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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 27.1984

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Nr. 1
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Brandes, Jürgen: Latein an Gesamtschulen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33084#0018

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schulen“ eine gewisse Reizwirkung in manchen bildungs- und schulpolitischen
Positionen auszulösen, ja den Wunsch nach Verdrängung - aus Angst vor Verlust
eines Privilegs? Aber auch in Gesamtschulen finden sich Stimmen, die Latein
ablehnen, weil es als Symbolfach eines bürgerlichen Curriculums und damit
schichtenspezifischer Auslese gilt.
Will man den Standort von Latein an Gesamtschulen bestimmen, so ist
zunächst nach der Konzeption der Gesamtschule zu fragen. Vordergründig wird
man sagen müssen, daß Latein, wenn es im Curriculum des Gymnasiums einen
legitimen Platz hat, in einem Schulsystem, das die gesamte Schülerpopulation
umfaßt, also in Gesamtschulen, ebenso unverzichtbar ist. Auf der inhaltlichen
Ebene muß geprüft werden, ob zwischen den Zielen des Lateinuftterrichts und
den Zielen der Gesamtschule ein Antagonismus besteht, wie es z.B. W. Riedel
behauptet hat (Mitteilungsblatt des Landesverbandes Hessen im DAV, Dez.
1982). Es ist allerdings sehr schwierig festzustellen, welche konzeptionellen und
curricularen Kriterien Gesamtschule konstituieren. Die Konzeption der Grün-
dungsphase, die später von einem bestimmten politischen Bewußtsein her ver-
änderten Ziele, die durch die normative Kraft des Faktischen gewachsene Schul-
wirklichkeit, die durch politischen Wandel bedingten Veränderungen in den
pädagogischen Möglichkeiten - auf jeder Ebene entsteht ein anderes Bild von
Gesamtschule.
Zwei Beispiele sollen verdeutlichen, vor welchem Problem derjenige steht, der
aus offiziellen Dokumenten Kriterien für Gesamtschule herauskristallisieren
will:
1. Im Jahre 1977 war in Niedersachsen ein umfangreicher „Allgemeiner Teil“ zu
den Rahmenplänen für Gesamtschulen von IGS-Lehrem entwickelt worden, in
den das damalige Selbstverständnis eingegangen war. Dieser Teil ist nie erschie-
nen. Im gültigen Grundsatzerlaß vom 10.12.1982 wird die Aufgabe der Integrier-
ten Gesamtschule in drei kurzen Punkten (9 Zeilen einer Spalte) abgehandelt.
2. Die Suche nach gesonderten Rahmenrichtlinien für Latein an Gesamtschulen
fördert auch nicht viel zu Tage. So sind mir die Hamburger Richtlinien bekannt,
die aber kaum den Ansprüchen für Richtlinien genügen, Ansätze in Nordrhein-
Westfalen und der niedersächsische Entwurf, der demnächst in die öffentliche
Anhörung geht.
Um beurteilen zu können, ob Lateinunterricht in die Konzeption von Gesamt-
schule paßt, ist es trotz aller Schwierigkeiten notwendig, einige essentials aus der
breitgefächerten Diskussion herauszufiltem. Über folgende Punkte scheint mir
Konsens zu bestehen:
1. Die Gesamtschule will Kinder aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten
zu gemeinsamem Lernen zusammenführen und intendiert dabei soziales
Lernen.

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