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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 4 (Januarheft 1924)
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Dhammapadam
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0112

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Er blickt milde und streng, auffordernd und gelassen, schenkend und tief ver-
schlossen, fremd und verlockend an uns vorüber. So rein und zwingend
übermittelt uns Neumann das Bild des Buddho, wie es aus der Lehre
vom Wahrheitspfade steigt. Seine Sprachkraft, aus einer einzigen Probe
noch kaum erkennbar, hat für Buddhistisches gsradezu einen deutschen
Stil geschaffen. Man wird seiner inne, wenn man viel von Neumann liest
(und nicht minder durch Vergleichung, wie wir sie nachher versuchen),
und mit dem Erfassen dieses eigenwilligen, seltsam reinen Stils über-
kommt uns unweigerlich der Glaube, daß diesem Manne Erschließung
echter, vielleicht aller Tiefen vergönnt war, die in westlicher Sprache er-
schlossen werden konnten. — Andre versuchten sich jüngst ebenfalls am
Dhammapadam. R. Otto Frankes „Dhamma-Worte" mit einer großen
Einleitung und einem gelehrten Anhang erschisnen bei Diederichs. Im
Gegensatz zu Neumann, der sich möglichst wortgenau an das Arbild schloß,
reimt Franke die Sprüche. Es entstehen aus diese Weise Strophen, die
entfernt an Bilderbogenreime erinnern. Zwar an sehr ernsthafte: Ein
Mann führt ein Buddho-Bild im fremden Lande herum, weist mit dem
Stock darauf und sagt vor vielem Volk mit Ernst und eindringlicher Äber-
zeugung die Sprüche dazu her. Dieselbe Strophe, die vorhin angeführt
wurde, lautet in Frankes Worten: Wohlan, seht dieses Weltall an / Wie
eines Königs Prachtgespann: / Der Eitle setzt sich froh hinein; / Wer klug,
hängt nicht an diesem Schein.

Völlig befremdlich wirkt „Der Weg zur Wahrheit", — unter diesem Titel
hat ein dritter, Paul Eberhardt, das Dhammapadam übersstzt (Fr. Andr.
Perthes, Gotha). Bei ihm trägt das exportierte Buddho-Bild einen Man-
tel christlicher Diktion, der mit dilettantischen Poesie-Verzierungen ver-
sehen ist: „Ei seht doch diesen bunten Wagen an, / der »Welt« sich nennt, /
in den zu steigen Frau und Mann/sich müde rennt./Nur immer zu, ich seh
dasEnde dieser Fahrt — / und seid ihrNarren, binich nicht genarrt." Wir
meinen, diese eine Probe wird übergenug sein: für fehlvolkstümliche Erbau-
ungsspruch-Äbungen ist das Dhammapadam keine geeignete Unterlage.

Was aber treibt uns eigentlich zum „Echten"? Wollen wir Buddhisten
werden? den Buddhismus verbreiten helfen? Und wenn wir dies denn,
wie ersichtlich, nicht wollen, was gehts uns allss an? Die Frage ist tief
ernst. Leicht antwortet sichs: Es „interessiert". Hinwiederum: Interesse,
Neugier und snobistische Sehnsüchtelei — dazu, auch dazu ist ein Dhamma-
padam kein geeignetes Ziel, zu geschweigen davon, daß ernsteste und tiefste
Werke der Religiosität von solchen Antrieben entwürdigt und verletzt
scheinen möchten. Was also treibt uns? Wir behalten uns vor, an dieser
Stelle davon einmal umfassender zu handeln. Von der Sehnsucht, die
neben der Sehnsüchtelei wirkt, von der menschlich-allumfassenden Teil-
nahme, die das „Interesse" überfliegt, von Hoffnungen, Befürchtungen,
Gewinn und Enttäuschung des Westens. Heute nur dies: Wo auch nur
ein Funken von Ernst im Spiel ist, kann nur das Wahr-Echte ihm
genugtun; alles andre bleibt schon darum törichte Zeitvergeudung, weil es
aus dem geistigen Bannkreis hinausleitet, der neben dem rationalen Lehr-
gehalt allem östlichen erst seinen eigentlichen Wesenszug für unser unein-
gestelltes Auge verleiht. Ilnd daß hier allertiefster Ernst ins Spiel kommen
kann, davon mögen einstweilen die Proben Lmpfängliche überzeugen, die
wir, entnommen aus Neumanns kostbarem Buch, hier früher gegebenen
hinzufügen. K-L

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