeihe ihrem Wahn,

Du weißt, sie wissen nicht, was sie getan".

Millionen Schriften bannten es, das Wort,

Millionen Stimmen riefen's mahnend fort,

Doch immer wieder, wie durch Feld und Wald
Gleichgültig Hingesprochnes, ist's verhallt.

Da taumeln sie und meinen fest zu gehn,

Da raten sie und meinen, zu verstehn.

Die Phrase braut, sie meinen tiefen Sinn.

Der Irrwisch schwankt, für sie ist Leben drin.

Gestalt wird ihnen jeder alte Stumpf,

So rennen sie und reißen in den Sumpf.

Oktober 1922

Walther

Den Kops voll Fragen,

Voll Sehnen das Herz,

Gedrängt, getragen
Himmelwärts,

Dann ein DLmmern,

Mit einem Vorglanz vom Tagen,

Dann erstes zages Sagen —

Du junger Gesell mit dem feinen Gesicht,

Nun zogst du hinaus —

Ein Stückchen Stahl
Und alles aus.

Einer du von Tausenden, einer!

Mich trieb's in die dunkelnde Nacht.

Ein Blutstreif im Westen,

Darunter bis zum Horizont das Feld,

Nein, die Welt.

Vom erzenen Hagel ausgepflügt
Granatenlöcher, Schutt, Geröll.

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