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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 2 (Novemberheft 1923)
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Bonus, Arthur: Vom heiligen Tanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0059

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geschichte ganz ebenso berichtet wird, wie von den israelitischen Propheten
der ältesten Zeit, von muhammedanischen Derwischen wie von griechischen
Bakchen und Mänaden, wie schließlich noch in der Limburger Chronik, die
Otto H. Brandt sehr gut erneuert hat (Iena, Diederichs), von der Tanz-
wut des Iahres (37^. Und der ruhigere feierliche, den wiruns bei den Chören
des griechischen Dramas denken mögen. And gar von den sogenannten
Naturvölkern wissen wir, daß ein überwiegender Teil ihres Kults in der
Form des gesangbegleiteten Tanzes verläust, der vielsach aus dem Wege
zum Drama ist, indem er darstellt und darstellend ausspricht, was geschieht
und geschehen soll.

Wie das befehlende, beschwörende Wort, das Wort der Götter rhythmisch
vorgestellt wird, so die feierliche, die heilige, die machterzeugende Bewe»
gung. In einigen wilden Völkerschasten tanzt der Maun, während die
Seinigen die Feldarbeiten verrichten, uud sein Tanz ist verantwortlich für
das Gelingen der Arbeiten; anderwärts tanzen die Weiber, während die
Männer im Kriege sind. Im alten Mexiko werden die Götter tanzend
vorgestellt, in Indien sowohl Wischnu-Krischna wie auch Schiva.

Vergleichen wir nun also mit diesen heiligen Tänzen, was der moderne
Redner vom modernen Tanz als Gleichnis zu sagen wußte.

Die einzelnen Elemente des Tanzes: Takt, Rhythmus, Schwung, Not--
wendigkeit, Melodie wurden auf das wahre, reich aus den tiefsten Quellen
fließende Leben angewandt. Das wäre nun an sich, was man eine Alle--
gorie nennt. Doch stellte sich sehr bald das Gefühl ein, daß die vergliche--
nen Dinge in irgend einer nahen inneren Verwandtschaft standen, so daß
die Vergleichung vielmehr fast wie die Zurücksührung eines Einzelfalles
auf ein allgemeines Lebensgesetz berührte. Besonders in dem, was über
das Vonselbstgeschehen bei doch strenger Notwendigkeit der Bewegung
gesagt wurde. Zumal wenn dann davon die Rede war, wie man dabei
sein Ich los werde. Nicht zu verwechseln mit dem Fichteschen Sprachge--
brauch, in dem das Ich gerade den Gott im Menschen bezeichnet, war hier
von dem kleinen, kleinlichen Ich des Egoismus die Rede, dem Ich, „das
selbst Vorsehung spielen will, das das Herrgöttle unsrer kleinen Welt sein
will, dieses ganze Für--sich--selbst sein wollen und haben wollen und aus--
nützen wollen des Lebens, das lenken und bestimmen wollen, das Ziele
stecken wollen und Wege und Methoden festlegen wollen, diese ganze uu--
geheure Pfuscherei unsres Ichs". Das Glück des von selbst fließenden, des
echten Lebens. — „Das Zeichen der Echtheit ist immer das Vonselbst" kam
hier stark zum Gefühl. „Das Wesentliche in diesem Leben ist, daß Gott
durch uns lebt, sich selbst zur Freude in allem, was geschieht, in allem,
das uns bewegt. Alles wird dann neutral. Glück und Unglück, alles ge-
winnt einen neuen Schein und Glanz aus einer anderen Welt. And so
wird das Leben Spiel, das Leid wird Lust, — Lust in einer höheren Art,
der Art der Kinder Gottes." Klarheiten sowohl wie Kräfte wachsen einem,
der sich so hingibt, von selbst zu. Sie wachsen uns aus dem Eindruck,
daß die Widerstände schwinden. Dieser Eindruck löst die Bewegungen
unsrer Seele aus und begabt uns dadurch mit der Kraft, die wir
brauchen.

Wie sehr auch heute noch urtümliche Verwechselungen von Symbol und
Wirklichkeit nicht nur im Traum uns nahe liegen, zeigte die nächste Frage--
beantwortung nach diesem Vortrag. Es waren da Fragen eingelausen,
die verrieten, daß einige Zuhörer allen Ernstes aus diese Auseinander-
 
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